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Verwaltungsvorlage (02_Abgleich)

                                    
                                        02

ABGLEICH

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

2.0 EINLEITUNG

142

2.0 EINLEITUNG

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

143

2.0 INHALTSANGABE

2.1 EINLEITUNG
(RELEVANZ DER
KONSTITUIERENDEN- UND
TRANSFORMATIONSSCHICHTEN)

S.145

2.2 ABGLEICH 2D

S.149

2.3 ABGLEICH 3D

S.155

2.4 KERNIDENTÄT

S.199

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

2.0 EINLEITUNG

144

2.1 EINLEITUNG

2.0 EINLEITUNG

Die konstituierenden Zeitschichten bilden das Fundament des
Abgleichs. Sie sind auch die Grundlage der Kernidentität der
Krefelder Innenstadt und der räumlich - historischen Prinzipien,
die aus dem Vergleich der konstituierenden Zeitschichten mit
den späteren Transformationen destilliert werden können.
KERNFRAGEN ABGLEICH
‡:DVEOLHEYRQGHQ]XYRULGHQWLÀ]LHUWHQUlXPOLFKKLVWRULVFKHQ6WUXNWXUHQHUKDOWHQ KHXWLJH6LWXDWLRQ "

GRUNDLAGEN UND ZIELE
In Schritt 1 - Analyse wurden
konstituierende Zeitschichten und
Transformationsschichten in der
Stadtstruktur unterschieden. Die
Zeitschichten wurden im historischen
Kontext verankert und auf den
Maßstabsebenen XL, L+M und S
beschrieben. In Schritt 2 - Abgleich
werden die Ergebnisse aus Schritt
1 verwendet, um zu untersuchen,
was von den verschiedenen
konstituierenden Zeitschichten
übrig geblieben ist und wie sich
die Transformationen zu den
verschiedenen konstituierenden
Elementen verhalten. Der Abgleich ist
daher eigentlich das Schlussstück des
Analyseteils.
Die Bewertung der kulturhistorischräumlichen Strukturen und Objekte aus
GHQYHUVFKLHGHQHQ=HLWVFKLFKWHQÀQGHW
in Schritt 3 - Bewertung statt. Schritt
3 befasst sich auch mit allgemeineren
Fragen zur räumlichen Struktur der
Stadt

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Die konstituierenden Schichten
bilden das Fundament des Abgleichs.
Sie sind auch die Grundlage der
Kernidentität der Krefelder Innenstadt
und der räumlich - historischen
Prinzipien, die aus dem Vergleich der
konstituierenden Zeitschichten mit den
späteren Transformationen destilliert
werden können.
KERNFRAGEN ABGLEICH
Der Abgleich soll vor allem die
Kernfrage beantworten:
:DVEOLHEYRQGHQ]XYRULGHQWLÀ]LHUWHQ
räumlich - historischen Strukturen
erhalten (heutige Situation)?
Die verschiedenen konstituierenden
Zeitschichten sind durch ihre
Bebauung zusammen gewachsen.
Daraus ergeben sich die folgenden
Teilfragen:

TEILFRAGEN
‡Welche räumlich - historischen Strukturen sind in der
heutigen Situation noch zu unterscheiden?
‡Wie verhalten sich die räumlichen Merkmale der
verschiedenen Zeitschichten zueinander?
‡Was macht die räumlich - historischen Strukturen der
Innenstadt aus (Kernidentität)?
‡Welche städtebaulich - architektonischen Grundprinzipien
gelten für die konstituierende Bebauung?

145

2.1 EINLEITUNG

Ostwall mit Hauptpost
Abb. 2.0_1 (links) Postkarte um 1900
Abb. 2.0_2 (rechts) heutiger Zustand

METHODIK ABGLEICH 2D & 3D
Die vergleichende Überlagerung der
konstituierenden Zeitschichten mit
der heutigen Situation ergibt einen
Überblick, welche Strukturen sich
als nachhaltig erwiesen haben. Wo
Strukturen sich als unversehrt bzw.
robust herausgestellt haben, können
sie identitätsstiftend genannt werden.
Der Abgleich erfolgt in der Form von
den Überlagerungskarten (2D) und
einer Beschreibung des räumlichen
Aufbaus (3D). Gemeinsam bilden
sie die Grundlage für Schritt 3 Bewertung.
ABGLEICH 2D ÜBERLAGERUNGSKARTEN
Der Abgleich erfolgt zunächst
durch den Vergleich zwischen den
konstituierenden Zeitschichten und
der heutigen Situation. In Abschnitt
2.2 werden vier Überlagerungskarten
gezeigt, in denen beide Situationen
miteinander verglichen wurden.

Auf den Überlagerungskarten ist gut zu
erkennen, welche Strukturen bzw. Teile
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

davon auch heute noch bestimmend
sind.
Die ersten beiden
Überlagerungskarten zusammen
zeigen die allgemeinen Änderungen für
den gesamten Stadtplan einschließlich
der Vier Wälle. In Überlagerungskarte
3 werden die Standorte, an denen das
Stadtgefüge und das Erscheinungsbild
der konstituierenden Zeitschichten
aufgrund späterer Transformationen
stark verändert wurde, als Dissonanten
markiert. In Schritt 3 - Bewertung
wird exemplarisch gezeigt, wie diese
Dissonanten bewertet werden können.

enthält der Abgleich auch eine
vergleichende Beschreibung der
ursprünglichen räumlichen Grundlagen
der konstituierenden Zeitschichten mit
den späteren Transformationen.
Hier geht es nicht nur um den
Stadtgrundriss (Fluchtlinien,
Parzellenstruktur), sondern auch
um den Vergleich zwischen der
ursprünglichen städtebaulichen
Situation und der konstituierenden
Bebauung mit späteren
Transformationen und dem heutigen
Zustand. Dies erfolgt in Abschnitt 2.3.

Da der Baumbestand der Vier Wälle
eine wesentliche städtebauliche
Komponente darstellt, wird
in Überlagerungskarte 4 die
ursprüngliche Anlage entlang der
Vier Wälle mit der heutigen Situation
verglichen.

Wegen ihrer Relevanz für das heutige
Stadtbild werden die städtebaulichen
Strukturen und die Architektur
repräsentativer Objekte aus den
konstituierenden Zeitschichten und
den Transformationsschichten in
$EVFKQLWWQlKHULGHQWLÀ]LHUWXQG
beschrieben.

ABGLEICH 3D - BESCHREIBUNG
Neben dem Vergleich des historischen
Stadtgrundrisses mit der heutigen
Situation anhand von Karten (2D)

KERNIDENTITÄT
Aus dem Abgleich ergeben sich
Aussagen zur Kernidentität und den
räumlich - historischen Grundprinzipien

2.0 EINLEITUNG

der Krefelder Innenstadt. Diese
.HUQLGHQWLWlWLVW]ZDQJVOlXÀJ
mehrschichtig, das heißt, der
räumlich - historische Charakter der
konstituierenden Zetschichten und die
Veränderungen, die sie durchlaufen
KDEHQEHHLQÁXVVHQZLHGLH6WDGWVLFK
in der Gegenwart manifestiert bzw. wie
sie erfahren wird.
Die barock-klassizistische
Manufakturstadt, die um einen kleinen
mittelalterlichen Stadtkern herum
angelegt, und mit den Vier Wällen
als Promenaden nach französischem
Vorbild eingerahmt wurde, ist die
räumliche Basis. Gleichzeitig ist sie in
nicht geringem Maße durch besondere
Einzelbauten aus der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit geprägt, sowie
durch die frühe Nachkriegsmoderne
und spätere Transformationen,
die den Zusammenhang des
Ganzen beeinträchtigt haben. In
Abschnitt 2.4 wird die Kernidentität
zusammengefasst.

KONSTITUIERENDE RÄUMLICHHISTORISCHE PRINZIPIEN
Die hohe städtebauliche und
architektonische Kohärenz, die das
Stadtbild der vorindustriellen und
teilweise auch der modern-historischen
Stadt ausmachte, lässt sich auf
eine Reihe von städtebaulichen und
architektonischen Grundprinzipien
zurückführen, die in Abschnitt 2.4.2
erörtert werden.
Die räumliche Kohärenz in der
Innenstadt wird stark unterstützt
durch den Zusammenhang zwischen
Stadtstruktur (2D), Gebäudevolumen
und Straßenwänden (3D). Die
Fassadenarchitektur aus den
konstituierenden Zeitschichten
bildet hierfür die Grundlage. Die
Architektur aus der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit und den frühen
1950er Jahren verträgt sich im
Allgemeinen damit. Die Kohärenz
der Fassadenarchitektur ist nicht
zufällig entstanden, sondern basiert
auf Grundprinzipien. Diese werden in
Abschnitt 2.4.3 erläutert.
146

2.1.1

2.0 EINLEITUNG

EINLEITUNG
RELEVANZ DER KONSTITUIERENDEN ZEITSCHICHTEN
Eine konstituierende Zeitschicht ist die ursprüngliche Entstehungsbzw. Entwicklungsschichte eines bestimmten Stadtgebietes. Sie ist
in einer klar definierten Ära entstanden und stellt ein eindeutiges
räumliches System dar, das sich im Laufe der Jahrhunderte als
stabile Grundlage in der Stadtentwicklung erwiesen hat.

KONSTITUIERENDE
ZEITSCHICHTEN
Die Krefelder Innenstadt besteht aus
einer einzigartigen barocken Planstadt,
die um einen unregelmäßigen
mittelalterlichen Stadtkern herum
angelegt wurde. Zu Beginn des 19.
Jahrhunderts wurde die geometrische
Anlage in ihrer Gänze zur offenen
Stadt und mit einer eleganten,
rechteckigen Promenade nach
französischem Modell umrahmt.
Die Stadt wurde hauptsächlich für
einen Industriezweig eingerichtet,
namentlich die Seidenindustrie.
Das einheitliche und verfeinerte,
barock-klassizistische Stadtbild war
ebenso makellos und elegant wie
die Produkte, die dort angefertigt
wurden. Die feine Mischung der
Funktionen von Wohnen und Arbeiten
auf allen Maßstabsebenen war in
der Manufakturstadt nicht in den
unaufgeregten aber harmonisch
abgestimmten Fassaden ablesbar.

KONSTITUIERENDE
ZEITSCHICHTEN

Das Untersuchungsgebiet weist
trotz aller Transformationen ein
geschlossenes Stadtbild auf, dessen
Kohärenz bis heute auf die Grundlage
der konstituierenden Zeitschichten
zurückzuführen ist. Aus dem Abgleich
wird deutlich, dass die Architektur
der konstituierenden Zeitschichten
die Grundlage für diese Prinzipien
bildet. Die Architektur der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit sowie der frühen
Nachkriegsmoderne baute deutlich
darauf auf.

mittelalterlicher
Stadtkern

oranische
Stadterweiterung

Daraus ergeben sich verschiedene
Gradienten von Kohärenz bzw.
Bereiche, die mehr oder weniger
von der konstituierenden Bebauung
geprägt werden sowie Bereiche, in
denen die frühe Nachkriegsmoderne
das Stadtbild bestimmt.
Die das Stadtbild prägende Architektur
ist in Krefeld bis auf die nicht mehr
erhaltene mittelalterliche Bebauung
nicht auf regionale, sondern
eindeutig auf europäische Vorbilder
zurückzuführen.

barocke
Planstadt

Abb. 2.0_15
konstituierende Zeitschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

klassizistische
Stadtanlage
147

2.1.2

EINLEITUNG
RELEVANZ DER TRANSFORMATIONSSCHICHTEN
Eine Transformationsschicht ist die Summe der Transformationen, die in
einer bestimmten Periode stattgefunden haben und die in die konstituierende
Zeitschicht eingefügt wurden, ohne dass letztere aufgehoben oder vollständig
ersetzt wurde. Auf diese Weise wird die Mehrschichtigkeit der Stadt dargestellt
und gleichzeitig eine deutliche Hierarchie der Zeitschichten definiert.

TRANSFORMATIONEN UND
DISSONANTEN
Erst mit der Reichsgründung
und dem damit einhergehenden
ungezügelten Bauboom begann das
geordnete, einheitliche Stadtbild
sich aufzulösen. In seiner Gänze
blieb die zusammenhängende
Stadtstruktur dennoch erkennbar. Die
Funktionsmischung blieb kleinteilig,
und die Vier Wälle blieben grüne
Promenaden, auch wenn sie deutlich
großstädtischer wurden.
Das vorindustrielle und modernhistorische Stadtbild wurde durch die
Bombardierung schwer beschädigt. In
der ersten Phase des Wiederaufbaus
wurden große Teile der Stadt innerhalb
der historischen Fluchtlinien und in
kleinteiliger Parzellierung wieder
aufgebaut. Das Straßenmuster
blieb somit bis auf eine Handvoll
verschwundener Straßen erhalten,
und eine Maßstabsvergrößerung
fand nur in begrenztem Umfang statt.
Eine eindeutige Entscheidung über
Rekonstruktion oder Neuordnung fand

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

zunächst nicht statt. Es wurden weder
historistische Rekonstruktionen alter
Marktplätze oder Straßen geplant
(wie z.B. in Münster oder Frankfurt),
noch konsequent durchgeführte
Verkehrsdurchbrüche innerhalb des
historischen Straßenmusters (wie z.B.
in Nürnberg oder Hildesheim). Die
Architektur des Wiederaufbaus blieb
neutral und meist eher bescheiden und
nüchtern.
Erst in der zweiten Phase des
Wiederaufbaus, der in der Mitte
der 50er Jahre einsetzte, folgte ein
klares Bekenntnis zum Idealbild der
gegliederten, aufgelockerten und
autogerechten Stadt, in der Funktionen
ab jetzt bewusst getrennt und an
verschiedenen Standorten konzentriert
wurden. Eingriffe in die Stadtstruktur
wichen bewusst vom historischen
Stadtgrundriss ab.
Dies resultierte letztendlich nicht
in einer radikalen Neuordnung,
sondern in einer Reihe von
Straßenverbreiterungen und der

Anlage ebenerdiger Parkplätze an
der Stelle zerstörter Baublocks.
Eine irreversibele Änderung der
Stadtstruktur zu einem eindeutig
modernen Stadtbild wurde damit nicht
zustande gebracht, sondern eher eine
Beeinträchtigung der Lesbarkeit der
historischen Stadt.
Das Gleiche gilt für die modernistische
Idee der 60er und 70er Jahre, die
historisch geschlossene Stadtstruktur
in ein offenes Stadtmodell
umzuwandeln, in dem große
Gebäudekomplexe als skulpturale,
hermetische Objekte platziert wurden,
die gewissermaßen autonome
,QVHOQLPÁLH‰HQGHQ5DXPHLQHU
Stadtlandschaft bildeten. Die 27 im
$EJOHLFKLGHQWLÀ]LHUWHQ'LVVRQDQWHQ
gehören zum Teil dieser Kategorie
an. Die auffälligsten Vertreter sind
das Gebiet um das Polizeipräsidium,
das Schwanenmarkt Center und das
Seidenweberhaus.

2.0 EINLEITUNG

TRANSFORMATIONSSCHICHTEN

Architektur -Ikonen
Kaiserzeit

Architektur-Ikonen
Zwischenkriegszeit

Wiederaufbau und
Architektur-Ikonen
der ersten
Nachkriegsmoderne

Dissonanten

148

2.2 ABGLEICH 2D

2.2 ABGLEICH 2D

Der Abgleich erfolgt zunächst durch den Vergleich zwischen
den konstituierenden Zeitschichten und der heutigen Situation.
Hierzu werden vier Überlagerungskarten gezeigt, in denen beide
Situationen miteinander verglichen wurden.

ÜBERLAGERUNGSKARTEN
Die Überlagerungskarten 1 und 2
verdeutlichen, wo die ursprüngliche
Stadtstruktur (Fluchtlinien,
Parzellenstruktur) erhalten blieb und
wo nicht, und welche Strukturen
bzw. Teile davon auch heute noch
bestimmend sind.
Mit der Markierung von Dissonanten
in Überlagerungskarte 3 wird deutlich
sichtbar gemacht, was transformiert
wurde bzw. was verloren ging. Die
meisten Dissonanten sind Resultat von
Eingriffen der Nachkriegszeit. In Schritt
3 - Bewertung wird exemplarisch
gezeigt, wie sie bewertet werden
können.

In Überlagerungskarte 4 werden auch
die konstituierenden und tatsächlich
vorhandenen Bäume an den Vier
Wällen miteinander abgeglichen.
Für die Erstellung der
Überlagerungskarten wurden
Katasterkarten als Grundlage
verwendet, die sowohl die Fluchtlinien
als die Einzelparzellen zeigen. Das
Urkataster von Krefeld stammt aus
dem Jahr 1826. Dementsprechend ist
der Abgleich für den mittelalterlichen
Stadtkern insofern unvollständig zu
nennen, als vom Mittelalter und der
Renaissance bis 1826 zweifellos
zahlreiche räumliche Veränderungen
stattgefunden haben, die aber nicht
kartographisch dokumentiert sind.

Veränderungen von Fluchtlinien oder
Parzellenstruktur in der vorindustriellen
Stadt vollzogen sich im Allgemeinen
eher langsam. Bei Krefeld muss
davon ausgegangen werden, dass die
Veränderungen im mittelalterlichen
Stadtkern im genannten Zeitraum
vergleichsweise gering waren, und
die Karte von 1826 die Situation der
Spätrenaissance noch relativ gut
widerspiegelt.
Gleiches gilt in geringerem Maße
auch für die Veränderungen der
Stadtstruktur im Zeitraum zwischen
dem Ende des 18. Jahrhunderts und
der Uraufnahme 1826.

2.2.1 ÜBERLAGERUNGSKARTE 1
- MITTELALTERLICHER STADTKERN

Neben den Überlagerungskarten sind
auf den Karten kurze Erläuterungen
als Leseanleitung enthalten.

S.150

2.2.2 ÜBERLAGERUNGSKARTE 2
- VIER WÄLLE

S.151

2.2.3 ÜBERLAGERUNGSKARTE 3
- DISSONANTEN

S.152

2.2.4 ÜBERLAGERUNGSKARTE 4
- KONSTITUIERENDE BÄUME

S.153

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Bei der klassizistischen
Stadterweiterung von Vagedes
verhält es sich andersherum. Die
Katasterkarte von 1826 zeigt die
Barockstadt im Detail, nicht jedoch
den Plan von Vagedes, da dieser zwar
1819 aufgestellt, aber noch lange
nicht vollständig realisiert worden
war. Für die Überlagerungskarte der
Planstadt und Vier Wälle wird daher
eine Kombination der Katasterkarten
von 1826 und 1939 als Grundlage für
die Fluchtlinien und Parzellenstruktur
verwendet.

149

2.2.1

2.2 ABGLEICH 2D

ÜBERLAGERUNGSKARTE 1
MITTELALTERLICHER STADTKERN
Der Abgleich zeigt, dass die Hochstraße in ihren
mittelalterlichen Fluchtinien und der historischen
Parzellierung fast komplett erhalten geblieben
ist, ebenso wie die meisten Quergassen. Der
Schwanenmarkt (Alter Markt) ist in seiner Grundform
noch erkennbar.

In der ersten Überlagerungskarte
wird die bestehende Situation des
mittelalterlichen Stadtkerns mit
den Fluchtlinien und Parzellen der
konstituierenden Zeitschichten
abgeglichen. Da über die
Siedlungsgenese des mittelalterlichen
Stadtkerns wenig bekannt ist, werden
in dieser Karte die Fluchtlinien aus der
ersten maßgenauen Aufnahme 1826
zugrunde gelegt. Diese beinhaltet auch
die Neustraße und den Quartelnmarkt,
die vermutlich erst in oranischer Zeit
angelegt wurden. Die Begradigung
der heutigen Markt- und Rheinstraße
erfolgte wahrscheinlich gleichzeitig mit
den Stadterweiterungen von 1711 und
1738. Sie wird gesondert markiert.
Der Abgleich zeigt, dass die
Hochstraße in ihren mittelalterlichen
Fluchtinien und der historischen
Parzellierung größtenteils erhalten
geblieben ist, ebenso wie die meisten
Quergassen. Der Schwanenmarkt
(Alter Markt) ist in seiner Grundform
noch erkennbar.
Der Platz an der Alten Kirche wurde
in der Zwischenkriegszeit freigelegt,
als die kleinen Häuser, die nach der
Reformation auf dem mittelalterlichen
Kirchhof gebaut worden waren,
abgerissen wurden. Im Gegensatz zum
6FKZDQHQPDUNWLVWGLHVHU¶3ODW]·DOVR
QLFKW¶PLWWHODOWHUOLFK·

Die Bebauung der ursprünglichen
Gasse zwischen Schwanenmarkt
und der Alten Kirche wurde 1957
abgeräumt, um mehr Platz für den
ruhenden Verkehr zu schaffen. Die
Straßenecke zwischen Evertsstraße
XQGGHPKHXWLJHQ¶HYDQJHOLVFKHQ
.LUFKSODW]·ZLUNWGDGXUFKQLFKWPHKU
raumbildend für den historischen
Schwanenmarkt.
Der nordwestliche Teil des
mittelalterlichen Stadtgrundrisses wird
fast komplett vom Schwanenmarkt
Center eingenommen. Der Komplex
mit Shopping Mall, Tiefgarage,
Parkhaus und 200 Wohnungen,
wurde 1976 eröffnet. Es war das
erste große Flächensanierungsprojekt
in der Innenstadt. Die historischen
%DXÁXFKWHQHQWODQJGHU3RVWXQGGHU
Evertsstrasse gingen durch die neue
Form verloren, die Wiedenhofstraße
wurde als Route entlang der
ehemaligen Stadtmauer aufgehoben.

konstituierende Fluchtlinien nach
Urkataster 1826 und Katasterplan
1930
Fluchtlinien fehlend
Parzellierung konstituierend nach
Urkataster 1826

Abb. 2.0_3
Überlagerungskarte 1 - mittelalterlicher Stadtkern
Im Gebiet des mittelalterlichen Stadtkerns blieben
die historischen Fluchtlinien fast komplett erhalten.
Die ursprüngliche agrarische Parzellenstruktur der
Ackerbürgerhäuser liegt der heutigen, immer noch
kleinteiligen Parzellenstruktur wahrscheinlich zugrunde.
Archäologische Untersuchungen können dazu mehr
Klarheit verschaffen.

Parzellierung konstituierend nach
Katasterplan 1930
Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße
fehlende Bebauung

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

150

2.2.2

ÜBERLAGERUNGSKARTE 2
VIER WÄLLE

2.2 ABGLEICH 2D

Das Gebiet innerhalb der Vier Wälle
weist trotz aller Transformationen
ein geschlossenes Stadtbild auf. Die
Merkmale der vorindustriellen Stadt
sind in Fluchtlinien und Parzellierung
erhalten geblieben oder wurden beim
Wiederaufbau wiederhergestellt.

In der zweiten Überlagerungskarte
wird die bestehende Situation mit den
Fluchtlinien und der Parzellenstruktur
der konstituierenden Zeitschichten oranische Stadterweiterung, barocke
Planstadt und die klassizistische
Stadtanlage - abgeglichen.

Abb. 2.0_4
Überlagerungskarte 2 - Vier Wälle

In dieser Karte wird die Kontur
des mittelalterlichen Stadtkerns
korrigiert anhand der konstituierenden
Fluchtlinien um 1870 und mit einer
VFKUDIÀHUWHQ)OlFKHPDUNLHUW'HU
mittelalterliche Stadtkern wird aufgrund
seines räumlich begrenzten Umfangs
in Überlagerungskarte 1 gesondert
dargestellt.
Mit Ausnahme der Fläche zwischen
Lohstraße, Ostwall, Sankt-AntonStraße und Carl-Wilhelm-Straße, die
heute ein Teil des Theaterplatzes ist
und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
IUGDV7KHDWHUSURMHNW¶$WKHQlXP·
freigelegt worden war, sind es vor
allem die Eingriffe nach dem 2.
Weltkrieg, die ins Auge fallen. Diese
werden in Überlagerungskarte 3
benannt.

konstituierende Fluchtlinien nach
Urkataster 1826 und Katasterplan
1930
Fluchtlinien fehlend
Parzellierung konstituierend nach
Urkataster 1826
Parzellierung konstituierend nach
Katasterplan 1930
Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße
fehlende Bebauung

mittelalterlicher Stadtkern s, 2.2.1

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

151

2.2.3

(Kaufhaus Horten (heute Primark)
und Hamburg Mannheimer Haus
s.Bewertung S)
1980ER JAHRE
3a Von-der-Leyen-Platz

ße

ße

tstra

Mark
ße
sstra
Evert

25 kleiner Platz Stephan- Ecke

raße
Marktst

Wallstraße

Neut
mark

26 ¶0D[3HWHUPDQQ3ODW]·
pl.

nstra

ße

e
straß

ße
rsstra

König

nige

ö
Dreik

Pete

Karls

straß

pl.
Park

e

Auch in folgenden Jahren wurde
der historische Stadtgrundriss
beeinträchtigt, z.B. durch den
Bau des Behnischhauses, der
Volksbank und der Mediothek.
Diese Tranformationen werden
in der Bewertung wegen des
geringen Zeitabstands nicht
erfasst.

Hoch

4 Ackermann Bauten

ra
Lohst

24 ¶$QQH)UDQN3ODW]·

Anne Pl.
Frank-

städtebaulicher Akzent und
Abschluss des Ostwalls

aße

er Str

Linn

Lenss

e
fstraß

$XÁRFNHUXQJHQGHU
6WDGWVWUXNWXU

e

Neue

ße
enstra

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22 ¶'U+LUVFKIHOGHU3ODW]·

ll

19 Platz an der Alten Synagoge

aße
e Str

23 ¶:LOO\*|OGHQEDFKV3ODW]·

a
Ostw

straß
Rhein

Wiedenhofstraße)

Breit

¶(YDQJHOLVFKHU.LUFKSODW]·

e

10 Schwanenmarkt (steht auf der

Wied

11b

rstraß

und Lohstraße (Ausfahrt
Tiefgarage Behnischhaus)

aße
n-Str

-Anto

Sankt

Göld
Willy- s-Pl.
h
enbac

17 )UHLÁlFKH]ZLVFKHQ.|QLJVWUD‰H

Färbe

und Lohstraße nördlich der
Gartenstraße

ße

5b Parkplatz zwischen Königstraße

-S

ilhelm

Carl-W

/RKVWUD‰H· ,+.

3 )UHLÁlFKH]ZLVFKHQGHU6FKQHLGHU
und der Lutherische-Kirch-Straße
nördlich der Gartenstraße

ra
Lohst

on
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Gart yen
e
der L

traße

yDion
l.
siusp

2b 1RUGZDOO(FNH¶Q|UGOLFKH

raße

2a Nordstraße Ecke Ostwall

raße
richst

Freilegungen für den
UXKHQGHQ9HUNHKU
1 Nord- Ecke Sternstraße

Fried

zwischen Königstraße und Ostwall)

e

22 Dreikönigenstraße (zwischen

1970ER JAHRE
6b Seidenweberhaus (steht auf der
Lohstraße)

er
Von d Pl.
n
Leye

Königstraße und Ostwall)

terThea
platz

aß
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21 und Breite Straße und zwischen

h
Step

anstr

aße

aße

traße

ls
Mitte

anstr

h
Step

eterMax-P l.
n-P
man

Lindenstraße

2c Polizeipräsidium als

Mit dem Bau des Kaiser Wilhelm
Museums wurde der Karlsplatz
aufgehoben. Aufgrund der
vorgenannten Sonderbehandlung
der Bebauung aus der Kaiserzeit
an den Vier Wällen wird dies nicht
als Dissonant markiert.

traße

der Haltestelle Rheinstraße

ße

nstra

Garte

Klost

27 Hamburg Mannheimer Haus

irch-S

18 Verbreiterung des Ostwalls an

20 Marktstraße (zwischen Westwall

ße

kstra

Fabri

he-K

7 Sankt-Anton-Straße

st
König

.|QLJVWUD‰H DXVGHU%DXÁXFKW
JHVFKREHQH¶3XQNWKlXVHU·
an diversen Straßenecken
s.Bewertung S)

erisc

27
8 Freilegung Apsis Dionysiuskirche

wall

Nord

all

11 Freilegung Nordportal Alte Kirche

16 ¶$XÁRFNHUXQJ·GHU%DXÁXFKWGHU

l.

Dionysiuskirche

WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG
Durchbrüche für den
ÁLH‰HQGHQ9HUNHKU
5a Gartenstraße

platz

richs

Fried

Mennoniten-Kirch-Straße

Luth

9 Freilegung Nordportal

traße

dess

Vage

w
West

6 Freilegung Platz für das
7KHDWHUSURMHNW¶$WKHQlXP· KHXWH
Theaterplatz)

14 fehlende Bebauung an der

Spielp

DEUTSCHES KAISERREICH (1871
- 1918)

12 Platz an der Alten Kirche (12)

Mennoniten-Kirch-Straße

e
straß

traße

Die Summe der Dissonanten innerhalb
einer Periode bilden zusammen eine
Transformationsschicht und sind unten
stehend entsprechend geordnet.
Der übergroße Teil der Dissonanten
stammt aus der Zeit nach dem 2.
Weltkrieg. Es betrifft hier vor allem
Standorte, an denen eine mehr
oder weniger radikale Neuordnung
stattgefunden hat.

13 Kleiner Platz Angerhausen- Ecke

Nord

eiders

Die Überlagerung der deutlich
abweichenden modernen Periode
mit der vorindustriellen und modernhistorischen Periode hat zu einer
NRPSOH[HQ¶6FKLFKWXQJ·YHUVFKLHGHQHU
Stadtstrukturen geführt. Die moderne
Periode baut aber nicht mehr iterativ
auf ihren Vorgängern auf und bricht
die Innenstadt - unabhängig von den
städtebaulichen oder architektonischen
Qualitäten der modernen Eingriffe
- in mehr oder weniger autonome
Fragmente auf. In solchen Fällen wird
die vorindustrielle Stadt nicht mehr als
unversehrt bzw. intakt erfahren.

ZWISCHENKRIEGSZEIT (19181932)

2.2 ABGLEICH 2D

Schn

Die Stellen, an denen das Stadtgefüge
und das Erscheinungsbild der
konstituierenden Zeitschichten
aufgrund späterer Transformationen
stark verändert wurde, werden als
¶'LVVRQDQWHQ·JHNHQQ]HLFKQHW0LW
der Markierung von 27 Dissonanten
wird deutlich sichtbar gemacht, was
transformiert wurde und was verloren
ging.

ÜBERLAGERUNGSKARTE 3
DISSONANTEN

all

Südw

Abb. 2.0_5
Überlagerungskarte 3 - Dissonanten

aufgehobene Straße

15 Freilegung der Mennonitenkirche

an der Königstraße

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

fehlende Bebauung

152

2.2.4

2.2 ABGLEICH 2D

ÜBERLAGERUNGSKARTE 4
KONSTITUIERENDE BÄUME
Die städtebauliche Figur der Vier Wälle
ist auch heute noch klar im Stadtraum
ablesbar. Aus der französisch strengen
Anlage mit vier Baumreihen auf dem
Ostwall, drei Baumreihen auf dem Südund Westwall und zwei Baumreihen
auf dem Nordwall wurde relativ schnell
ein Rechteck aus vier Alleen, mit
Bäumen entlang gärtnerisch gestalteter
Mittelstreifen.
Die städtebauliche Figur der Vier
Wälle ist auch heute noch klar
im Stadtraum ablesbar. Aus der
französisch strengen Anlage mit
vier Baumreihen auf dem Ostwall,
drei Baumreihen auf dem Süd- und
Westwall und zwei Baumreihen auf
dem Nordwall wurde relativ schnell ein
Rechteck aus vier Alleen, mit Bäumen
entlang gärtnerisch gestalteter
Mittelstreifen. Dabei fällt vor allem
der grundsätzliche, stadträumliche
Unterschied auf zwischen den
mehrfachen Baumreihen mit etwa
1000 relativ kleinen Bäumen und den
heute stark ausgedünnten Alleen mit
etwa 450 zum Teil sehr großen, alten
Bäumen.
Viele Bäume sind nicht dem
veränderten Geschmack in der
Freiraumplanung sondern dem Verkehr
gewichen, z.B. auf dem Ost- und
Nordwall der Straßenbahn. Auf dem
südlichen Teil des Westwalls wurde der
Wochenmarkt installiert (siehe dazu
auch die Analysekarten).

on
en V
Gart yen
e
der L

Am stärksten beeinträchtigt wurde
der Ostwall. Vor dem Hauptbahnhof
wichen die Bäume der querenden
Hansastraße und einer Unterführung,
An der Haltestelle Ostwall/Rheinstraße
wichen sie dem ÖPNV. Heute steht
hier ein luftiges Glasdach. Zwischen
Rheinstraße und Sankt-Anton-Straße
fehlen die Bäume ebenfalls und
zwischen Moerser- und Nordstraße
wurde der Ostwall aufgehoben, um
mehr Platz für das Polizeipräsidium
zu schaffen. Um den Friedrichsplatz
wurde die geometrische Strenge
GHU%HSÁDQ]XQJODQGVFKDIWOLFK
aufgelockert.
'DV'DWXPGHU3ÁDQ]XQJGHU
bestehenden Bäume reicht von 1880
bis heute. Ursprüngliche Bäume
scheint es nicht zu geben. Die
exakte Position der vorhandenen
und fehlenden Bäume wurde zur
besseren Lesbarkeit stark vereinfacht
dargestellt. Am Rathaus sind noch
Spuren des Von der Leyenschen
Gartens erkennbar.

Abb. 2.0_6
Überlagerungskarte 4
- konstituierende Bäume

Baum bestand
Baum fehlend

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

153

2.2.4

2.2 ABGLEICH 2D

ÜBERLAGERUNGSKARTE 4
KONSTITUIERENDE BÄUME
Beim Abgleich der konstituierenden Bäume mit dem
heutigen Zustand fällt vor allem der grundsätzliche,
stadträumliche Unterschied auf zwischen den
mehrfachen Baumreihen mit etwa 1000 relativ
kleinen Bäumen und den heute stark ausgedünnten
Alleen mit etwa 450 zum Teil sehr großen, alten
Bäumen.

Die ältensten Bäume sind größtenteils
Gewöhnliche Platanen und
Holländische Linden. Die folgenden
%DXPDUWHQVLQGHEHQIDOOV]XÀQGHQ
NORDWALL
Holländische Linde
Kegel-Robinie
Amberbaum
Dachförmige Platane
Einblättrige Robinie
Gemeine Robinie
Gewöhnliche Platane
Hahnensporn-Weißdorn

Abb. 2.0_9
Westwall 1900
Abb. 2.0_7
Ostwall 1900

OSTWALL
Holländische Linde
Kaiserlinde
Winter-Linde
Berg-Ahorn
Gewöhnliche Platane
Kegel- Linde Glenleven
Nichtfruchtende Roßkastanie
Säulen-Feldahorn
Schnurbaum
SÜDWALL
Amerikanische Roteiche
Gewöhnliche Platane
Sumpf-Eiche
WESTWALL
Gewöhnliche Platane
Kaiserlinde
Riesenblättrige Linde
Holländische Linde
Winter-Linde
Abb. 2.0_8
Ostwall 2020

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_10
Westwall 2020

154

2.3 ABGLEICH 3D

2.3 ABGLEICH 3D

Die räumliche Kohärenz in der Innenstadt ergibt sich aus dem
Zusammenhang zwischen Stadtgrundriss (2D), und seinem räumlichen
Aufbau (3D). Die Relevanz des vorindustriellen, geschlossenen
Stadtmodells und seiner repräsentativen Architektur für die
Kernidentität Krefelds wird im Folgenden erläutert.
Die Fassadenarchitektur aus den konstituierenden Zeitschichten bildet
die Grundlage für das Stadtbild. Die Architektur aus der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit und der ersten Nachkriegsmoderne verträgt sich im
Allgemeinen damit, ausgehend von einer Reihe von Grundprinzipien.

2.3.1 MITTELALTER UND RENAISSANCE

S.156

2.3.2 ORANISCHE ZEIT

S.161

2.3.3 BAROCK
(BRANDENBURG - PREUSSEN)

S.166

2.3.4 KLASSIZISMUS
(VAGEDES UND UMPFENBACH)

S.179

2.3.5 KAISER- UND ZWISCHENKRIEGSZEIT
(ARCHITEKTUR - IKONEN)

S.190

2.3.6 WIEDERAUFBAU, ERSTE
NACHKRIEGSMODERNE
(ARCHITEKTUR-IKONEN)

S.193

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

155

2.3.1

ABGLEICH 3D
MITTELALTER UND RENAISSANCE

BESCHREIBUNG DES
KONSTITUIERENDEN
RÄUMLICHEN SYSTEMS

XL

Die mittelalterliche Keimzelle von
Krefeld ist der älteste Teil der Stadt.
Die Qualitäten des mittelalterlichen
Kerns von Krefeld beruhen auf
dem Prinzip der städtischen
Unregelmäßigkeit und der Individualität
der Einzelbauten.
Die Häuser waren sowohl giebel- als
auch traufständig, sodass nicht nur
auf der Ebene des Grundstücks,
sondern auch auf der Ebene
der Dachlandschaft eine große
Formenvielfalt und Komplexität
vorhanden war.
Ein unregelmäßiges Straßenmuster,
das durch den landschaftlichen
Untergrund bestimmt wurde, der sich
QLFKWLQOLQHDUHQ6WUD‰HQÁXFKWHQ
sondern eher in geschwungen
Fluchtinien ausdrückte, wurde
kombiniert mit einem individualisierten
Baubestand aus dicht nebeneinander
stehenden, aber voneinander zu

unterscheidenden Einzelhäusern.
Beide Arten von Unregelmäßigkeit
verstärkten sich gegenseitig
und bildeten zusammen ein eng
ineinandergreifendes räumliches
System.
Die Unregelmäßigkeiten und
Krümmungen des Stadtraums ergaben
ein geschlossenes Stadtbild mit
einer Reihe räumlicher Ereignisse.
Trotz dieser Unregelmäßigkeiten
war die räumliche Kontinuität und
der räumliche Zusammenhang des
städtischen Gefüges sehr gross, da
die Straßen auf beiden Seiten durch
Gebäude oder Mauern begrenzt
wurden, die Gebäude eine ähnliche
Form hatten und eine entsprechende
räumliche Positionierung auf dem
Grundstück, normalerweise direkt
an der Straße. Diese Kombination
von räumlicher Vielfalt und
Unregelmäßigkeit mit räumlicher
Kontinuität und Zusammenhang
ist sehr bemerkenswert, da sie nur
in mittelalterlichen Stadtstrukturen
vorkommt und von der Gesellschaft
allgemein hoch geschätzt wird.

Das Straßenmuster in der
mittelalterlichen Stadt hatte
aufgrund der Entwicklung entlang
regionaler Wegestrukturen eine
klare Hierarchie. Die Hochstraße
war die Hauptwegeverbindung
in nord-südlicher Richtung, aber
auch die diagonale Everts- bzw
Angerhausenstraße sowie die
Evangelische-Kirch-Straße in
ost-westlicher Richtung führten
zu Standorten außerhalb der
Stadtmauern. Darüber hinaus gab
es innerhalb der Siedlung engere
Straßen, wie die Tückingsgasse oder
die Poststraße. Stege erschlossen den
rückwärtigen Bereich nachverdichteter
Parzellen.

mittelalterlicher
Stadtkern

Im mittelalterlichen Stadtkern waren
]ZHLNODULGHQWLÀ]LHUEDUH=HQWUHQ]X
unterscheiden: die heutige Alte Kirche
mit ummauertem Friedhof einerseits
und der Marktplatz am Schwanenmarkt
mit Rathaus und Stadtwaage
andererseits.

oranische
Stadterweiterung

barocke
Planstadt

Abb. 2.0_15
konstituierende Zeitschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

klassizistische
Stadtanlage
156

2.3.1

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
MITTELALTER UND RENAISSANCE
Der mittelalterliche Kern ist trotz der Kriegszerstörungen in Bezug auf die Fluchtlinien
und Parzellierung weitgehend intakt geblieben. Wo die Fluchtlinien verändert wurden
und größere Gebäudekomplexe realisiert wurden, beeinträchtigen sie die Lesbarkeit
der Stadtstruktur, vor allem am Schwanenmarkt und dem Evangelischer-Kirch-Platz.
Dies ist auch der Fall, wo Einzelgebäude autonomen Großformen gewichen sind.
Trotz dieser Beeinträchtigungen des Stadtgrundrisses und der räumlichen
Kohärenz ist die mittelalterliche Stadtstruktur immer noch deutlich im Grundriss,
sowie einem Teil der Parzellenstruktur und zum Teil auch in der Individualität und
unterschiedlichen Höhen und Breiten der Bebauung zu erkennen.

XL

ABGLEICH 2D - 3D
Der mittelalterliche Stadtgrundriss
ist über die Jahrhunderte relativ
stabil geblieben und konnte die
vielen Veränderungen aus den
folgenden Jahrhunderten mühelos
aufnehmen. Umgestaltungen haben
hier fast ausschließlich auf der Ebene
einzelner, relativ kleiner Grundstücke
stattgefunden. Fotos aus der Kaiserund Zwischenkriegszeit zeigen, dass
die Giebel vieler Häuser größtenteils,
unter anderem durch Aufstockung,
ersetzt worden waren durch
traufständige Dächer.
Auf der Karte von 1939 entspricht
der Stadtplan des mittelalterlichen
Stadtkerns dennoch weitgehend
der Urkarte von 1826, und der
Stadtgrundriss und die Parzellen von
1826 werden sich nicht wesentlich von
denen des 16. oder 17. Jahrhunderts
unterschieden haben.
Die Hochstraße weicht von diesem
Bild der stabilen Stadtstruktur der
Vorkriegszeit in geringem Maße
ab, in Bezug auf Parzellierung und
Traufhöhen, aber nicht in Bezug auf
das vorindustrielle Straßenmuster.
Hier gab es bereits ab der Kaiserzeit
eine Vergrößerung der Parzellierung,
hauptsächlich aufgrund der
Entstehung von Kaufhäusern in dieser
zentralen Einkaufsstraße. Sie wuchsen
auch in die Höhe und mit ihnen kamen
neue Dachformen. Die Dachlandschaft

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

als solche blieb dabei jedoch als
eigenständige räumliche Schicht
erhalten. Die Neubauten aus der
Kaiser- und Zwischenkriegszeit blieben
auch strikt in den ursprünglichen
Fluchtlinien. In den Querstraßen und
-gassen blieb die Parzellenstruktur
in dieser Zeit praktisch unverändert.
Die einzige Ausnahme bildeten die
Entwicklungen An der Alten Kirche und
am Evangelischen Kirchplatz, die sich
jedoch mit den räumlichen Prinzipien
der mittelalterlichen Stadtstruktur
verbanden.
Auch nach dem Bombardement von
1945 blieben das Straßenmuster und
die Parzellierung im mittelalterlichen
Stadtkern zunächst weitgehend
intakt. Erst ab der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts wurden
mehrere Parzellen zusammengelegt
und historische Fluchtlinien an
manchen Stellen beeinträchtigt. In
der Dachlandschaft als räumliche
Ebene der Stadt sind durch den Bau
von Flachdächern große Lücken
entstanden, insbesondere ab den
späten 1950er Jahren. Dieser Prozess
dauert bis heute an.
In einigen Straßen blieb die
Nachkriegsbebauung unvollständig.
Zwar fügt sie sich in die historischen
Fluchtlinien ein, beeinträchtigt aber
die Stadtstruktur, weil die Traufhöhe
zu niedrig ist und die Dachlandschaft
großenteils fehlt. Die Qualität der

Architektur ist kümmerlich. Dies
gilt insbesondere zwischen der
Hochstraße und der Mennoniten-KirchStraße, in der Angerhausenstraße
und in der Tückingsgasse. Auffällig
ist, dass ehemals geschlossene und
allseitig bebaute Häuserblöcke im
Wiederaufbau auf mindestens einer
Seite nicht mehr vollwertig aufgebaut
wurden und dadurch Rückseiten und
Hinterhofsituationen entstanden sind,
z.B. entlang der Mennoniten-KirchStraße oder der Quartelnstraße.
Die räumliche Kontinuität und der
Zusammenhang des Stadtbildes
wurde durch verschiedene, in
der Nachkriegszeit einsetzende
Trends beeinträchtigt. Mit dem
Schwanenmarkt Center wurde z.B. ein
komplettes Quartier abgerissen, was
zu einer Maßstabsvergrößerung und
der Vergrößerung und Erweiterung
des öffentlichen Raumes z.B. an
der Evertsstraße führte. Feinere
¶.DSLOODUJHIl‰H·GHU6WDGWVWUXNWXUZLH
zum Beispiel die Gasse, die heute
¶(YDQJHOLVFKHU.LUFK3ODW]·KHL‰WRGHU
die Poststraße verschwanden.

Trotz dieser Beeinträchtigungen
beruhen die heutigen Qualitäten des
mittelalterlichen Kerns von Krefeld
immer noch auf dem Prinzip der
städtischen Unregelmäßigkeit und der
Individualität der Einzelbauten.
Dieses Prinzip ist immer noch
erkennbar, obwohl Teile der
Bebauung der Vorkriegszeit durch
das Bombardement ausgelöscht
wurden, und die räumliche
Kontinuität und der Zusammenhang
durch Eingriffe nach dem Krieg
beeinträchtigt ist. Dazu gehört die
Tendenz zur Maßstabsvergrößerung
(z.B. Schwanenmarkt-Center), die
Vergrößerung und Erweiterung
städtischer Räume (z.B. Evertsstraße),
das Verschwinden feinerer städtischer
¶.DSSLODUJHIl‰H·*DVVHQ.RUULGRUH
]%¶(YDQJHOLVFKHU.LUFK3ODW]·
Poststraße) und die Entwicklung
der Architektur in Richtung einer
völligen Autonomie in Bezug auf ihre
Umgebung (zum Beispiel das gläserne
Volumen in der Hochstraße 68-80,
vormaliges Kaufhaus Aretz).

Auch der Trend zu einer
Fassadenarchitektur, die sich völlig
autonom in Bezug auf die Umgebung
verhält, zum Beispiel das gläserne
Volumen in der Hochstraße 6880, vormaliges Kaufhaus Aretz
beeinträchtigt das räumlich historische Stadtbild.
157

2.3.1

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
MITTELALTER UND RENAISSANCE
e
straß

Rhein

Tückingsgasse

ße

Poststra

e

ß
ra

t
ns

se

Hochstra

u
ha
er
ng

A

ße
n-Kir

nite

nno

Me
traß

ch-S

t
mark
anen

e

L+M

Abb. 2.0_11, 12, 13 und 14
Gasse zwischen Schwanenmarkt und Alter
.LUFKHKHXWH¶(YDQJHOLVFKHU.LUFK3ODW]·
Die Gasse, die das weltliche vom spirituellen
Zentrum der mittelalterlichen Stadt trennte, liegt
heute offen. Die ursprüngliche Räumlichkeit ist
nicht mehr lesbar.

Schw

er

raße

Kirch-St

lische-

Evange

ße

tra

s

ts

Ev

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

ied

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Neust

e

raß

fst

ho

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konstituierende Fluchtlinien nach
Urkataster 1826 und Katasterplan
1930

eln
art
Qu rkt
ma

Mark

ße

tstra

Fluchtlinien fehlend
Parzellierung konstituierend nach
Urkataster 1826
Parzellierung konstituierend nach
Katasterplan 1930
Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße
Abb. 2.0_16 und 17
Markierung des Fischelner und des Hülser
Tores im Straßenpflaster

fehlende Bebauung

sehr hoher kulturhistorisch architektonischer Wert

Abb. 2.0_15
Überlagerungskarte 1 mittelalterlicher Stadtkern
mit konstituierender Bausubstanz
Im Gebiet des mittelalterlichen Stadtkerns
ist keine Bebauung aus der konstituierenden
Zeitschicht erhalten. Die Bebauung aus den
späteren konstituierenden Zeitschichten
ist in dieser Karte markiert. Im Inneren
der Alten Kirche und im Garten sind noch
einige Baufragmente sowie Grabplatten aus
GHP-KGW]XÀQGHQ'LHXUVSUQJOLFKH
vermutlich agrarische Parzellenstruktur der
Ackerbürgerhäuser blieb fast vollständig
erhalten.

hoher kulturhistorisch architektonischer Wert
positiver kulturhistorisch architektonischer Wert

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

158

2.3.1

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
MITTELALTER UND RENAISSANCE

L+M

Abb. 2.0_18
¶(YDQJHOLVFKHU.LUFK3ODW]·
Wo einst eine mittelalterliche Gasse vom
Schwanenmarkt zum Nordportal der Alten Kirche
führte ist heute ein offener Raum. Die jüngere
Architektur ist gegenüber der ursprünglichen
%DXÁXFKW]XUFNJHOHJW,P0D‰VWDENROOLGLHUWVLH
mit dem historischen Stadtraum. Der öffentliche
Raum und die höher gelegene Kriegsbrache
werden als Parkplatz genutzt.

Abb. 2.0_20
Schwanenmarkt
Der älteste Platz der Stadt, an dem sich der
mittelalterliche Markt befand, ist kleinteilig und
¶RUJDQLVFK·JHSÁDVWHUW'DVGHQNPDOJHVFKW]WH
Kaufhaus am ursprünglichen Standort des
Rathauses (heute Thalia) ist eine hervorragend
instandgehaltene Architektur-Ikone. Die
Vordächer oberhalb der Schaufenster betonen
hier die historische Architektur.

Abb. 2.0_21
Schwanenmarkt
Die Vordächer entlang der nördlichen
Platzwand trennen das Erdgeschoss von den
darüber liegenden Fassaden. Im gesamten
6RFNHOJHVFKRVVEHÀQGHQVLFKQXU]ZHL
Eingänge. Dem Schwanenmarkt Center und der
angrenzenden Bebauung fehlt die Kleinteiligkeit
und architektonische Verfeinerung zur Bildung
HLQHU¶PLWWHODOWHUOLFKHQ·.XOLVVH

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.0_19
Details der Pflasterung des
mittelalterlichen Stadtkerns
9LHOHGHUKHWHURJHQHQ3ÁDVWHUXQJHQSDVVHQ
weder in Format, noch in Material und Farbe,
noch in ihrer Qualität zu einem mittelalterlichen
Stadtkern.

Abb. 2.0_22
Platz an der Alten Kirche
In der Zwischenkriegszeit wurde der Platz durch
Abriss eines Häuserblocks geschaffen. Er hat - bis auf
die südwestliche Ecke mit Ruine und Wohnhaus der
evangelischen Gemeinde - klare Raumkanten von hoher
4XDOLWlW'LH3ÁDVWHUXQJPLW*UDQLWSODWWHQ]LWLHUWGLH
Gründerzeitliche Gestaltung ab 1870. Sie wird mit einem
QLHGULJZHUWLJHQ%HWRQSÁDVWHUHUJlQ]W,P6RPPHUZLUG
der Platz für Außengastronomie und Veranstaltungen
genutzt. Nutzungen für den Winter fehlen.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

159

2.3.1

ABGLEICH 3D
MITTELALTER UND RENAISSANCE

2.3 ABGLEICH 3D

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES
Abb. 2.0_24 (unten)
mittelalterliche Bebauung
in der Hochstraße um 1900. Die Durchfahrt auf
das dahinter liegende Grundstück wurde bei der
Nachverdichtung im 16. oder 17. Jahrhundert
überbaut.
Abb. 2.0_25
mittelalterliche Fassade

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_23
mittelalterliche Parzellierung Hochstraße
Die ursprünglichen, gekrümmten Fluchtlinien
aus dem Mittelalter blieben in der Hochstraße
komplett erhalten. Auch die mittelalterlichen
Parzellen blieben bis auf eine Reihe
großmaßstäblicher Einzelhandelsimmobilien
bewahrt. Die räumliche Wirkung der
Kleinteiligkeit und der Dächer ist gut
erkennbar. An einigen Stellen wurden die
Obergeschosse und Dächer nach dem Krieg
nicht wiederhergestellt.

Abb. 2.0_26, 27, 28 und 29
verselbständigte Schaufenster
Schaufenster entstanden erst in der
Kaiserzeit. Ihre gestalterische Qualität
bestand in der verfeinerten Gliederung des
Sockelgeschosses. Heute trennen breite
Vordächer die Erdgeschosse von den darüber
liegenden Hausfassaden. Darunter hat sich
das Schaufenster verselbständigt zu einer
Öffnung über die volle Höhe und Breite des
ehemaligen Sockelgeschosses, manchmal auch
über mehrere Geschosse. Die Grenze zwischen
Straße und Geschäft ist aufgehoben.

160

2.3.2

ABGLEICH 3D
ORANISCHE ZEIT
Die oranische Stadterweiterung ist in ihrer ursprünglichen Form nur noch an
wenigen Stellen anhand der Fluchtlinien und Parzellierung zu erkennen. Die ehemals
allseitigen Baublöcke wurden zum Teil durch Zeilenbebauung ersetzt und auf- bzw.
durchgebrochen. Die einst verborgene Mennonitenkirche wurde freigelegt.
BESCHREIBUNG DES
KONSTITUIERENDEN
RÄUMLICHEN SYSTEMS

XL

Der oranische Teil der Krefelder
Innenstadt stammt aus dem
späten 17. Jahrhundert. Die erste
Stadterweiterung östlich des
mittelalterlichen Stadtkerns bestand
ursprünglich aus fünf länglichen
Baublocks, drei östlich und zwei
westlich der breiten und geraden
Königstraße, der Hauptstraße der
Erweiterung.
In der neu entwickelten Stadtstruktur
wurden Gebäude und Straßen nach
einer strengen, rationalen Logik
geordnet, bei der der landschaftliche
Untergrund keine Rolle mehr spielte.
Ausgangspunkt waren gerade
Fluchtlinien, relativ breite Straßen
und eine dominante Horizontale im
Städtebau und in der Architektur.
Die Grundstücke rund um die
Königstraße waren die größten
und die auf der Mennoniten-KirchStraße und in der Lohstraße waren

kleiner oder zumindest untiefer. Dies
bedeutete, dass es Hauptstraßen und
Nebenstraßen (primäre und sekundäre
Straßen) gab, wobei die Nebenstraßen
jedoch vollständig bebaut waren.
Das rationale, gerade Straßenmuster
wurde von einer Reihe
zweigeschossiger, traufständiger
Einzelhäuser in der Fluchtlinie
und unter einem durchlaufenden
Satteldach begleitet, die von
individuellen Bauherren als
Stadthäuser, aber auch von
Bauunternehmern als Mietshäuser
gebaut wurden.
Eine horizontale Linienführung von
Dachrinnen und Gurtgesimsen
war dominant, und nur vereinzelt
unterbrochen von einem Rhythmus
bescheidener vertikaler Akzente in
der Form von Tympana. Die Linearität
des Stadtraums wurde also durch
die Hauptmerkmale der Gebäude
unterstützt, was aber aufgrund der
relativ feinkörnigen Parzellierung nicht
zu einer Monotonie der Straßenwände
führte.

Die neue Kirche für die Mennoniten
wurde in zweiter Reihe, hinter den
Häusern der Königstraße, errichtet.
Sie war also von der Hauptstraße
aus nicht sichtbar und wurde über
eine Gartenpforte an der schmaleren
Straße an der Rückseite, heute
Mennoniten-Kirch-Straße, erschlossen.

mittelalterlicher
Stadtkern

In Bezug auf Gebäude und
Architektur lässt sich die oranische
Stadterweiterung nicht eindeutig in
eine Hauptströmung zusammenfassen:
sie orientierte sich in ihrer Rationalität
an der internationalen klassischen
Ausrichtung der Zeit, entsprach aber
auch der lokalen Bautradition einfacher
Fachwerkbauten mit gemauerten
Fassaden unter einem Satteldach. Die
Satteldächer, das Öffnungsverhältnis
und die weiß getünchten Fassaden
verbanden die schlichte Architektur mit
der regionalen Bautradition.

oranische
Stadterweiterung

barocke
Planstadt

Abb. 2.0_15
konstituierende Zeitschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

klassizistische
Stadtanlage
161

2.3.2

XL

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
ORANISCHE ZEIT
Die Kontinuität der Stadtstruktur ist zwar im Hinblick auf das Straßenmuster
nachweisbar, jedoch im Hinblick auf die Baublöcke, Fluchtlinien, den Maßstab der
Parzellen und die Höhe der Gebäude deutlich geschwächt. Der Übergang zwischen
der oranischen Stadterweiterung und dem mittelalterlichen Stadtkern ist aufgrund
GHUXQGHÀQLHUWHQ6WUD‰HQZlQGHLQGHUKHXWLJHQ0HQQRQLWHQ.LUFK6WUD‰HEUFKLJ
geworden. Die Lohstraße ist heute mit ihrer geringen Höhe und kümmerlichen
Gestaltung eher eine Rückseite als eine historische Straße.

ABGLEICH 2D - 3D
Der Stadtplan der oranischen
Stadterweiterung blieb bis zum zweiten
Weltkrieg sehr stabil und konnte
die vielen Veränderungen aus dem
18. und 19. Jahrhundert mühelos
aufnehmen. Der Unterschied zwischen
Haupt- und Nebenstraßen (primäre
und sekundäre Straßen) blieb bis zum
Zweiten Weltkrieg unverändert.

Entwicklungen in der oranischen
Stadterweiterung nicht vor.

Die Umgestaltungen fanden hier fast
ausschließlich auf der Ebene der
einzelnen Parzelle statt, mit nur sehr
begrenzter Maßstabsvergrößerung,
insbesondere in der Höhe (in
bescheidenem Umfang mit wenigen
Stockwerken). Im Vergleich zur Urkarte
von 1826 bis zum Bombardement von
1943 war in diesem Bereich auch in
sehr beschränktem Mass die Rede von
Maßstabsverkleinerung, vor allem bei
der Parzellengröße, die ursprünglich
sehr breit war.

An der Stelle der ehemaligen
Baublöcke entstand eine teilweise
Zeilenbebauung, wobei die Bebauung
vornehmlich entlang der Königstraße
errichtet wurde. Die Fluchtlinien der
Königstraße wurden an mehreren
Stellen zurückgelegt, um das
6WUD‰HQSURÀOJHPl‰GHQ,GHHQGHV
Wiederaufbaus abwechslungsreicher
zu gestalten. Die nördliche Fluchtlinie
der Marktstraße wurde verlegt.
So ist die Ostwand der heutigen
Mennonitenkirchstraße heute zum
größten Teil nicht mehr bebaut. Die
Traufhöhen sind in der Königstraße
mit vier bis fünf Geschossen deutlich
höher geworden. An mehreren Stellen

Im Gegensatz zur Hochstraße, an
der sich Kauf- und Warenhäuser
entwickelten, kamen derlei

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb
der Stadtgrundriss im Straßenverlauf
und der Form der Baublöcke ungefähr
gleich, es wurden jedoch auch
Änderungen vorgenommen, die zu
HLQHUPRGLÀ]LHUWHQ6WDGWVWUXNWXU
führten.

fehlt die Dachlandschaft.
Zwischen Königstraße und Lohstraße
verlaufen mehrere Parzellen quer
durch den Baublock, wobei die letztere
Straße sich auf Teilstücken nicht mehr
als eigenständiger Stadtraum, sondern
als Rückseite manifestiert.
Auffällig ist vor allem die Freilegung
der Mennonitenkirche sowohl an
der Königstraße als auch an der
Mennoniten-Kirch-Straße sowie
der Durchbruch zwischen Königsund Lohstraße auf der Höhe der
nördlichen Petersstraße, mit denen
die einst geschlossenen Baublöcke
aufgebrochen wurden.
Darüber hinaus hat eine
Maßstabsvergrößerung stattgefunden,
bei der Parzellen an mehreren
Standorten zusammengefasst wurden.
Die einzelnen Gebäude mit relativ
schmaler Breite, wie sie hier vor dem
Krieg standen, sind somit zu einer
Minderheit geworden.

162

2.3.2

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
ORANISCHE ZEIT
e
straß

Rhein

Hirschgas

se

traße

sens

rhau
Ange

tra
Lohs
ße

König
straß
e

nite

Abb. 2.0_31
Brandwand eines nicht
wiederaufgebauten Hauses im heutigen
Garten der Mennonitenkirche

nno

aße

Neue

er Str
Linn

e

traß
ch-S
n-Kir

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.0_32
Fliesenboden eines nicht wieder
aufgebauten Hauses im heutigen Garten
der Mennonitenkirche

Me

L+M

Abb. 2.0_30
Tor zum Garten der Mennonitenkirche
Zwar durften die Mennoniten in der oranischen
Stadterweiterung von 1692 ihre Kirche bauen,
ihre Sichtbarkeit im Straßenbild der heutigen
Königstraße war jedoch nicht erwünscht.
Dementsprechend wurde die Kirche aus der
6WUD‰HQÁXFKW]XUFNJHOHJW'DV7RUDQGHU
Mennoniten-Kirch-Straße ist das älteste bauliche
Zeugnis dieser Konstellation. Hinter der Mauer
EHÀQGHWVLFKHLQ*DUWHQPLWDOWHQ%lXPHQ+LHU
EHÀQGHWVLFKQRFKHLQH%UDQGZDQGXQGHLQ
Bodenbelag aus dem 17. Jahrhundert anstelle
der konstituierenden Bebauung.

elisch

Evang

e-Kirc

e

h-Straß

konstituierende Fluchtlinien nach
Urkataster 1826 und Katasterplan
1930
Abb. 2.0_35
Die kleinteilige Straßenplasterung in der
Mennoniten-Kirch-Straße schließt an beim
mittelatlerlichen Ursprung der Gasse. Die
Form der Pöller entspricht in etwa dem
19. Jahrhundert. Ihre Anordnung sowie die
Kombination mit Mülleimer und Schaltkästen ist
rein pragmatisch. Ein Gestaltungswille fehlt.

Fluchtlinien fehlend

Parzellierung konstituierend nach
Katasterplan 1930
Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße

Abb. 2.0_36
Der großformatige Plattenbelag in der Lohstraße
ZXUGHDEJHVWLPPWDXIGHQJOlVHUQHQ¶%HKQLVFK
%DX·SD‰WDEHUZHQLJHU]XUNOHLQWHLOLJHQ
Stadtstruktur der oranischen Stadterweiterung.

Marktstraße

Parzellierung konstituierend nach
Urkataster 1826

fehlende Bebauung

Abb. 2.0_34
Ausschnitt Überlagerungskarte 1 oranische Zeit
mit konstituierender Bausubstanz
Im Gebiet der oranischen Stadterweiterung
blieben bauliche Zeugnisse aus der
konstituierenden Zeitschicht erhalten.
Die ursprüngliche rationale Parzellenstruktur
ZXUGHLQGHU.|QLJVWUD‰H¶DXIJHORFNHUW·,QGHU
Lohstraße blieb sie fast vollständig erhalten.

sehr hoher kulturhistorisch architektonischer Wert
hoher kulturhistorisch architektonischer Wert
positiver kulturhistorisch architektonischer Wert

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

163

2.3.2

L+M
S
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
ORANISCHE ZEIT

Abb. 2.0_37
konstituierende Blockstruktur

Abb. 2.0_38
Lohstraße 106

Abb. 2.0_39 und 40
Lohstraße
In der Lohstraße blieb mit dem Haus Lohstraße
106 ein ursprüngliches Zeugnis aus der
oranischen Zeit erhalten.
Auch die historische Parzellenstruktur ist in der
Lohstraße zum Teil noch gut ablesbar.
Mit dem Wiederaufbau wurde die Lohstraße
nicht mehr rekonstruiert und degradierte zur
Rückseite. Der Bau des Behnischhauses entlang
des Verlaufs der Stadtmauer um 1700 stellt nicht
nur einen Kontrast in Maßstab und Architektur
dar, er verschärft auch den Kontrast zwischen
Vorder- und Rückseiten.

Abb. 2.0_41 (links)
Fassade Königstraße 105

Abb. 2.0_42 (links)
Fassade Lohstraße 106

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

164

2.3.2

ABGLEICH 3D
ORANISCHE ZEIT

2.3 ABGLEICH 3D

Abb. 2.0_43
Königstraße
Das heutige Bild der Königstraße ist vom
Wiederaufbau geprägt. Die rechte Seite besitzt
noch die ursprüngliche Parzellierung, die linke
Seite ist mit einer langen Zeile aus den 50er
Jahren bebaut. Der Kontrast ist durch das um
2000 hinzugefügte Glasdach nicht sichtbar.

Abb. 2.0_44
Alte-Linner-Straße
An beiden Seiten ist noch die Parzellierung
aus dem 17. Jahrhundert zu erkennen. Im
Hintergrund ist die Zeilenbebauung aus den 50er
Jahren erkennbar.

L+M
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.0_45
Mennoniten-Kirch-Straße
Die Grenze zwischen dem mittelalterlichen
Stadtkern und der oranischen Stadterweiterung
ist heute nicht mehr klar ablesbar. Sie ist keine
vollwertige Straße mehr, sondern Rückseite
sowohl der Geschäfte an der Hochstraße als
auch an der Königstraße.

Abb. 2.0_46
öffentlicher Raum
6WUD‰HQSURÀOHXQGSÁDVWHUXQJHQLP*HELHW
der oranischen Stadterweiterung sind sehr
unterschiedlich. Der nördliche Teil der
Mennoniten-Kirch-Straße verweist in seiner
Kleinteiligkeit im weitesten Sinne auf die lange
Geschichte des Standortes. Der Baumbestand
der Kirche und die jungen Bäume entlang der
Straße könnten dem Straßenraum Qualität
verleihen, der heute vor allem zum Parken
genutzt wird.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

165

2.3.3

BESCHREIBUNG DES
KONSTITUIERENDEN
RÄUMLICHEN SYSTEMS

XL

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Die vier barocken Stadterweiterungen
südlich und nördlich des
mittelalterlichen Stadtkerns können als
ein kohärenter Stadtentwicklungstyp
betrachtet werden, da sie auf den
selben Grundprinzipien beruhen,
mit kleinen Variationen pro
Phase. Die rationale Linearität der
oranischen Stadterweiterung wurde
in den brandenburgisch-preußischen
Stadterweiterungen fortgesetzt
und nahtlos an die oranische
Stadterweiterung angeschlossen,
als ob sie immer Teil des Ganzen
gewesen wäre.
Wie schon bei der oranischen
Stadterweiterung bestanden die in
kurzer Zeit aufeinander folgenden
barocken Stadterweiterungen aus
einem orthogonalen Stadtgrundriss, in
Längsrichtung mit zweigeschossigen
Reihenhäusern unter einem
gemeinsamen Satteldach bebaut.
Gebäude und Straßen wurden nach
einer strengen, rationalen Logik
angeordnet, wobei der landschaftliche
Untergrund bzw. die landwirtschaftliche
Parzellenstruktur der Felder neu
geordnet und überschrieben wurden.
Das geschlossene Stadtmodell,
seit Jahrhunderten der Kern der
europäischen Stadtplanung,
wurde mit der brandenburgischpreußischen Stadtbaukunst um
eine neue stadtplanerische Variante
bereichert. Sie beruhte auf Klarheit,
Unaufgeregtheit und Regelmäßigkeit,
wobei auch sparsame, subtile
architektonisch - städtebauliche Mittel
zur Variation und Akzentuierung in das
6WDGWELOGHLQJHÁRFKWHQZXUGHQ

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

In diesem als fortschrittlich
zu betrachtenden räumlichen
System waren die verschiedenen
Maßstabsebenen der Gestaltung
gut durchdacht und sorgfältig
aufeinander abgestimmt. Obwohl
die Häuser größtenteils von
individuellen Bauherren errichtet
wurden, wurde wenig dem Zufall
überlassen. Zur Stadtstruktur gehörte
ein architektonisches Bild des
Einzelhauses, das die städtebauliche
Gesamtkomposition eines einheitlichen
Ganzen bekräftigte, ob es nun zwei,
drei oder mehrere Fensterachsen
einnahm. Mit traufständigen
Satteldächern und durchlaufenden
Sockeln und Gesimsen wurden die
Einzelhäuser horizontal zu Baublöcken
verbunden.
Die internationale barock klassizistische Ausrichtung in
Städtebau und Architektur blieb
in Krefeld in der Komposition des
Stadtgrundrisses und der Inszenierung
von Monumentalität bemerkenswert
zurückhaltend. Lediglich am Neumarkt
und in der Friedrichsstraße mit ihren
hervorgehobenen Eckäusern, sowie
in der neu gestalteten Querachse
der Katholischen Kirchstraße (später
Rheinstraße), die auf den Neubau der
barocken Dionysiuskirche zuführte,
gab es monumentale Akzente, denen
später das Stadtschloss hinzugefügt
wurde.
Die Fassaden waren sparsam
und in gewisser Weise sogar
abstrakt, aber sorgfältig und mit
ausgewogenen Proportionen
und handwerklicher Verfeinerung
gestaltet, ganz im Einklang mit den
UDIÀQLHUWHQUlXPOLFKHQ0LWWHOQGLH
auf städtebaulicher Ebene entwickelt
und vorgeschrieben worden waren.
Dies galt für die Häuser der Verleger

und für die einfachen Weber- und
Handwerkhäuser gleichermaßen.
Giebel, Gauben und eine
unaufdringliche Wiederholung leicht
hervorstehender Pilaster vor den
Gebäudetrennwänden brachten einen
optisch verkürzenden Rhythmus in die
langen Straßen.
Die unaufgeregten Fassaden in
dieser Stadtstruktur waren nicht so
sehr eine funktionale Übersetzung
der technischen Bedingungen oder
der zugrunde liegenden Nutzungen,
vielmehr wurden sie ganz offensichtlich
mit dem Ziel eines einheitlichen
Stadtbildes konzipiert als Mittel,
den öffentlichen Raum zu gestalten.
Werkstätten, Kontore, usw. wurden in
den Fassaden nicht architektonisch
zum Ausdruck gebracht. Dies war eine
radikale Entscheidung im Vergleich
zum Mittelalter und selbst dem 16. und
17. Jahrhundert.

sich auch in anderen europäischen
Ländern entwickelte. Möglicherweise
VSLHOWHQKROOlQGLVFKH(LQÁVVH
dabei eine Rolle. Es zeichneten
sich aber auch die Umrisse eines
VSH]LÀVFKEUDQGHQEXUJLVFK
preußischen Städtebaus ab. Mit
der Zurückhaltung und Sparsamkeit
der Fassaden beginnt sich hier
eine klassizistische Architektur zu
HQWZLFNHOQGLHVSH]LÀVFKGHXWVFKE]Z
mitteleuropäisch zu nennen ist.

Die vier barocken Stadterweiterungen
bildeten ein zusammenhängendes,
durch und durch gestaltetes
Stadtbild, das im Stadtgrundriss,
Gebäudevolumen und in
Architektursprache weitgehend
staatlich reglementiert war. All
dies zielte auf Einheit, Ordnung,
Proportion und Rhythmus durch
lange, durchgehende Linien
von Straßen, Traufen und
'lFKHUQ)DVVDGHQSURÀOHQXQG
Fensteröffnungen. Einzelhäuser
und Ensembles aus Reihenhäusern
waren zwar als Grundbaustein der
Stadt ablesbar, blieben aber dem
Gesamtbild untergeordnet.
Die konsequente und staatlich
gesteuerte Geradlinigkeit, Rationalität
und Vereinheitlichung des Stadtbildes
entsprach in jedem Fall dem
barocken, linearen Urbanismus, der
166

2.3.3

ABGLEICH 3D
BAROCK

Der Stadtgrundriss der barocken Akzisestadt ist größtenteils noch deutlich
ablesbar. Die räumliche Kontinuität und Qualität der Barockstadt ist
hingegen durch die Zerstörung von 1943, Wiederaufbau und Neuordnung
in begrenztem Umfang erkennbar.

XL

In den Bereichen, in denen der frühe Wiederaufbauplan in Bezug auf
die Fluchtlinien, Baublöcke, die Anwendung von Satteldächern mit
durchlaufenden Trauf- und Firsthöhen eng mit der historischen Struktur
umgesetzt wurde, besteht eine Kontinuität der Stadtstruktur.

mittelalterlicher
Stadtkern

Wo die Prinzipien des zweiten Wiederaufbauplans von 1959 umgesetzt
wurden, der nach modernistischen Gesichtspunkten neu geordnet wurde,
ist diese Kontinuität weniger offensichtlich und das Stadtgefüge ist in
mehrfacher Hinsicht inkohärent geworden.

oranische
Stadterweiterung

barocke
Planstadt

Abb. 2.0_15
konstituierende Zeitschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

klassizistische
Stadtanlage
167

2.3.3

XL

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

ABGLEICH 2D - 3D
Der Stadtgrundriß der barocken
Akzisestadt blieb bis zum Zweiten
Weltkrieg beständig und konnte die
vielen Transformationen bis dahin
mit Flexibilität aufnehmen. Vor
allem in den schmaleren Straßen
ist die städtebauliche Kontinuität
bemerkenswert. Abgesehen von der
Begradigung einiger Baublöcke durch
den Vagedesplan, dem vergrößerten
öffentlichen Raum nördlich der
Dyonisiuskirche und dem Abriss
einiger Baublöcke, um ein Theater
bauen zu können, gab es keine
großen Eingriffe in den barocken
Stadtgrundriß.

und das einheitliche Architekturbild
langsam aufgelöst wurden.

Die räumliche Kontinuität und Qualität
der Barockstadt geriet im 19. und
frühen 20. Jahrhundert durch die
Liberalisierung der Stadtplanung unter
Druck.

Die größeren städtebaulichen
Veränderungen fanden hauptsächlich
in den besten Lagen entlang der
Hauptachsen statt: der Rheinstraße,
der Friedichstraße und der Hochstraße
südlich vom Neumarkt. Von der
Gründerzeit bis zum Zweiten Weltkrieg
fand genau hier die Bildung eines
kommerziellen Stadtzentrums mit
Einzelhandel statt. Es entstanden neue
Gebäudetypen wie die Markthalle,
das Kaiserpanorama und das
Apollokino an der Friedrichsstraße
und den Kaufhäusern Hirsch, Stern
und Kaufmann, Lion, Dhein, Aretz,
Sinn und Seidel. Dies führte zu einer
deutlichen Maßstabsvergrößerung,
aber auf der anderen Seite auch
zu einer Differenzierung der breiten
Parzellen vor allem in der südlichen
Hochstraße. Hier wurden die
ursprünglich breiten und stattlichen
Hausstellen nach und nach aufgeteilt
und in Geschäfte umgewandelt.

Im Vergleich zur Urkarte von 1826
ist deutlich zu erkennen, dass die
Stadtstruktur, die ursprünglich
hauptsächlich aus Zeilenbebauung in
Nord-Südrichtung mit Nebengebäuden
und Gartenmauern entlang der
Querstraßen bestand, ein Jahrhundert
später auch in den Querstraßen fast
vollständig bebaut war. Die Struktur
der Zeilenbebauung war zu Beginn
des 20. Jahrhunderts fast vollständig in
eine geschlossene Blockrandbebauung
umgewandelt worden, wobei auch die
unregelmäßigere Breite der Parzellen
und Traufhöhen der Bebauung in den
später fertiggestellten Querstraßen
auffällt.
Die Veränderungen im späten
19. und frühen 20. Jahrhundert
bezogen sich hauptsächlich auf
die Fassadenarchitektur, in der die
identischen Trauf- und Firsthöhen, die
durchlaufenden horizontalen Gesimse
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Nach 1871 vollzog sich entlang
der kommerziellen Hauptachsen
HLQH¶9HUJHVFKlIWXQJ·
¶9HUDSSDUWHPHQWLHUXQJ·XQG
Verdichtung der Stadt, hauptsächlich
durch Vergrößerung der Bauvolumen,
sodass die einst regelmäßigen
Trauf- und Firsthöhen durch eine
ungleichmäßige Silhouette ersetzt
wurden. Das so unaufgeregte
Gesamtbild verlor dort aufgrund des
individuellen Hangs zur Dekoration
und Selbstrepräsentation langsam
seinen Zusammenhang.

Die engeren Seitenstraßen waren
von diesen Vergrößerungen oder
Verkleinerungen der Parzellen weniger
betroffen, obwohl auch sie davon
nicht verschont blieben. Vor allem in

den schmaleren Nord-Süd-Straßen
ist die städtebauliche Kontinuität auf
allen Maßstabsebenen bis heute
bemerkenswert.
Die Fluchtlinien hingegen wurden
allesamt eingehalten, und die
Gebäude wurden in den meisten
Fällen weiterhin mit einem Satteldach
abgeschlossen, was selbst im Rahmen
aller Transformationen noch eine
gewisse Kontinuität im Stadtbild
sicherstellte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde das barocke Straßenmuster
weitgehend wiederhergestellt. Dort,
wo mit der restaurativen Haltung
des frühen Wiederaufbaus das
historische Straßenmuster mit
Fluchtlinien, Satteldächern und
gleichmäßigen Traufhöhen als
Grundsatz übernommen wurde,
wie z.B. bei einigen Baublöcken
an der Friedrichstraße oder der
Nordseite der Gartenstraße, blieb die
Kontinuität mit dem Barock erhalten,
auch wenn die Geschossigkeit
und Parzellenbreite geändert bzw.
erhöht und die Architektur abstrahiert
wurde. Wo die Parzellierung in
Einzelhäuser mit der ursprünglichen
Traufhöhe wieder aufgenommen
wurde, wie z.B. im südlichen Teil
der Winkelstraße und Klosterstraße,
ist die Kontinuität zwischen den
preußischen Typenhäusern
und dem standardisierten
Nachkriegswohnungsbau in seiner
Schlichtheit und Rationalität
bemerkenswert.
Wo die Stadtstruktur nach
modernistischen Prinzipien und
dem zweiten Wiederaufbauplan von
1959 aufgelockert wurde, ist diese
Kontinuität weniger offensichtlich.
An mehreren Standorten wurden

historische Baublöcke nach dem
Krieg nicht wieder aufgebaut. In erster
Instanz ging es vor allem um die
Schaffung von Stellplätzen für den
ruhenden Verkehr, wie zum Beispiel
DPKHXWLJHQ¶'U,VLGRU+LUVFKIHOGHU
3ODW]·XQGDP¶:LOO\*|OGHQEDFKV
3ODW]·
In mehreren Straßen wurden die
Fluchtlinien zurückgelegt, um dem
modernen Verkehr Rechnung zu
tragen, wie beispielsweise beim
Durchbruch der zuvor eher schmalen
Sankt Antonstraße, der Gartenstraße,
der westlichen und östlichen
Markstraße sowie der östlichen
Dreikönigenstraße. An manchen
Stellen wurden die Fluchtlinien
aufgelockert, wie zum Beispiel an
der Königsstraße und rund um die
Dionysiuskirche.
Zwischen Nordwall und der
Carl Wilhelmstraße wurde im
östlichen Bereich die historische
Baublockstruktur komplett aufgehoben.
Insbesondere die ehemals zahlreichen
schmalen Baublöcke - wenn sie nicht
für Parkplätze offen gehalten wurden
- wurden mit einer offenen Bauweise
ausgefüllt, also mit einer einzigen
Zeile, auch kombiniert mit zugehörigen
Höfen oder Garagen, beispielsweise
zwischen der Schneiderstraße und
der Lutherische-Kirch-Straße oder der
Königs-, Loh- und Färberstraße. Hier
wurde Zeilenbau errichtet, der sich
aber von seinen barocken Vorgängern
deutlich in Maßstab und in seiner aus
GHU6WUD‰HQÁXFKW]XUFNJHOHJWHQ
Situierung deutlich unterschied.

Anton-Straße und Dreikönigen-/ Ecke
Königstraße, wurden sogenannte
Punkthäuser als städtebauliche
Akzente hinzugefügt.
Abgesehen von den zahlreichen
Versuchen, die geschlossene
Stadtstruktur mit zurückgelegten
Fluchtlinien, offenen Räumen,
Zeilen und Punkthäusern als
städtebaulichen Akzenten aufzulockern
und aufzubrechen, übertraf die
Maßstabsvergrößerung bei der
radikalen Neuordnung seit den
60er Jahren die Entwicklungen der
Kaiser- und Zwischenkriegszeit bei
weitem. Vor allem an der Rheinstraße,
der Sankt-Anton-Straße und der
Friedrichsstraße ist das gut erkennbar.
Selbst in den letzten Jahrzehnten
wurden noch ganze Baublöcke
komplett durch große Einzelgebäude
oder -komplexe ersetzt, und dieser
Trend der Maßstabsvergrößerung setzt
sich bis heute fort.
Auch die Dachlandschaft wurde
beeinträchtigt. Satteldächer wurden
seit den 60er Jahren - selbst an
den Hauptachsen - immer weniger
gebaut. Dies führte zu einer
9HUÁDFKXQJXQG9HUDUPXQJGHU
barocken Stadtstruktur, die wie alle
historischen Stadtstrukturen vor
der Zwischenkriegszeit immer aus
Einzelgebäuden als Grundbaustein
und der separaten städtebaulichen
Schicht der Dachlandschaft bestand.

Der Theaterplatz wurde nach dem
Krieg über den historischen Verlauf
der Lohstraße hinweg angelegt. An
mehreren Stellen, beispielsweise
an der Rheinstraße/ Ecke Sankt168

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Färbe
e

Luth

richst

raße

Fried

raße

rstraß

Lohst

st
König

ße

kstra
Fabri

raße

aß
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Klost

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Spielp

ße

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Garte

r-

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-Straß

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Carl-W

59

ch 19

hbru

Durc

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Von d Pl.
n
Leye

de Flu

en
tituier

Kons

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Sankt

aße
n-Str

Abb. 2.0_47
Neumarkt 2020
straß
Rhein

L+M

e

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

chtline

en
tituier

de Flu

Kons

Durc

chtline

Kons

nstra

Durc

ße

de Flu

ch
hbru

1959

pl.

Park

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e
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Frank-

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Hoch

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straß
König

nige

ö
Dreik

en
tituier

Step

aße
anstr

h

Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße
fehlende Bebauung
sehr hoher kulturhistorisch
architektonischer Wert
hoher kulturhistorisch
architektonischer Wert
positiver kulturhistorisch architektonischer Wert

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

enho

Parzellierung konstituierend
nach Katasterplan 1930

Wied

Parzellierung konstituierend
nach Urkataster 1826

Neut
mark
Göld
Willy- s-Pl.
h
enbac

$EEB REHQ 1HXPDUNW
Der barocke Neumarkt hat ein angenehmes Maß
XQGLVWUlXPOLFKNODUGHÀQLHUW'LH%HEDXXQJ
an der Ost- und Südseite des Platzes weicht in
Maßstäblichkeit und Architektur deutlich von der
konstituierenden Architektur ab. Die Fassaden
VLQGÁDFKXQGGLH6RFNHOJHVFKRVVHKDEHQ]XP
Platz hin kaum Eingänge. An der südwestlichen
Ecke sind einige Parzellen nur eingeschossig
bebaut. Hier ist die barocke Parzellierung noch
erhalten.

konstituierende Fluchtlinien
nach Urkataster 1826 und
Katasterplan 1930
Fluchtlinien fehlend

ch 19

raße
Lohst

raße
Marktst

59

hbru

Abb. 2.0_48
Ausschnitt Überlagerungskarte 1 barocke Akzisestadt
mit konstituierender Bausubstanz
Im Gebiet der barocken Stadterweiterungen
blieben bauliche Zeugnisse aus der
konstituierenden Zeitschicht erhalten.
Neumarkt, südliche Hochstraße und die
monumentale Friedrichstraße blieben in ihrer
Räumlichkeit und Parzellenstruktur größtenteils
erhalten. Quer- und Parallelstraßen wurden
verbreitert und Baublöcke nach dem Krieg nicht
wieder aufgebaut.

169

2.3.3

L+M
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_54, 55 und 56 (obere Reihe)
¶'U,VLGRU+LUVFKIHOGHU3ODW]·
'LH)UHLÁlFKH]ZLVFKHQGHU.|QLJVWUD‰HXQGGHU
Lohstraße wurde nach der Kriegszerstörung als
Park- und Spielplatz offen gelassen. Entlang der
Dreikönigenstraße war ein Pavillon mit Café und
Toiletten geplant.
+HXWHZLUGGLH)UHLÁlFKHDOV3DUNSODW]JHQXW]W
Sie ist mehr als vier mal so groß wie der
Neumarkt. Die angrenzende Bebauung hat
NHLQHQ%H]XJ]XU)UHLÁlFKH
Abb. 2.0_49, 50 und 51 (untere Reihe)
¶$QQH)UDQN3ODW]·
'LH)UHLÁlFKHDQGHU0KOHQVWUD‰HHQWVWDQG
durch Abriss einer denkmalgeschützten
+RFKJDUDJHGLHLQGHUKLVWRULVFKHQ%DXÁXFKW
VWDQG'LH)UHLÁlFKHLVWHWZDGRSSHOWVR
groß wie der Neumarkt und hat keine
NODUGHÀQLHUWHQ5DXPNDQWHQ6LHZLUGDOV
Spielplatz genuzt. Entlang der Mühlenstraße
steht eine provisorische Überdachung für
Außengastronomie, die zur Straße orientiert ist.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_52 und 53 (Mitte)
öffentlicher Raum
6WUD‰HQSURÀOHXQGSÁDVWHUXQJHQLP*HELHWGHU
südlichen barocken Stadterweiterung sind sehr
unterschiedlich. Abgesehen von der kleinteilig
JHSÁDVWHUWHQ0KOHQVWUD‰HÀQGHWVLFKYRU
DOOHP$VSKDOWQLHGULJZHUWLJH%HWRQSÁDVWHU
XQGÁLHVHQXQGYHUHLQ]HOWGLHGLDJRQDOHQ
Granitplatten aus der Gründerzeit.

Abb. 2.0_57(rechts)
¶:LOO\*|OGHQEDFKV3ODW]·
'LH)UHLÁlFKH]ZLVFKHQGHU:LHGHQKRIVWUD‰H
und der Scheutenstraße wurde nach der
Kriegszerstörung als Parkplatz offen gelassen.
Heute wird sie zum Teil als Parkplatz genutzt
und zum Teil ist sie als öffentliche Grünanlage
gestaltet. Wie auch bei den vorgenannten
Plätzen geht die Bebauung der Platzränder
NHLQHGLUHNWH%H]LHKXQJ]XU3ODW]ÁlFKHHLQ

170

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

S

Abb. 2.0_58
konstituierende Blockstruktur

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

Abb. 2.0_59
barocke Typenhäuser in der südlichen
Hochstraße um 1900

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_60 und 61
südliche Hochstraße
Die Parzellenstruktur des barocken Teils
der Hochstraße ist fast vollständig erhalten
geblieben. Die Architektur der heutigen
Bebauung weicht in ihrer Fassadengliederung
und Materialisierung von der ursprünglichen
Bebauung ab. Die Schaufenster und
Außenwerbung sind wie im mittelalterlichen Teil
der Hochstraße verselbständigt von den darüber
liegenden Hausfassaden.

171

2.3.3

ABGLEICH 3D
BAROCK

2.3 ABGLEICH 3D

Abb. 2.0_62, 63, 64 und 65
Friedrichstraße
%LVDXIGDV)ORK·VFKH+DXVZXUGHQZHGHU
die charakteristischen und repräsentativen
Eckhäuser noch die dazwischen liegenden
Typenhäuser der konstituierenden Bebauung
nach der Kriegszerstörung wieder aufgebaut.
Die Bebauung der 50er Jahre orientiert sich
jedoch eindeutig und auf zumeist gelungene
Weise an der ursprünglichen Räumlichkeit der
barocken Stadtanlage. Hier werden Traufhöhen,
Sockelgeschosse und Fassadengliederung der
konstituierenden Architektur neu interpretiert.
Die Bebauung der späten 60er, 70er und 80er
Jahre weicht zum Teil deutlich von der barocken
Stadtstruktur ab.
Der Straßenraum besitzt immer noch die
harmonischen Proportionen des Barock, wird
heute aber nicht als Aufenthaltsraum, sondern
YRUDOOHPIUGHQÁLH‰HQGHQXQGUXKHQGHQ
Verkehr genutzt. Die Bürgersteige sind sehr
schmal.
Wie auch im südlichen Teil der barocken
6WDGWHUZHLWHUXQJHQLVWGLH3ÁDVWHUXQJQLFKW
einheitlich. Sie besteht vor allem aus Asphalt,
%HWRQVWHLQHQXQGÁLHVHQXQG6WUHLIHQGHV
diagonalen Gründerzeitplasters.
'LHVSRUDGLVFKHLQVHLWLJJHSÁDQ]WHQ%lXPH
konterkarieren die symmetrische Anlage der
einstigen Hauptachse der Stadt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

172

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_66
Apollo Kino, Friedrichstraße

L+M
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.0_67
Friedrichstraße
Auch im südlichen Teil der Friedrichstraße blieb
die barocke Parzellenstruktur - bis auf das
heutige Kaufhaus C&A - großenteils erhalten.
Die Architektur der noch erhaltenen Bebauung,
vor allem des Apollokinos, wurde schwer
beeinträchtigt.

Abb. 2.0_68
Friedrichstraße um 1900

Die charakteristischen barocken Eckhäuser der
Friedrichstraße an der Ecke zur Rheinstraße,
die eine Torsituation bildeten, waren schon in
der Kaiserzeit durch repräsentative Bauten des
Einzelhandels ersetzt worden.
Das charakteristische barocke Eckhaus an der
Sankt-Anton-Straße wurde wegen des Baus der
Straßenbahn durch einen abgerundeten Bau
ersetzt. Heute steht hier das Ziellenbachhaus.
Der im 18. Jahrhundert großzügig angelegte
Straßenraum wirkt heute beengt. Der große
Maßstab von C&A, aber auch die höhere
Geschossigkeit der Gründerzeitbebauung an der
Westseite verschattet den als Fußgängerzone
JHSÁDVWHUWHQ5DXP'DV6WUD‰HQSÁDVWHUJOHLFKW
in seiner Gestaltung dem mittelalterlichen
Teil der Hochstraße. Die Bäume stehen hier
symmetrisch und betonen die barocke Achse.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

173

2.3.3

Abb. 2.0_69 (links unten)
Blick in die Rheinstraße in Richtung der noch
barocken Dionysiuskirche, um 1900
Die barocken Eckhäuser als Tor zur
monumentalen Friedrichstraße sind am rechten
Bildrand noch klar zu erkennen.

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_71 (unten)
Blick in die Rheinstraße um 1920.
Die barocken Eckhäuser zur Friedrichstraße
wurden in der Kaiser- und Zwischenkriegszeit
durch repräsentative Bauten des Einzelhandels
ersetzt. Es entstand eine neue Torsituation, jetzt
aber in Bezug auf die Rheinstraße, die auf den
neuen Turm der Dionysiuskirche ausgerichtet ist.
Damit wurde auch architektonisch der Schwenk
von der Nord-Südachse auf die neue OstWestachse vollzogen.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_70
Blick in die heutige Rheinstraße. Die beiden
charakteristischen Kaufhäuser aus der
Zwischenkriegszeit blieben erhalten. Ihre
Architektur wurde stark beeinträchtigt.
Die asymmetrische Platzierung der Bäume
konterkariert die symmetrische barocke Anlage
der Straße.

Abb. 2.0_73 (oben)
Blick in die Rheinstraße von der Ecke
Königstraße aus. Die historischen Fluchtlinien
blieben erhalten. Auf der linken Seite ist auch
die Parzellierung noch ablesbar, an der rechten
Seite ging sie verloren. Die Traufhöhe und
Fassadengliederung paßt nicht in den barocken
Kontext. Die asymmetrische Platzierung der
Bäume konterkariert die symmetrische barocke
Anlage der Straße.

Abb. 2.0_72 (unten)
Von-der-Leyen-Platz
Der Platz vor dem Rathaus entstand aus einer
Kriegsbrache vor dem Rathaus, die bei der
Neuordnung der Innenstadt freigelassen wurde,
]XQlFKVWDOV$EVWHOOÁlFKHIUGHQUXKHQGHQ
Verkehr, später als Rathausvorplatz.

174

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_76
& $6DQNW$QWRQ6WUD‰H(FNH
Friedrichstraße
Nattler Architekten, Essen
Der Bau bricht in Maßstab und
Fassadengliederung deutlich mit den Prinzipien
der konstituierenden Architektur der Innenstadt.
'DV6WUD‰HQSURÀOGHU6DQNW$QWRQ6WUD‰HLVW
für den Durchgangsverkehr bemessen und wird
durch langsame Verkehrsteilnehmer praktisch
nicht genutzt.
Bis auf Ost- und Westwall gibt es nur drei
Fußgängerüberwege, obwohl es sechs Straßen
in Nord-Südrichtung gibt. Damit schneidet die
Sankt-Anton-Straße die nördliche Innenstadt

Abb. 2.0_74
GDV¶)RUXP·6DQNW$QWRQ6WUD‰H(FNH
Friedrichstraße
msm meyer schmitz-morkramer gmbh, Köln Die
gegliederte Fassade des Neubaus erinnert im
weitesten Sinne an den ehemaligen Kaufhof. Der
Bau liegt jedoch weder in der konstituierenden
Fluchtlinie noch in der verschobenen Fluchtlinie
von 1949.

Abb. 2.0_77
9RONVEDQN6DQNW$QWRQ6WUD‰H(FNH
Breite Straße
Gerber Architekten, Dortmund
Die heutigen Großbauten entlang der SanktAnton-Straße sind zumeist jüngeren Datums
und von sehr unterschiedlicher architektonischer
Qualität. Ihnen allen ist die hohe Traufhöhe
und Flachdächer gemein, sowie eine gewisse
Abstraktion und Flachheit in der Detaillierung.

Abb. 2.0_78
Beim Wiederaufbau wurde die Sankt-AntonStraße für den Durchgangsverkehr verbreitert.
+HXWHVWHKWDXIGHU(FNHHLQDXVGHU%DXÁXFKW
JHVFKREHQHV¶3XQNWKDXV·DOVIUHLSODVWLVFKHU
städtebaulicher Akzent. Es beeinträchtigt die
Kohärenz der barocken Stadtanlage schwer.

L+M
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.4_75
Wiederaufbauplanung für die
Sankt-Anton-Straße
Der Verkehrsdurchbruch der Sankt-AntonStraße ging einher mit einer neuen Bebauung
in Form freiplastisch platzierter Großbauten.
'LHXUVSUQJOLFKH%HEDXXQJGHU¶$FKVHGHU
0RGHUQH·EOLHELP%HUHLFKGHUEDURFNHQ
Akzisestadt bis auf das Punkthaus Ecke
Friedrichsstraße und das Ziellenbachhaus nicht
erhalten.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

175

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_79a und 79b (links)
Gartenstraße
'LHQ|UGOLFKH%DXÁXFKWXQG3DU]HOOHQVWUXNWXU
EOLHEHUKDOWHQGLHVGOLFKH%DXÁXFKWZXUGH
verschoben.
Die Architektur der ersten Nachkriegsmoderne
an der Nordseite greift die städtebauliche
Anordnung der konstituierenden Bebauung auf,
übernimmt aber nicht immer die historische
Einteilung in Einzelparzellen. Die Länge des
Baublocks wird stattdessen mit abstrahierten
Zwerchgiebeln und Balkonen aufgelockert.

Abb. 2.0_80a, b und c (mittlere Reihe)
Schneiderstraße und
Lutherische-Kirch-Straße
'LHKLVWRULVFKHQ%DXÁXFKWHQXQGGHUUlXPOLFKH
Aufbau der barocken Wohnstraßen blieben
intakt. Der Anteil zweigeschossiger Einzelhäuser
unter einem Satteldach mit durchlaufender
7UDXÁLQLHLVWUHODWLYKRFKXQGELOGHWGLH
charakteristische Räumlichkeit der barocken
Akzisestadt ab.

Abb. 2.0_81a und b (rechts)
Lutherische-Kirch-Straße
Im südlichen Abschnitt der Winkel- und
Klosterstraße interpretiert ein Ensemble
der ersten Nachkriegsmoderne sowohl
GLHKLVWRULVFKHQ%DXÁXFKWHQXQGGLH
Höhenentwicklung der Satteldächer und
Traufhöhen, als auch die historische
Parzellierung neu.
Abb. 2.0_82 (links unten)
Lutherische-Kirch-Straße, 1752

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

176

2.3.3

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_83 (links)
Lutherische-Kirch-Straße
'LHZHVWOLFKH%DXÁXFKWEOLHEVDPWLKUHU
kleinteiligen Parzellierung erhalten. Auch die
typische zweigeschossige Bebauung bildet die
ursprüngliche Räumlichkeit der Barockstadt
ab. An der Ostseite wurde der geschlossene
Baublock mit Garagenhöfen aufgebrochen und
ging die charakteristische Raumkante verloren.

L+M

Abb. 2.0_84 (rechts)
Der sechsgeschossige Zeilenbau an der
Königstraße ist ins Blockinnere verschoben.
'LHJHVFKORVVHQH6WUD‰HQÁXFKWZLUGKLHU
YRQHLQHU5DVHQÁlFKHPLWVXEXUEDQHU
Anmutung unterbrochen. Die ursprüngliche
Geschlossenheit des Baublocks sowie die
historische Parzellierung gingen verloren.

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

Abb. 2.0_85
Der heutige Spielplatz an der Gartenstraße liegt
an der Stelle eines barocken Häuserblocks.

Abb. 2.0_86
An der Rückseite der heutigen Mediothek an
GHU*DUWHQVWUD‰HZXUGHGLH%DXÁXFKWVFKRQLQ
der ersten Wiederaurbauplanung von 1949 in
die Achse der Hauptpost verschoben. Auf der
ursprünglichen Straße ist heute ein Parkplatz.
Mit dem Bau der Mediothek gingen auch die
ursprünglichen Fluchtlinien der Königstraße und
der Lohstraße verloren.
Auch die ursprüngliche Parzellierung wurde
nicht wiederhergestellt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

177

2.3.3

S

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
BAROCK

Abb. 2.0_87 (links oben)
Klosterstraße
Hinterhaus des ehemaligen Privathauses
der Marianne Rhodius Friedrichstr. 18 mit
Toreinfahrt an der Klosterstraße

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_65
Friedrichstraße 27, Haus Floh
Im nördlichen Teil der barocken Akzisestadt
blieb mit dem Flohschen Haus ein Eckhaus
der prachtvollen Anlage der Friedrichstraße
aus dem 18. Jhdt. erhalten. Der opulente
Fassadenschmuck ist späteren Datums.

Abb. 2.0_88
barocke Hinterhäuser der Bebauung an der
+RFKVWUD‰HJHVHKHQYRP¶$QQH)UDQN3ODW]·

Abb. 2.0_89
Wohnhaus der ersten barocken Stadterweiterung
an der Wiedenhofstraße 5

Abb. 2.0_90
Wohnhaus der ersten barocken Stadterweiterung
an der Stephanstraße 65
Abb. 2.0_91-96
Details der heutigen Pflasterung
Die Vielfalt der verwendeten Materialien ergibt
einen unzusammenhängenden Flickenteppich.
Die Materialien sind eher niedrigwertig.
Im besten Fall wird mit diagonal verlegten
Granitplatten die Gründerzeit zitiert. Kaum einer
der Beläge passt zur barocken Stadtstruktur.

178

2.3.4

XL

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

BESCHREIBUNG DES
KONSTITUIERENDEN
RÄUMLICHEN SYSTEMS
Die Stadterweiterung von Vagedes
und ihre Ergänzung durch
Umpfenbach rahmten die barocken
Stadterweiterungen des 18.
Jahrhunderts ein und veränderten
die bis dahin unregelmäßige
Hauptform der Stadt zu einem
perfekten Rechteck, das nach
französischem Vorbild scharf
abgegrenzt wurde mit Baumalleen.
Die Erweiterung kann, wie die
preußischen Stadterweiterungen, als
eigenständiges, zusammenhängendes
städtebauliches System betrachtet
werden, auch wenn die endgültige
Umsetzung länger dauerte.
Mit dieser Erweiterung wurde die
bereits Ende des 17. Jahrhunderts
begonnene, aber vor allem im 18.
Jahrhundert vollständig zur Ausreifung
gekommene Stadtstruktur fortgesetzt
und beständigt. Sie basiert auf einem
Straßenraster und Fluchtlinien,
Traufhöhen und Satteldächern in
strenger Linearität. Doch obwohl das
Straßenmuster, die Straßenbreiten und
Fluchtlinien nahtlos mit den Straßen
der barocken Stadterweiterungen
verbunden sind, kann die neue Phase
nicht einfach als Fortsetzung der
Barockstadt des 18. Jahrhunderts
angesehen werden. Sie war vielmehr
eine neue Variation des bestehenden
Themas der barock-klassizistischen
Rasterstadt. Dies war auf die völlig
neuen politischen und sozialen
Bedingungen zurückzuführen, unter
denen sie zustande kam.
Wie bei den vier früheren
Stadterweiterungen aus dem 18.
Jahrhundert bestand der Großteil
des Gebäudebestands aus Häusern,
in denen auch Waren produziert

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

wurden, hauptsächlich für die
heimische Seidenindustrie. Vagedes
schuf ein zusammenhängendes
Stadtbild, in dem die verschiedenen
Gestaltungsmaßstäbe eng miteinander
verbunden waren, jedoch weniger
starr als die Vorgänger des 18.
Jahrhunderts. Das Stadtbild von
Vagedes konzentrierte sich so weit
wie möglich auf Einheit und auf
visuelle Ruhe, Ordnung und Rhythmus
durch lange, durchgehende Linien
von Straßen, Dächern, Trauf- und
Gurtgesimsen und Fensterhöhen.
Im Gegensatz zu den barocken
Stadterweiterungen gibt es keine
direkten Anweisungen dafür, dass
die Gestaltung hier - abgesehen von
den Fluchtlinien und Traufhöhen und
der Einrichtung und Materialisierung
der Straßen selbst - reglementiert
wurde. Eine Steuerung der
Fassadenkomposition, Gurtgesimse
und Fensterpositionen oder die
Verwendung von Material und Farbe
scheint weder in der Vagedes- noch
in der Umpfenbach-Zeit praktiziert
worden zu sein. Es ist bekannt, dass in
der Umpfenbach-Zeit die Traufhöhen
reguliert wurden, auch wenn die
5HJHOQÁH[LEHOZDUHQ$XVGHU=HLWYRQ
Vagedes ist solch eine Kontrolle nicht
bekannt.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass
sich schon bei der Erstbebauung
traufständige zweigeschossige
mit dreigeschossigen Häusern
abwechselten, vergleichbar mit den
Gebäudevolumen der Carlstadt in
Düsseldorf - ebenfalls von Vagedes
geplant. Wenn diese Aspekte
tatsächlich weniger reguliert wurden,
dann hängt dies wahrscheinlich mit der
neuen Ära zusammen, in der dieser
Plan zustande kam.

Nach der französischen Besatzung
waren die Möglichkeiten beschränkt,
ohne Rücksicht auf private Interessen
und lokale Behörden Pläne von oben
im Detail durchzusetzen. Aus diesem
Grund weicht der Vagedesplan in noch
einem wesentlichen Aspekt von seinen
Vorgängern aus dem 18. Jahrhundert
ab: die der Stadterweiterung zugrunde
liegende Landschaft und bereits
vorhandene Gebäude wurden nicht
vollständig ausgelöscht und mit einer
völlig neuen Struktur überschrieben.
Nur an wenigen Stellen zeigt sich
dies auch im öffentlichen Raum,
beispielsweise in der schräg
verlaufenden Lindenstraße und
einigen bemerkenswert schmalen
Baublöcken entlang der früheren
Stadtmauer, wo die alten Straßen
außerhalb der Stadtmauer und
die dort entstandenen Gebäude
in das Stadtmuster einbezogen
werden mussten (z.B. Petersstraße,
Mittelstraße). Ansonsten ist nur an
den informellen Blockinnenbereichen
anhand der Grundstücksgrenzen
zu sehen, wo die vorstädtischen,
ehemaligen landwirtschaftlichen
Grundstücksgrenzen verliefen. Nur das
für die Straßen bestimmte Land wurde
erworben bzw. enteignet, nicht aber
die Baugrundstücke.
Auch die Bebauung in der
Stadterweiterung von Vagedes
und Umpfenbach scheint - obwohl
aus der Literatur nicht belegt
- weniger rigide reglementiert
gewesen zu sein als in der BarockZeit. Zeilenbebauung ist auf den
Plankarten aus der Entstehungszeit
nicht ablesbar. Vielmehr entstand
hier eine Stadtstruktur mit allseitig
geschlossenen Baublöcken.

Auch in der Stadterweiterung von
Vagedes wurde zwischen den
repräsentativeren Hauptstraßen und
den einfacheren und schmaleren
Nebenstraßen unterschieden. Das
Ergebnis war jedoch weniger formal
als bei den Erweiterungen aus dem
18. Jahrhundert. Die Entstehung der
Bebauung verlief langsam und war
viel stärker von privaten Initiativen
abhängig.
Die Stadtstruktur enthielt drei formale
Besonderheiten: die in einem
Rechteck angelegten Baumalleen
als Promenade um die Stadt, den
Friedrichsplatz als monumentale
Vollendung der Anlage am vormaligen
barocken Stadttor und in geringerem
Maße der Dionysiusplatz, mit dem der
katholische Friedhof überplant wurde.
Der Vagedesplan vervollständigte
damit den barocken Stadtgrundriss
und schuf gleichzeitig auf eine
in Deutschland neuartige Weise
die strenge und sehr elegante
städtebauliche Anlage der Wälle, mit
der die Stadt räumlich eingerahmt
wurde.

Die Stadterweiterung von Vagedes
war nicht nur in sich selbst schlüssig
und zusammenhängend, sondern
schloss sich nahtlos an die
Barockstadt an. Die städtebaulichen
und architektonischen Grundprinzipien
der barocken und der klassizistischen
Stadtanlage waren durchaus ähnlich.
Die Straßen und Fluchtlinien der
Stadterweiterung von Vagedes und
die der barocken Stadterweiterungen
waren nahtlos miteinander verbunden.
Der Vagedesplan vollendete die
Barockstadt mit dem klaren Rahmen
der Vier Wälle.

Der Vagedesplan hat die
Stadtentwicklung Krefelds ab dem
späten 17. Jahrhundert zeitlich
und räumlich vollendet. Eine neue
Erweiterung der Stadt war danach
zwar immer noch möglich, aber nicht
mehr unmittelbar im Anschluss an die
vorindustrielle Stadt, sondern unter
Berücksichtigung der Anlage der Vier
Wälle als monumentaler Übergang.
Umpfenbach hatte das begriffen. Beim
Sprung über die Wälle integrierte
er nicht nur die baumreichen
Promenaden, sondern verbreiterte sie
noch. Mit einer repräsentativen, etwas
höheren Bebauung entlang der Wälle
wurde die Stadtgrenze umgewandelt in
Boulevards von großstädtischer Allüre.
179

2.3.4

XL

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

Die Kontinuität des klassizistischen Gefüges ist in Bezug auf
den Stadtgrundriss noch weitgehend vorhanden. Durch radikale
Veränderungen während des Wiederaufbaus ist der Stadtgrundriss vor
allem im östlichen und nordöstlichen Teil der Stadt beeinträchtigt und zum
Teil nicht mehr lesbar. Straßen und Fluchtlinien wurden hier aufgehoben
und der Maßstab der Bebauung deutlich vergrößert. Der südliche und
westliche Teil der Innenstadt blieb sowohl im Grundriss als auch in seiner
Räumlichkeit erhalten.
Die monumentale Anlage der Vier Wälle und des Friedrichsplatzes ist
mit Ausnahme von Teilen des Ostwalls noch relativ gut erkennbar. Die
Gestaltung als öffentlicher Raum zum Flanieren wurde unter anderem
durch die Ausdünnung der Baumreihen und der Zweckentfremdung des
Mittelstreifens stark beeinträchtigt.

mittelalterlicher
Stadtkern

oranische
Stadterweiterung

barocke
Planstadt

Abb. 2.0_15
konstituierende Zeitschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

klassizistische
Stadtanlage
180

2.3.4

XL

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

ABGLEICH 2D - 3D
Der Grundriss der Stadterweiterungen
von Vagedes und Umpfenbach blieb
bis zum Zweiten Weltkrieg stabil und
überstand die Transformationen des
19. und frühen 20. Jahrhunderts bis
auf wenige Ausnahmen unbeschädigt.
Die Veränderungen, die die
Stadtstruktur in dieser Zeit erlebte,
sind insofern eher als Fertigstellung zu
verstehen, denn nun wurden auch die
um 1850 noch unbebauten Parzellen
bebaut.
Auf einer Katasterkarte aus dem
frühen 20. Jahrhundert ist die
Stadtstruktur bis auf wenige Stellen
vollständig geschlossen. Es gibt
vereinzelt noch einseitig bebaute
Baublöcke, aber hauptsächlich zweioder vierseitig bebaute Baublöcke.
Es gibt Unterschiede in der Breite der
Parzellen, aber diese sind viel weniger
offensichtlich als in der ursprünglichen
Situation der Barockstraßen.
Die größeren städtebaulichen
Veränderungen spielten sich vor
allem in den Hauptachsen der Stadt
ab: Rheinstraße, Friedrichsstraße
und Hochstraße, auch südlich vom
Neumarkt. Von der Gründerzeit bis
zum Zweiten Weltkrieg entstand
vor allem im mittelalterlichen
Stadtkern und einem Teil der
Barockstadt ein Einzelhandelsund Dienstleistungszentrum.
Dies führte zu einer deutlichen
Maßstabsvergrößerung durch den
Bau von Kaufhäusern, zum Teil auf
zusammengelegten Parzellen. Die
klassizistische Stadterweiterung
innerhalb der Wälle wurde weniger
stark beeinträchtigt durch diese
Entwicklungen.
Die Bebauung entlang der Vier Wälle
war ursprünglich eine Etage höher als

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

die Bebauung dazwischen. Bis zum
Zweiten Weltkrieg blieb sie von einer
Maßstabsvergrösserung weitgehend
verschont. Trotzdem wandelte sich die
Anlage von Vagedes und Umpfenbach
an den Vier Wällen am meisten.
Umpfenbach hatte die Vier Wälle als
großstädtische Boulevards mit dreiund am Ostwall selbst mit vierfachen
Baumreihen angelegt. Aber schon ab
den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
wurde diese französisch anmutende,
strenge Anlage zum Teil gärtnerisch
umgestaltet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts
wurden nicht nur am Ostwall
Straßenbahnschienen angelegt
und Haltestellen gebaut, die die
Anlage unterbrachen. Auch der
Westwall war schon vor dem Krieg
unterbrochen worden, aufgrund
neuer Gestaltungsideen und der
Unterbringung des Wochenmarktes.
Bei der Bombardierung von 1943
war der südwestliche Teil der
Innenstadt am wenigsten betroffen.
Hier gibt es noch viele Gebäude
aus dem 19. Jahrhundert, weshalb
die klassizistische Stadterweiterung
sowohl im Grundriss als auch in
räumlicher Hinsicht erhalten blieb.
Dort, wo die Bebauung zerstört
wurde, wurde das klassizistische
Straßenmuster weitgehend wieder
übernommen. Wo im Geiste des
frühen Wiederaufbaus das historische
Straßenmuster, die Traufhöhen, die
Parzellierung in einzelnen Häusern,
die Fluchtlinien und die Satteldächer
als Grundsätze übernommen
wurden, wie an den Vier Wällen, in
Teilen der Breite Straße oder der
Schneiderstraße, ist die Kontinuität
mit dem klassizistischen Städtebau
am größten, obwohl die ursprüngliche

Traufhöhe um ein Geschoss erhöht
XQGGLH$UFKLWHNWXUKlXÀJDEVWUDKLHUW
wurde. Diese Kontinuität ist auch bei
einer Vergrößerung des Maßstabs
sichtbar, wenn die vorgenannten
Merkmale berücksichtigt wurden. Dies
ist sehr auffällig am Friedrichsplatz,
der aufgrund der Instandhaltung
der historischen Fluchtlinien, der
geschlossenen Blockrandbebauung
und der Verwendung von
Satteldächern immer noch als
monumentaler Raum erkennbar ist.
Wo der nach modernistischen Ideen
der gegliederten und aufgelockerten
Stadt angepasste Wiederaufbauplan
von 1959 umgesetzt wurde, ist diese
Kontinuität weniger offensichtlich
und das Stadtgefüge ist inkohärent
geworden. Jetzt wurde danag gestrebt,
das geschlossene Stadtgefüge
aufzulockern und mit zurückgelegten
)OXFKWOLQLHQQHXHQ)UHLÁlFKHQXQG
modernistischen Gebäudetypologien
aufzubrechen,
Wie auch im barocken Teil der
Stadt wurden an mehreren Stellen
historische Baublöcke nach dem
Krieg nicht mehr aufgebaut, um im
Stadtzentrum Raum für den ruhenden
Verkehr zu schaffen. So geschah
HVDP¶0D[3HWHUPDQQ3ODW]·
GHP¶'U,VLGRU+LUVFKIHOGHU3ODW]·
dem Von-der-Leyen-Platz und dem
nördlich davon gelegenen Spielplatz.
Dies betraf insbesondere die
schmaleren Baublöcke, die in Krefeld
HLQHVSH]LÀVFKHPRUSKRORJLVFKH
Geschichte haben.
In einigen Straßen, aber weniger
als in der Barockstadt, wurden die
Fluchtlinien konsequent auf einer
Seite zurückgelegt, um Raum
für den Autoverkehr zu schaffen,
beispielsweise in der zuvor engen

Sankt-Anton-Straße und im
östlichen Teil der Marktstraße und
der Dreikönigenstraße oder bei der
Haltestelle am Ostwall.
Durch die Verschmelzung von
Baublöcken, insbesondere
zwischen Nordstraße und Nordwall,
rundum das Polizeipräsidium,
sind mehrere Straßen vollständig
verschwunden. Dieser Teil des
historischen Stadtzentrums hat
heute ein modernistisches, offenes
städtebauliches Muster und der
historische Stadtgrundriss ist hier nicht
mehr lesbar.
Der Ostwall hat sich aufgrund der
Einrichtungen für den Verkehr
zwischen Carl-Wilhelm- und Neue
Linnerstraße bereits erheblich
verändert. Hier wurde Infrastruktur
geschaffen, die nichts mehr mit der
historischen Anlage als Boulevard zu
tun hat. Auch zwischen der Haltestelle
am Ostwall und der Lohstraße hat eine
VLJQLÀNDQWH0D‰VWDEVYHUJU|‰HUXQJ
stattgefunden. Dies ist weniger am
westlichen und südlichen Stadtrand
der Fall.

nicht mehr als kontinuierlicher
Stadtraum erkennbar. Die
städtebaulich - räumliche Grundlage
des Schwanenmarktkomplexes, für
den mehrere historische Baublocks
überbaut wurden, stellt in ihrer
Geschlossenheit zum öffentlichen
Raum und in ihrer Massivität einen
Bruch mit der kleinteiligen, historischen
Stadtstruktur von Vagedes dar.
Derartige Maßstabsvergrößerungen
werden an anderen Standorten der
Innenstadt bis heute praktiziert, u.a.
mit dem Bau des Behnischhauses um
das Jahr 2000.
Satteldächer werden bei
Neuentwicklungen immer weniger
verwendet. Dies stellt eine
Beeinträchtigung der städtebaulichen
barock-klassizistischen
Stadtstruktur dar, die - wie alle
historischen Stadtstrukturen vor der
Zwischenkriegszeit - immer aus der
charakteristischen Unterscheidung
]ZLVFKHQGHU¶%DVLV·GHU*HElXGH
und der separaten Schicht der
Dachlandschaft bestand.

Die Maßstabsvergrößerung der
Bebauung ab den 60er Jahren übertraf
alle Entwicklungen der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit. Wenngleich dies
im barocken und mittelalterlichen Teil
der Stadt drastischere Folgen hatte,
wurde auch der Plan von VagedesUmpfenbach dadurch stellenweise
stark beeinträchtigt.
Der Schwanenmarktkomplex, der an
die Breite Straße grenzt, ist ein Vorbild
für solch eine Beeinträchtigung.
Die Breite Straße, bis dahin eine
durchgängig und zusammenhängend
bebaute Straße, ist aufgrund der
deutlich abweichenden Fluchtlinien
181

2.3.4

2.3 ABGLEICH 3D

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

e

straß

Nord

traße

eiders

Schn

traße

dess

Vage

platz
richs

Fried
wall

Nord

-Stra

ilhelm

ße

Carl-W

59
tline
ch 19
hbru
Fluch
Durc
ende
tituier
Kons

ße

a
n-Str

t-Anto

Sank

ll

a
Ostw

Abb. 2.0_97
Friedrichsplatz und Nordwall

e

straß
Rhein

West
wall

L+M

yDion
l.
siusp

Neue

ße
enstra

aße

er Str

Linn

Lenss

STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

59
ne
ch 19 Fluchtli
hbru
Durc tituierende
tline
Kons
Fluch
ende
59
tituier
Kons hbruch 19
Durc

tstra

Mark

ße

aße

sstr
Evert

chtline

Flu
ende
tituier
59
Kons
ch 19
hbru
Durc

konstituierende Fluchtlinien nach
Urkataster 1826 und Katasterplan
1930

ß
rsstra
Pete

Fluchtlinien fehlend

tline
Fluch 59
ende
ch 19
tituier
hbru
Durc

Kons

e

Parzellierung konstituierend nach
Urkataster 1826

h
Step

Breit
aße

e Str

Parzellierung konstituierend nach
Katasterplan 1930

ße
nstra

nige

ö
Dreik

pl.

Karls

ße

lstra
Mitte

anstr

aße

eterMax-P l.
n-P
man

Parzellierung fehlend
aufgehobene Straße
Lindenstraße

fehlende Bebauung
Abb. 2.0_98
Ausschnitt Überlagerungskarte 1 Klassizismus
mit konstituierender Bausubstanz
Im Gebiet der klassizistischen
Stadterweiterungen blieben viele bauliche
Zeugnisse aus der konstituierenden Zeitschicht
erhalten.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

all

Südw

sehr hoher kulturhistorisch architektonischer Wert
hoher kulturhistorisch architektonischer Wert
positiver kulturhistorisch architektonischer Wert

182

2.3.4

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

L+M
STADTGRUNDRISS UND
RÄUMLICHER AUFBAU

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_102
Bahnhofsvorplatz
Der Bahnhofsvorplatz ist der wichtigste
Stadteingang ins Wallgeviert. Der Ostwall wurde
1840 bis an den neuen Bahnhof verlängert. Bei
der Neuordnung der Innenstadt in der zweiten
Wiederaufbauphase wurde der Eingang zum
Ostwall mit modernen Torbauten akzentuiert,
links mit einer Rasterfassade, rechts mit einer
Bandfassade.
Die rote Farbe des letztgenannten Akzents
konterkariert die beabsichtigte Symmetrie.

Abb. 2.0_99, 100, 101
Friedrichsplatz
Der Friedrichsplatz bildet den nördlichen
Stadteingang ins Wallgeviert. Bis auf die
fehlende Bebauung in der nordwestlichen
Ecke an der Sternstraße ist die historische
Stadtstruktur in Fluchtlinien, Traufhöhen und
Dachformen mehrheitlich gut lesbar geblieben.
+HXWHLVWGHU3ODW]YRUDOOHPDOV9HUNHKUVÁlFKH
in Gebrauch. Die Platzmitte ist zwar grün
gestaltet und mit einem Brunnen versehen, ist
aber für Fußgänger nicht erreichbar.
Abb. 2.0_103
Bahnhofsvorplatz
Der eklektizistische Bau des Hauptbahnhofs
bildet den Abschluß des Ostwalls in südlicher
Richtung. Vom Bahnhofsvorplatz ist die
Promenade auf dem Mittelstreifen des Ostwalls
nicht direkt erreichbar.

Abb. 2.0_104
Bahnhofsvorplatz, Luftbild
Nachdem das im Jugendstil gebaute
Hauptzollamt in den 70er Jahren für den
EHVVHUHQ9HUNHKUVÁXVVDEJHULVVHQZRUGHQ
war, wurde die fehlende Platzwand des
Bahnhofsvorplatzes in den 90er Jahren wieder
geschlossen mit dem CinemaXX Ensemble,
dessen Bürotrakt von den Architekten Neuhoff
Krefeld über die Straße hinweg gebaut wurde.

183

2.3.4

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

Abb. 2.0_106 nördliche Lohstraße
Am nördlichen Ende des Ostwalls wurde bei der
Neuordnung der Innenstadt eine Fläche für den
ruhenden Verkehr designiert.

Abb. 2.0_105 Theaterplatz
Von der Freilegung für ein neues Theater
¶$WKHQDHXP· XPELV]XPQLFKW
UHDOLVLHUWHQ%URULHJHOLQGHU%DXÁXFKWGHV
Ostwalls in den 70er Jahren ist der heutige
Theaterplatz das Ergebnis mehrerer radikaler
Planungsentscheidungen und nicht ausgeführter
Bauprojekte des 20. Jahrhunderts.

Abb. 2.0_107 Max-Petermann-Platz
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts
wurde der Max-Petermann-Platz als Spielplatz
geschaffen.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_108 An der Alten Synagoge
Auf der Kriegsbrache gegenüber dem Standort
An der alten Synagoge steht seit den 70er
Jahren ein kleines Mahnmal.

Abb. 2.0_110
2VWZDOO(FNH1|UGOLFKH3HWHUVVWUD‰H
Die mittelalterliche Route zwischen Krefeld
und Moers ist bis heute im Stadtgrundriss
ablesbar. Die städtebauliche Figur aus der
ersten Wiederaufbauplanung betont die
dominante Rolle der Wälle in Relation zu
älteren Strukturen. Links im Bild die Uhr, die
VHLWGHQ6FKOHUWUHII¶XQWHUGHU8KU·
markiert.

Abb. 2.0_109

184

2.3.4

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

Abb. 2.0_111 Ostwall
Der südliche Abschnitt des Ostwalls weist noch
viel historische Bebauung auf. Die Architektur ist
zum Teil schwer beeinträchtigt.

S

Abb. 2.0_112 Ostwall
Zwischen dem Südwall und der Haltestelle
Rheinstraße ist der Mittelstreifen des Ostwalls
noch als Promenade gestaltet und als solche
nutzbar. Die zwei mittleren Baumreihen sind
verschwunden, die verbliebenen Bäume
sind zu monumentaler Größe angewachsen.
Die Bebauung stammt zumeist aus der
Nachkriegszeit, fügt sich aber - abgesehen von
wenigen Ausnahmen - in die konstituierende
Stadtstruktur ein.

Abb. 2.0_113 Ostwall
Die Haltestelle Ostwall/Rheinstraße wurde in
der ersten Wiederaufbauphase angelegt. Das
Ensemble aus den 50er Jahren wurde zum
Teil durch spätere Bauten beeinträchtigt, ist
DEHUQRFKJXWOHVEDU'LHURWH2EHUÁlFKHLP
Vordergrund sowie die Laternen entstammen
einem Konzept aus den 90er Jahren.

Abb. 2.0_114 Ostwall
Nördlich der Rheinstraße lösen sich die
Fluchtlinien des Ostwalls auf. Nördlich der
Carl-Wilhem-Straße sind sie wieder intakt, hier
verschwand jedoch die Promenade auf dem
Mittelstreifen zugunsten des Verkehrs. Das
Polizeipräsidium steht auf dem nördlichsten
Teil des Ostwalls, der hier bei der Neuordnung
aufgehoben wurde.

Abb. 2.0_116 West- und Südwall
Am Westwall blieb viel historische Bausubstanz
erhalten. Auch der Mittelstreifen ist größtenteils
noch intakt. Dies gilt auch für den Südwall.

Abb. 2.0_117 West- und Südwall
Wo die Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg
zerstört war, wurde sie auch am Westwall
mit Nachkriegsbebauung in der historischen
Kubatur ersetzt. Die mittlere Baumreihe ist
verschwunden, die verbliebenen Bäume sind zu
monumentaler Größe angewachsen. Dies gilt
auch für den Südwall.

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

x

ma

ma
x.

30m

8m

x. 1

ma

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_115
konstituierende Blockstruktur
der Vier Wälle

185

2.3.4

Abb. 2.0_118a Sankt-Anton-Straße
'DV6WUD‰HQSURÀOGHU6DQNW$QWRQ6WUD‰HLVW
für den Durchgangsverkehr bemessen und wird
durch langsame Verkehrsteilnehmer praktisch
nicht genutzt.
Bis auf Ost- und Westwall gibt es nur drei
Fußgängerüberwege, obwohl es sechs Straßen
in Nord-Südrichtung gibt. Damit schneidet die
Sankt-Anton-Straße die Innenstadt in zwei Teile.

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

An der Südseite der ursprünglich eher schmalen
Sankt-Anton-Straße blieb noch ein Teil der
ursprünglichen Parzellenstruktur erhalten.
Der Verkehrsdurchbruch der Nachkriegszeit
ging einher mit einer neuen Bebauung in Form
freiplastisch platzierter Großbauten. Von der
¶$FKVHGHU0RGHUQH·EOLHEQXUGHU6GÁJHOGHV
Rathauses von Hans Volger erhalten.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_118b
Der Umbau des ehemaligen Warenhauses
Horten von 1969 für den Textildiskonter Primark
zitiert in seiner Formensprache im entferntesten
Sinne eine klassische Formensprache,
bietet dem Betrachter mit seiner abstrakten
3ODWWHQYHUNOHLGXQJMHGRFKZHQLJ¶$XJHQIXWWHU·
Am Seidenweberhaus aus den 70er Jahren löst
VLFKGHU6WDGWUDXPDXILQGHQÁLH‰HQGHQ5DXP
einer eher landschaftlich gemeinten Gestaltung.

Abb. 2.0_119-124 (unten)
Details des Straßenbelags im Bereich der 6. und
7. Stadterweiterung
Die Vielfalt der verwendeten Materialien ergibt
einen unzusammenhängenden Flickenteppich.

186

2.3.4

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

Abb. 2.0_125
konstituierende Blockstruktur
sekundärer Straßen

Abb. 2.0_127
Wollstraße

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_126
Schneiderstraße

Abb. 2.0_128
Lindenstraße

Abb. 2.0_129 Breite Straße
Im Straßenbild innerhalb der Vier Wälle ist
noch viel konstituierende Bebauung erhalten
geblieben. Die Fassaden wurden oftmals stark
transformiert. Der öffentliche Raum besteht zum
großen Teil aus Asphalt und wird von parkenden
Autos dominiert. Die Straßenwände lassen die
historische Parzellenstruktur gut erkennen.
Die Architektur der Fassaden wurde durch
Sanierungen und Modernisierungen größtenteils
stark beeinträchtigt

187

2.3.4

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS

Abb. 2.0_130
Ackermann Bauten
Die historischen Fluchtlinien wurden in der
Nachkriegszeit aufgelockert. Mit Punkthäusern
wurden an der Gartenstraße neue Akzente
gesetzt.

Abb. 2.0_131
Ackermann Bauten
Die Zeilenbebauung an der Lohstraße wurde
teilweise zurückverlegt gegenüber der
KLVWRULVFKHQ%DXÁXFKW

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

Abb. 2.0_132
städtebauliche Akzente
Punkthaus am Ostwall/ Ecke Moerser Straße

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_133
städtebauliche Akzente
Zum Ostwall hin wurde die Gartenstraße in
die Achse des Hauptpostamtes verschoben.
Die Eckhäuser wurden hier mit abweichender
Dachform als Akzente neu platziert.

188

2.3.4

Westwall

ABGLEICH 3D
KLASSIZISMUS
Nordwall

2.0 EINLEITUNG

Ostwall

R

R

R

R

R

R
R

R

R
R

R
R

R
R

R

R

R
R

R

R

R

R

R

Denkmal
Architektur-Ikonen
konstituierende Bebauung Vier Wälle

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

R

Abb. 2.0_196
konstituierende Bebauung
Entlang der Vier Wälle blieben viele Häuser
aus der konstituierenden Zeitschicht erhalten.
Sie sind maßgeblicher Teil des Stadtbilds der
Prachtboulevards. Die wenigsten von ihnen
stehen unter Denkmalschutz.
Abb. 2.0_197
konstituierende Bebauung
Übersichtskarte der Vier Wälle

189

2.3.5

ABGLEICH 3D
KAISER- UND ZWISCHENKRIEGSZEIT (ARCHITEKTUR - IKONEN)

TRANSFORMATIONSSCHICHTEN
Die repräsentativen öffentlichen Gebäude der Kaiserzeit
entlang der Vier Wälle setzen monumentale Akzente entlang der
ansonsten einheitlich mit neoklassizistischen Einzelhäusern
bebauten Boulevards.
Diese Architektur - Ikonen aus der Zeit, als Crefeld zur
Großstadt wurde, blieben fast vollständig erhalten, sind aber
heute nicht immer öffentlich genutzt bzw. zugänglich.

Architektur -Ikonen
Kaiserzeit

Die prachtvollen Kaufhäuser der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit erinnern an den Reichtum Krefelds und
verleihen der mittelalterlichen Stadtkrone großstädtisches Flair.
Architektur-Ikonen
Zwischenkriegszeit

9LHOHGLHVHU%DXWHQÀHOHQGHQ=HUVW|UXQJHQGHV=ZHLWHQ
Weltkriegs - oder der Neuordnung in der zweiten
Wiederaufbauphase der Stadt - zum Opfer. Nur zwei der
LGHQWLÀ]LHUWHQ*HElXGHVWHKHQKHXWHXQWHU'HQNPDOVFKXW]
Der größte Teil wurde stark beeinträchtigt durch Umbauten und
Vernachlässigung.

Wiederaufbau und
Architektur-Ikonen
der ersten
Nachkriegsmoderne

Abb. 2.0_xx
Transformationsschichten

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Dissonanten

190

2.3.5

ABGLEICH 3D
KAISER- UND ZWISCHENKRIEGSZEIT (ARCHITEKTUR - IKONEN)

2.0 EINLEITUNG

Abb. 2.0_134, 135 und 136
vlnr: Katholische Pfarrkirche Liebfrauen
1854 Architekt: Vinzenz Statz,
ehemalige Reichsbank 1906 Architekt:
Hermann Stiller, ehemalige Hauptpost
1894, Architekt: Paul Sell

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES

Abb. 2.0_137, 138 und 139
vlnr: Kaiser-Wilhelm-Museum 1897
Architekt: Hugo Koch,
1RUGÁJHO5DWKDXV
Deutsche Bank

Abb. 2.0_140, 103 und 141
vlnr: ehemalige ProvinzialGewerbeschule (heute Hannah-ArendtGymnasium) 1851 Architekt: Hilbig,
Hauptbahnhof 1907, Carl Biecker,
Katholische Pfarrkirche St. Stephan 1852
Architekt: Friedrich von Schmidt

monumentale Akzente
entlang der Vier Wälle
Viele der in der Kaiserzeit entstandenen
monumentalen öffentlichen Bauten entlang der
Vier Wälle sind bis heute erhalten. Bei einigen
von ihnen fehlen die Dächer, bei anderen die
öffentliche Nutzung, die der Situierung entlang
der großstädtischen Boulevards Recht täte.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

191

2.3.5

ABGLEICH 3D
KAISER- UND ZWISCHENKRIEGSZEIT (ARCHITEKTUR - IKONEN)

1. Friedrichstrasse 6

2.0 EINLEITUNG

9. Rheinstrasse 91-99

9
1

RHE

2. Rheinstrasse 129

INST

RAS

SE

8. Hochstrasse 127
Abb. 2.0_142
Stadtkern mit herausragenden Bauten aus
der industriellen Periode (etwa 1870 - 1970)
In der Zeit, in der Krefeld zur Großstadt wurde,
entstanden zahlreiche repräsentative Bauten des
Einzelhandels usw. Sie beziehen sich zunächst
noch stark auf den klassischen Formenkanon
der konstituierenden Architektur (siehe linke
6SDOWH VSlWHULVWGHXWOLFKGHU(LQÁXVVGHU
architektonischen Moderne zu sehen.
Fast alle Fassaden der hier abgebildeten
Architektur-Ikonen wurden stark transformiert.
Vor allem der architektonische Ausdruck im
Sockelgeschoss ging vielfach verloren. Auch
die Fenster der darüber liegenden Geschosse
wurden stark abstrahiert. Die ursprüngliche
Dachlandschaft fehlt oft gänzlich.

2

3

3. Hochstrasse 130

4

HOCHS

TRASS

E

8

Bis auf das auch im Inneren gut erhaltene
Schirmhaus Schnitzler und das Modehaus Dhein
(heute Thalia) steht keines der Objekte unter
Denkmalschutz. Ihre Architektur wurde hier nicht
weiter erforscht.
4. Hochstrasse 102

5
7

5. Hochstrasse 90

6. Hochstrasse 61

KULTURHISTORISCHE
STÄDTEBAULICHE ANALYSE
22.04.2020

10
6

7. Hochstrasse 85

10. Hochstrasse 64

192
222 KHA

2.3.6

ABGLEICH 3D
WIEDERAUFBAU, ERSTE NACHKRIEGSMODERNE (ARCHITEKTUR-IKONEN)

TRANSFORMATIONSSCHICHTEN
Die Architektur der ersten Wiederaufbauphase weist eine bemerkenswerte
Kohärenz mit der konstituierenden Stadtstruktur auf. Die historischen
Fluchtlinien, Parzellenbreiten, Traufhöhen und Dachformen wurden
großenteils aufgenommen.
Die Häuser wurden vor allem für ein zusammenhängendes
Stadtbild entworfen. Die Einzelhäuser stellen nicht unbedingt einen
architektonischen Höhepunkt dar, bereichern das Straßenbild aber mit
YHUIHLQHUWHU$EZHFKVOXQJ'HU&KDUPHGLHVHU¶$UFKLWHNWXU6FKlW]FKHQ·KDW
das Stadtbild nachhaltig geprägt.
Angesichts der Vielzahl von Einzelhäusern aus den 50er Jahren, die sich
problemlos in die konstituierende Stadtstruktur einfügen und sie auf
charmante Weise ergänzen, fällt die geringe Anzahl erhaltener ikonischer
Bauten aus derselben Zeit auf.

Architektur -Ikonen
Kaiserzeit

Architektur-Ikonen
Zwischenkriegszeit

Eine Inventarisierung und Erforschung der Architektur dieser für Krefeld
so identitätsstiftenden Entwicklungsperiode ist darum empfehlenswert.
Wiederaufbau und
Architektur-Ikonen
der ersten
Nachkriegsmoderne

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Dissonanten

193

2.3.6

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
(567(1$&+.5,(*602'(51(¶.2167,78,(5(1'(%(%$881*·

WIEDERAUFBAUPLAN 1949
Die Einzelhäuser stellen für sich
selbst gesehen nicht unbedingt einen
architektonischen Höhepunkt dar,
bereichern das Straßenbild aber mit
verfeinerter Abwechslung.
Die Häuser wurden vor allem für
ein zusammenhängendes Stadtbild
entworfen.
Zum neuen Geschosswohnungsbau
wurde versucht, Treppenhäuser und
Balkone in die vielfach gerasterten
Fassaden zu integrieren. Auch mit der
Artikulation des Sockelgeschosses
und dem bewohnbaren Dachgeschoss
wurde experimentiert. Der Charme
GLHVHU¶$UFKLWHNWXU6FKlW]FKHQ·KDWGDV
Stadtbild nachhaltig geprägt.

Abb. 2.0_143 Westwall 186

$EEB1RUGZDOO(FNH6FKQHLGHUVWUD‰H
Abb. 2.0_177
Ostwall 114

Abb. 2.0_144 Ostwall 92

Abb. 2.0_145 Ostwall 84

$EEB2VWZDOO(FNH0DUNWVWUD‰H

$EEB2VWZDOO(FNH0DUNVWUD‰H

$EEB2VWZDOO(FNH1HXH/LQQHU6WUD‰H¶)XQNKDXV.DPS·

OLQNV$EEB
Gartenstraße 19/ Ecke Friedrichstraße:
der sensible Nachkriegsbau ist durch zu
wenig konstrastierenden Anstrich der
Fensterumrandungen, Balkone und Geländer in
VHLQHUYHUIHLQHUWHQ:LUNXQJVWDUNYHUÁDFKW
0LWWH$EEB
Lensensstraße 4 ist ein Beispiel dafür, wie
sich die Funktionen im Inneren des Hauses
in der Fassade abbilden, in diesem Fall das
Treppenhaus mit bunten Glasbausteinen.

Abb. 2.0_178
Ostwall 92

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

UHFKWV$EEB
Lensensstraße 2
Hier sind die Einzelparzellen durch
unterschiedliche Farben voneinander abgesetzt.
Die Farben wurden jedoch nicht auf den
Naturstein des Sockels abgestimmt, wodurch
die Wertigkeit der Fassaden stark beeinträchtigt
wird.

194

2.3.6

2.0 EINLEITUNG

ABGLEICH 3D
(567(1$&+.5,(*602'(51(¶.2167,78,(5(1'(%(%$881*·

Abb. 2.0_153
(QVHPEOH1HXPDUNW(FNH0DUNWVWUD‰H
Der Gebäudekomplex an der nordöstlichen
Ecke des Neumarktes ist in gleich mehrerer
Hinsicht bemerkenswert. Das Eckhaus
zitiert in entspannter Weise die Kubatur und
kompositorischen Prinzipien des Barock.
Mit der Kolonnade wird die Platzwand des
Neumarktes visuell verlängert bzw. die öffnung
zur Markstraße verkleinert.

Abb. 2.0_155
(QVHPEOH1HXPDUNW(FNH0DUNWVWUD‰H
Die Figur des vorstehenden Eckhauses ist
von den Eckhäusern an der Friedrichstraße
(1738) inspiriert. Die Architektur entlang
der Marktstraße ist eindeutig der ersten
Nachkriegsmoderne zuzuordnen, bezieht sich
aber eindeutig auf die Architektur des Barock.
6REHÀQGHWVLFKREHUKDOEGHV]ZHLWHQ
Obergeschosses ein stark ausgeprägtes
Gesims, das den Straßenraum visuell
abschließt. Das neue dritte Obergeschoss
springt leicht zurück.

Abb. 2.0_154
(QVHPEOH1HXPDUNW(FNH0DUNWVWUD‰H
Das barocke Zitat geht wie selbstverständlich
über in die zurückhaltende Architektur der
ersten Nachkriegsmoderne. An der Ecke zur
Scheutenstraße wird das Eckhaus wiederum
deutlich hervorgehoben, und damit die barocken
Prinzipien der Stadtstruktur zitiert.
Abb. 2.0_156
Ansicht des Ensembles

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

195

2.3.6

ABGLEICH 3D
ERSTE NACHKRIEGSMODERNE - ARCHITEKTUR - IKONEN

Abb. 2.0_158
neuer Turm der Alten Kirche von 1952

2.0 EINLEITUNG

Abb. 2.0_159
et Bröckske von 1952
Architekt: Schrüllkamp
Die Brauerei und Gastwirtschaft folgt der
Formensprache der konstituierenden Architektur,
und ist in ihren Details doch deutlich als frühe
Nachkriegsmoderne erkennbar. Auch die
Innenräume sind bemerkenswert und zeittypisch.
'DV*HElXGHEHÀQGHWVLFKGXUFK/HHUVWDQGXQG
Vernachlässigung in schlechtem Zustand.

Abb. 2.0_157
Südflügel des Rathauses von 1957
Architekt: Hans Volger
'LHLNRQLVFKH5DVWHUIDVVDGHEHÀQGHWVLFKGXUFK
Vernachlässigung in sehr schlechtem Zustand

Abb. 2.0_160
Woolworth von 1957
Die hochwertige Natursteinfassade, das
Erdgeschoss und Vordach wurden schwer
beeinträchtigt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_161
Fassade um 1990
DXVGHU6HULH¶*HVLFKWVSXQNWH·YRQ9RONHU'|KQH

ARCHITEKTUR-IKONEN 50ER
Angesichts der Vielzahl von
Einzelhäusern aus den 50er
Jahren, die sich problemlos in
die konstituierende Stadtstruktur
einfügen und sie auf charmante Weise
ergänzen, fällt die geringe Anzahl
erhaltener ikonischer Bauten aus
derselben Zeit auf. Desto wichtiger ist
eine Inventarisierung und Erforschung
der Architektur dieser für Krefeld
identitätsstiftenden Periode.

196

2.3.6

ABGLEICH 3D
ZWEITE NACHKRIEGSMODERNE - ARCHITEKTUR - IKONEN

2.0 EINLEITUNG

Abb. 2.0_162 (links)
Wohn- und Geschäftshaus mit Rasterfassade
DXI¶3LORWLV·XQGPLW'DFKWHUUDVVH5KHLQVWUD‰H
Ecke Königstraße: durch den Anstrich der
Brüstungen ist die Architektur nicht mehr gut
lesbar.

Abb. 2.0_164 (links)
Das Mehrfamilienhaus an der Nordstraße
ist nicht klar einzuordnen und besitzt sowohl
Elemente der 50er Jahre (Satteldach,
Setback)als auch der 60er Jahre (freie
Fassadengestaltung). Hier wurden die
Brüstungen als horizontale Bänder ausgebildet
und mit feinem Mosaik bekleidet. Das
Treppenhaus bildet sich ab in der Fassade.

Abb. 2.0_165 (rechts)
Wohn- und Geschäftshaus mit
Natursteinfassade, Ostwall/ Ecke Stefanstraße:
Der denkmalgeschützte Bau steht auf Stützen
(Pilotis) und weist eine luftige, komplett offene
Fassade auf. Hier wurden die Brüstungen mit
niedrigen keramikverkleideten Bändern betont.
Abb. 2.0_166 (links)
Ein Büro- und Geschäftshaus markiert den
Stadteingang Ostwall Ecke Hansastraße
links eine gut erhaltene Rasterfassade,
rechts eine schwer beeinträchtigte Bandfassade

Abb. 2.0_167 (rechts)
IG Metall am Ostwall
Das Bürogebäude besitzt viele Merkmale
der Architektur der 50er Jahre, weist aber
gleichzeitig eine interessante Bandfassade aus
alternierenden vor- und zurückspringenden
Einzelfenstern auf, um die sich eine dunkle
mäandrierende Faschierung schlängelt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.0_168
Das Foyer des heutigen Stadttheaters wurde
19xx von xx Graubner vor das Theater aus
der ersten Wiederaufbauphase gestellt. Die
skulpturale, objekthafte Fassade bewahrt
vollkommene Autonomie in Bezug auf ihren
Kontext.

ARCHITEKTUR-IKONEN 60ER
In der zweiten Nachkriegsmoderne
löste sich die Beziehung zur
historischen Stadtstruktur und den
Grundprinzipien der konstituierenden
Architektur.
Punkthäuser wurden jetzt als
städtebauliche Akzente bewußt
aus der Fluchtlinie gerückt und
durchbrachen die einheitliche
Traufhöhe. Die unaufgeregte
Stadtstruktur sollte auf diese Weise
aufgelockert werden.
Den seit den 50er Jahren verwendeten
Rasterfassaden, die sich noch deutlich
auf ihre historischen Vorgänger bezog,
folgten in den 60er Jahren Varianten,
die sich mehr an der klassischen
Moderne orientierten. Die so typischen
Bandfassaden knüpfen an die fünf
Punkte Le Corbusiers von 1923:
- das Gebäude steht nicht auf der
Straße sondern auf Stützen (pilotis)
- Flachdach mit Dachgärten
- freie Grundrißgestaltung durch
Stützenraster
- Bandfenster
- freie Fassadengestaltung.
197

2.3.6

ABGLEICH 3D
ZWEITE NACHKRIEGSMODERNE - DISSONANTEN

AUTONOME GROSSFORM
Das Seidenweberhaus und das
Schwanenmarkt Center, beide aus
den 70er Jahren, sind typische
Vertreter einer Architektur, die sich
von der Idee des geschlossenen
Stadtmodells und seiner kleinteiligen
Blockrandbebauung mit Einzelhäusern
verabschiedet hat.
Als autonome, skulpturale Großform
lockern sie den Stadtraum zur
ÁLH‰HQGHQ¶6WDGWODQGVFKDIW·DXI

Abb. 2.0_169
Die Wohnungen des Schwanenmarkt Center
wurden diagonal gestaffelt. Die erhöhten
3ÁDQ]HQEHHWHPDUNLHUHQLQHWZDGLH
mittelatlerliche Fluchtlinie der Evertsstraße.

Abb. 2.0_172
Der Bauriegel entlang des Ostwalls, der sowohl
für den Ostwall als auch für den Theaterplatz
klarere Raumkanten bedeutet hätte, wurde nicht
realisiert.

Abb. 2.0_170
Vom Dionysiusplatz aus ist die Hochhausscheibe
JXWHUNHQQEDU'LH%DXÁXFKWHQWODQJGHU
Breitestraße wurde zurückverlegt. Das
Sockelgeschoss ist zum Platz und zur
Breitestraße hin fast komplett geschlossen. Hier
ÀQGHWYRUDOOHPGLH$QOLHIHUXQJVWDWWIUGDV
Einkaufszentrum statt, das sich fast komplett
zum Innenraum orientiert. Im Hintergrund ist
noch die zum Komplex gehörige Hochgarage zu
sehen.

Abb. 2.0_171
Das brutalistische Seidenweberhaus wurde
als freiplastisches Objekt frei in den Stadtraum
JHVWHOOW(VELOGHWHLQH,QVHOLQHLQHU¶ÁLH‰HQGHQ
6WDGWODQGVFKDIW·'HU7KHDWHUSODW]YHUVFKZLPPW
mit der Sankt-Anton-Straße und dem Ostwall.
'HU6WDGWUDXPLVWQLFKWPHKUHLQGHXWLJGHÀQLHUW

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

198

2.4 KERNIDENTITÄT

2.0 EINLEITUNG

Aus Schritt 1 – Analyse und Schritt 2 – Abgleich ist die kulturhistorischstädtebauliche Kernidentität der Krefelder Innenstadt abzuleiten. Sie
ist das Produkt der konstituierenden Zeitschichten und der späteren
Transformationen, die einander überlagern und ineinander greifen.

Das Benennen der Kernidentität ist keine unverbindliche Angelegenheit,
sondern vielmehr die Bestimmung der historischen DNA der Innenstadt.
Ihre funktionalen, räumlichen und architektonischen Komponenten bilden
eine selbstverständliche Basis für zukünftige Entwicklungen des Gebiets.
In funktionaler Hinsicht wird klar, auf welcher Grundlage die räumliche
Gesamtform der Stadt sich entwickelt hat. In räumlicher Hinsicht ergibt
sich die Kernidentität vor allem aus denjenigen Eigenschaften, die über
einen sehr langen Zeitraum beständig geblieben sind, bzw. sich nur
mit großer Trägheit verändert haben. In architektonischer Hinsicht wird
deutlich, welche Grundprinzipien der Architektur der Krefelder Innenstadt
zugrunde liegen, und wo davon abgewichen wird.

2.4.1 ZUSAMMENFASSUNG ABGLEICH UND
KERNIDENTITÄT DER KREFELDER
INNENSTADT
2.4.2 (;.856*581'35,1=,3,(1'(6
RÄUMLICHEN AUFBAUS
2.4.3 (;.856*581'35,1=,3,(1'(5
FASSADENARCHITEKTUR
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

S.200

S.205

S.207
199

2.4.1

KERNIDENTITÄT
ZUSAMMENFASSUNG ABGLEICH

)81.7,21$/

5b80/,&+

$5&+,7(.721,6&+

XL

L+M

S

VOR-INDUSTRIELLE
MANUFAKTURSTADT

GESCHLOSSENES
STADTMODELL

IDENTITÄTSSTIFTENDE
BEBAUUNG

- NUTZUNGSMISCHUNG

9,(5.2167,78,(5(1'(=(,76&+,&+7(1
- MITTELALTERLICHER STADTKERN
- ORANISCHE STADTERWEITERUNG
- BAROCKE PLANSTADT
- KLASSIZISTISCHE STADTANLAGE

KONSTITUIERENDE ARCHITEKTUR
- BAROCK
- KLASSIZISMUS
- (WIEDERAUFBAUPLAN 1949)

- WOHNEN UND ARBEITEN
- FUSSGÄNGERSTADT

'5(,5b80/,&+(6<67(0(
- STADTKRONE
- STRASSEN UND HÄUSER
- VIER WÄLLE

ARCHITEKTUR-IKONEN
- KAISERZEIT
- ZWISCHENKRIEGSZEIT
- ERSTE NACHKRIEGSMODERNE

DISSONANTEN

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

200

2.4.1

XL

KERNIDENTITÄT
ZUSAMMENFASSUNG ABGLEICH
Die kulturhistorisch-städtebauliche Kernidentität der Krefelder Innenstadt wird
entscheidend durch ihre ältere Geschichte - die konstituierenden Zeitschichten bestimmt.

.2167,78,(5(1'

75$16)250$7,21

75$16)250$7,21

+(87,*(6,78$7,21

VORINDUSTRIELLE
MANUFAKTURSTADT
Die Stadt wurde hauptsächlich für
einen Industriezweig angelegt,
namentlich die Seidenindustrie.
Innerhalb der vorindustriellen
Stadt bestand eine feinkörnige
Funktionsmischung. Das Wohnen und
Arbeiten fand vor allem zu Hause statt.
Innerhalb eines Quartiers, Baublocks
und auch innerhalb eines Gebäudes
wurde gewohnt und gearbeitet.

MODERN-HISTORISCHE
INDUSTRIESTADT
Der Beginn der Transformationen der
Stadtstruktur innerhalb der Vier Wälle
fällt mit dem Ende der Handweberei
und dem Beginn der maschinellen
Weberei zusammen, die sich in Krefeld
erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts
durchsetzte. Fabriken wurden jetzt
außerhalb der Vier Wälle und in den
kleineren Nachbargemeinden gebaut.

MODERNE
INDUSTRIESTADT
,QGHQ·HU-DKUHQGHV
Jahrhunderts beschleunigte
sich die Transformation der
Innenstadt zum Einzelhandels- und
'LHQVWOHLVWXQJV]HQWUXP,QGHU¶&LW\·
entwickelte sich die Tendenz zur
Zusammenlegung von Hausparzellen
und zur Maßstabsvergrößerung der
Bauvolumen.

Viele wohlhabende Bürger begannen,
sich neue Häuser außerhalb der
Innenstadt zu bauen. Damit setzte
die Entmischung des funktional
und sozial gemischten Gefüge der
kompakten vorindustriellen Stadt ein.
Innerhalb der Vier Wälle entstand
jetzt das neue Verwaltungs- und
Einzelhandelszentrum der Großstadt
Krefeld, mit einer bis zum 2. Weltkrieg
hohen Einwohnerdichte.

'XUFKGLHÁlFKHQPl‰LJHQRUPH
Ausdehnung des Stadtgebiets, die
großräumliche Nutzungstrennung
von Wohnen, Arbeiten und
Dienstleistungen aller Art entstand
immer mehr Verkehr. Seit der
Nachkriegszeit nahm der motorisierte
Individualverkehr exponentiell zu und
mit ihm der Raumbedarf nicht nur für
GHQÁLH‰HQGHQVRQGHUQYRUDOOHPGHQ
¶UXKHQGHQ9HUNHKU·

POST-INDUSTRIELLE STADT
Der historische Stadtgrundriß blieb
zwar bis heute zum großen Teil
erhalten, jedoch ist es in den letzten
70 Jahren nur in beschränktem Maße
gelungen, um ein neues, attraktives
Stadtbild zu schaffen. Die Stadt
spiegelt kaum das postindustrielle
Zeitalter wider, in dem das historische
Stadtzentrum wieder eingerichtet ist
für Fußgänger, Freizeit, komfortables
und repräsentatives Wohnen, kulturelle
Angebote und Kreativität.

Die schmalen Parzellen und eine
Vielzahl von Eingängen an der
6WUD‰HUHVXOWLHUWHQLQHLQHUÁH[LEOHQ
lebendigen Beziehung zwischen der
Bebauung und dem öffentlichen Raum.
Trotz der feinen Mischung der
Funktionen von Wohnen und Arbeiten
auf allen Maßstabsebenen war die
Manufakturstadt mit ihrer einheitlichen
Kulissenarchitektur als solche nicht
sofort erkennbar.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Die vier Wälle hingegen sind noch
deutlich erkennbar und haben
ein hohes räumliches Potenzial.
Obwohl sie zum Teil fragmentiert
und beschädigt sind, bilden sie
nach 200 Jahren immer noch den
eindrucksvollen Höhepunkt des
Stadtzentrums.

201

2.4.1

L+M

KERNIDENTITÄT
ZUSAMMENFASSUNG ABGLEICH
Die Anlage einer barock-klassizistischen Planstadt um einen mittelalterlichen Kern
die wiederum umrahmt ist mit französischen Promenaden stellt eine besondere
Variante des Europäischen Städtebaus dar.

.2167,78,(5(1'

75$16)250$7,21

75$16)250$7,21

+(87,*(6,78$7,21

GESCHLOSSENES
STADTMODELL
Die kulturhistorisch-städtebaulich
einzigartige Anlage der Krefelder
Innenstadt ist eine besondere Form
des vorindustriellen, geschlossenen
Stadtmodells. Sie entspricht den
Grundprinzipien des räumlichen
Aufbaus der europäischen Stadt. In
einem Exkurs in Abschnitt 2.5 werden
diese dargestellt.

KAISER- UND
ZWISCHENKRIEGSZEIT
Erst mit der Reichsgründung
und dem damit einhergehenden
ungezügelten Bauboom wurde das
geordnete, einheitliche Stadtbild
aufgebrochen. Dies geschah vor
allem durch neue, repräsentativ
herausgestellte Einzelbauten und neue
Gebäudetypologien.

WIEDERAUFBAU 1949
Das vorindustrielle und modernhistorische Stadtbild wurde durch
die Bombardierung 1943 schwer
beschädigt. In der ersten Phase des
Wiederaufbaus wurden große Teile
der Stadt innerhalb der historischen
Fluchtlinien und in kleinteiliger
Parzellierung wieder aufgebaut.

DISSONANTEN
Der Abgleich zeigt, dass das Gebiet
innerhalb der Vier Wälle trotz aller
Transformationen noch immer ein
geschlossenes Stadtbild aufweist. Die
Standorte, an denen das geschlossene
Stadtbild beeinträchtigt wurde oder
nicht in der Fluchtlinie gebaut wurde,
ZXUGHQDOV'LVVRQDQWHQLGHQWLÀ]LHUW
(siehe Uberlagerungskarte 3 Dissonanten in Abschnitt 2.2.3).

Das geschlossene Stadtmodell
resultierte in einem gut lesbaren
Stadtgrundriss und deutlich
abgegrenzten öffentlichen
5lXPHQ8QGHXWOLFKGHÀQLHUWH
Übergangsgebiete gab es nicht.
Aus den vier konstituierenden
Zeitschichten
- Mittelalter und Renaissance
- oranische Stadterweiterung
- barocke Planstadt
- klassizistische Stadtanlage
(siehe Bewertung XL in Abschnitt 3.2)
wurden drei räumliche Systeme
destilliert:
- mittelalterlicher Stadtkern
- Straßen und Häuser
- Vier Wälle
(siehe Bewertung L+M in Abschnitt
3.3.1)
Kurz zusammengefasst besteht die
Krefelder Innenstadt aus einer barockklassizistischen Rasterstadt um einen
unregelmäßigen mittelalterlichen
Stadtkern herum. Zu Beginn des 19.
Jahrhunderts wurde die geometrische
Anlage in ihrer Gänze mit einer
eleganten, rechteckigen Promenade
nach französischem Modell umrahmt.
(siehe auch Exkurs: Grundprinzipien
des räumlichen Aufbaus in Abschnitt
2.5.1).
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

In ihrer Gänze blieb die Stadtstruktur
erkennbar. Die Vier Wälle blieben
grüne Promenaden, auch wenn sie
deutlich großstädtischer wurden.

Abgesehen vom Verkehrsdurchbruch
der Sankt-Anton-Straße wurde
keine eindeutige Entscheidung
zur Neuordnung der Innenstadt
getroffen. Das Straßenmuster blieb
somit großenteils erhalten, und eine
Maßstabsvergrößerung fand nur in
begrenztem Umfang statt.
WIEDERAUFBAU AB 1959
Erst in der zweiten Phase des
Wiederaufbaus, der in der Mitte
GHU·HU-DKUHHLQVHW]WHIROJWHHLQ
klares Bekenntnis zum Idealbild
der gegliederten, aufgelockerten
und autogerechten Stadt, indem
Funktionen bewußt getrennt und an
verschiedenen Standorten konzentriert
wurden.

Im Grunde ist die Sichtweise auf das
Funktionieren der Innenstadt der 60er
Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute
wirksam: der Autoverkehr ist dominant,
der öffentliche Raum außerhalb der
Fußgängerzonen ist asphaltiert, kahl
und nur in geringem Maße für den
langsamen Verkehr oder Aufenthalt
eingerichtet.

Auch wenn ab Mitte der 60er Jahre
bewußt vom historischen Stadtgrundriß
abgewichen wurde, resultierte dies
abgesehen von einigen autonom im
Stadtraum platzierten Großimmobilien
nicht in einer radikalen Neuordnung,
sondern vor allem in einer Reihe
von Straßenverbreiterungen und der
Anlage ebenerdiger Parkplätze an der
Stelle zerstörter Baublocks.
Dies resultierte nicht in einer
irreversibelen Änderung der
Stadtstruktur zu einem eindeutig
modernen Stadtbild, sondern eher in
der Beeinträchtigung der Lesbarkeit
der historischen Stadt.
202

2.4.1

S

2.0 EINLEITUNG

KERNIDENTITÄT
ZUSAMMENFASSUNG ABGLEICH
Darüber hinaus ist sie durch spätere Transformationen überformt, vor
allem durch die repräsentativen, großstädtischen Bauten der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit sowie durch die frühe Nachkriegsmoderne. Die darauf
folgenden Transformationen haben die Krefelder Innenstadt vor allem in
)RUPGHULGHQWLÀ]LHUWHQ'LVVRQDQWHQEHHLQWUlFKWLJW
.2167,78,(5(1'

75$16)250$7,21(1

75$16)250$7,21

+(87,*(6,78$7,21

KULISSENARCHITEKTUR
Innerhalb des geschlossenen
Stadtbildes haben die Hausfassaden
LKUHVSH]LÀVFKH5ROOH6LHIRUPHQ
eine repräsentative Kulisse, die nicht
aufgrund der internen Funktionen
gestaltet ist, sondern aus dem Bild der
Fassade als Teil der Straßenwand.

ARCHITEKTUR-IKONEN

ARCHITEKTUR-IKONEN

KAISER- UND
ZWISCHENKRIEGSZEIT
Während der Kaiserzeit und der
Zwischenkriegszeit entwickelte sich
der Einzelhandel im mittelalterlichen
Stadtkern. Es entstanden neue
Gebäudetypologien und die
Sockelgeschosse bestehender
Häuser wurden umgebaut. Die hohen,
QHXWUDOXQGÁH[LEHOJHVWDOWHWHQ
Sockelgeschosse der ursprünglichen
Bebauung erwiesen sich als genügend
robust, um eine große Vielfalt an
Nutzungen aufzunehmen.

(567(1$&+.5,(*602'(51(
In der ersten Phase des
Wiederaufbaus wurden große Teile
der Stadt innerhalb der historischen
Fluchtlinien und in kleinteiliger
Parzellierung wieder aufgebaut.

VERNACHLÄSSIGTE
ALTBAUSUBSTANZ UND
INVESTORENARCHITEKTUR
Die Bebauung ist nach dem 2.
Weltkrieg noch immer nicht komplett
wiederhergestellt und die Baulücken
bilden undeutliche Stadträume.
Manche Zerstörungen des 2.
Weltkriegs wurden nur provisorisch
und eher suburban bebaut und an
vielen Stellen ist starker Verfall sowohl
der Vorkriegsarchitektur als auch der
Architektur des Wiederaufbaus zu
beobachten.

Die Eigenart der auf Repräsentation
entworfenen Bebauung manifestierte
sich auch in einer hohen
Architekturqualität auf verschiedenen
Maßstabsebenen. Das Ergebnis
war ein räumliches Erlebnis, das der
Wahrnehmung durch den Fußgänger
entsprach.
Die das Stadtbild prägende Architektur
ist in der Krefelder Innenstadt bis auf die nicht mehr erhaltene
mittelalterliche Bebauung - nicht auf
regionale Vorbilder, sondern eindeutig
auf die allgemeinen Prinzipien der
klassischen Architektur zurück zu
führen. Diese Architekturtradition
verbindet Krefeld - mehr als die
meisten Nachbargemeinden - mit der
breiteren Europäischen Architekturund Stadtbaugeschichte.
Die Grundprinzipien der
Fassadenarchitektur werden in einem
Exkurs in Abschnitt 2.6 dargestellt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Hochwertig entworfene und
unterschiedlich genutzte
Sockelgeschosse boten dem
Passanten Abwechslung und machten
die Stadt interessant und lebendig.
Die neuen Schaufenster blieben
Bestandteil der Architektur der
Hausfassaden. Auch das Wohnen im
ersten Stock blieb zunächst erhalten.

Zwar gab es keine historischen
Rekonstruktionen in großem Maßstab,
wie zum Beispiel in Münster oder
Frankfurt. Die Architektur bezog sich
aber ausdrücklich auf das historische,
geschlossene Stadtmodell und die
ihm eigenen kompositiorischen
Grundprinizipien. Dabei blieb die
Architektur neutral und meist eher
bescheiden und nüchtern.
=:(,7(1$&+.5,(*602'(51(
Ab den 60er Jahren wurde die
modernistische Leitidee zur Regel,
die historisch geschlossene
Stadtstruktur aufzulockern und
große Gebäudekomplexe als
skulpturale, hermetische Objekte
frei im Stadtraum zu platzieren. Die
auffälligsten Vertreter dieser Idee sind
das Gebiet um das Polizeipräsidium,
das Schwanenmarkt Center und
das Seidenweberhaus. Auch die
zahlreichen Punkthäuser zeugen
von diesem Gedanken. Bis auf das
Stadttheater wurden diese Objekte
MHGRFKDOV'LVVRQDQWHQLGHQWLÀ]LHUW

Neuere Projekte sind zumeist
großmaßstäblich und aus der
KLVWRULVFKHQ%DXÁXFKWYHUVFKREHQ
Ihre Fassaden sind glatt und technisch
detailliert und materialisiert und liefern
LQXQ]XUHLFKHQGHP0D‰H¶$XJHQIXWWHU·
für ein attraktives und lesbares
Stadtbild. Die Sockelgeschosse
sind eher undurchlässig gestaltet
und liefern keinen Beitrag zu einer
Urbanität und Aufenthaltsqualität der
Krefelder Innenstadt.

203

2.4.1
KONSTITUIERENDE
ENDE
ZEITSCHICHTEN

mittelalterlicher
Stadtkern

RÄUMLICHE
RÄU
SYSTEME

+

mittelalterlicher
6WDGWNHUQ
Stadtkrone

oranische
Stadterweiterung

barocke
Planstadt

klassizistische
Stadtanlage

2.0 EINLEITUNG

KERNIDENTITÄT DER
KREFELDER INNENSTADT

barockklassizistische
3ODQVWDGW Stadt der
Straßen und Häuser

TRANSFORMATIONEN

KERNIDENTITÄT

Architektur -Ikonen
Kaiserzeit &
Zwischenkriegszeit

Architekur-Ikonen
erste
Nachkriegsmoderne

Wiederaufbauplan
1949

.ODVVL]LVPXV
Vier Wälle

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Dissonanten

vor-industrielle
Manufakturstadt

Abb. 2.0_173
Konstituierende
Zeitschichten und
Kernidentität

204

2.4.2

(;.856*581'35,1=,3,(1
DES RÄUMLICHEN AUFBAUS

2.0 EINLEITUNG

Die Orientierung auf den öffentlichen Raum ist dem
Europäischen Städtebau eigen, ebenso wie die Tatsache,
dass die Architektur der Bebauung sich ausdrücklich auf den
öffentlichen Raum bezieht und mit ihm eine bewusste und
durchdachte Beziehung eingeht.

Abb. 2.0_180 Weberwinkel 1850
Die barock-klassizistische Stadtanlage Krefelds
wurde angelegt für die Seidenproduktion, die
fast ausschließlich in Heimarbeit stattfand.

XL

Abb. 2.0_181
Perspektivischer Grundriß 1787
Die gebaute Sozialstruktur der
Manufakturstadt ist besonders gut an der
barocken Stadtanlage des 18. Jahrhunderts
abzulesen.

DIE EUROPÄISCHE STADT
UND DAS GESCHLOSSENE
STADTMODELL
Die Stadtstruktur der Krefelder
Innenstadt besteht wie fast alle
vorindustriellen Europäischen
Städte aus einem durchgehenden
Netz von Straßen, Plätzen und
Gassen. Reihen direkt miteinander
verbundener Häuser stehen in einer
Fluchtlinie und grenzen direkt an den
öffentlichen Raum. Die zumeist eher
schmalen Häuser besitzen jeweils
ihre eigene Erschließung an der
Straße, was in einer kurzen Folge von
Hauseingängen oder Pforten resultiert.
Zusammen sind die Gebäude in
geschlossenen Baublöcken organisiert,
in denen der öffentliche Raum deutlich
getrennt ist vom privaten Raum der
Bewohner und Nutzer im Inneren der
Gebäude und der Baublöcke.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

0$18)$.78567$'7
FUNKTIONSMISCHUNG AUF ALLEN
MASSSTABSEBENEN
Im bemerkenswerten Gegensatz
zu den Industriestädten des
ausgehenden 19. Jahrhunderts waren
die Werkstätten im vorindustriellen,
barock-klassizistischen Krefeld nicht
in separaten, großmaßstäblichen
Fabrikkomplexen konzentriert, sondern
YLHOPHKUDOVNOHLQH¶=HOOHQ·YROOVWlQGLJ
in die historische Stadtstruktur
eingewoben, untergebracht in
Gebäuden, in denen auch gewohnt
wurde. Nicht die Trennung, sondern
die Mischung der Funktionen war
jahrhundertelang die Norm innerhalb
der Stadt, der Stadtviertel, Baublöcke,
ja selbst der einzelnen Häuser. Dies
galt auch für Geschäfte und öffentliche
Einrichtungen.

205

2.4.2

(;.856*581'35,1=,3,(1
DES RÄUMLICHEN AUFBAUS

Abb. 2.0_62
barocke Typenhäuser mit Tympana an der
Friedrichstraße, im Vordergrund die markanten
Eckhäuser Haus Scheibler und Haus Joergens
von Michael Leydel, im Hintergrund das
Flohsche Haus, Stadterweiterung 1766

Abb. 2.0_59
barocke Typenhäuser mit Tympana auf
der Hochstraße südlich des Neumarktes,
Stadterweiterung 1711

L+M

$5&+,7(.785¶)250)2//2:6
5(35(6(17$7,21·
Die Kombination der
Funktionsmischung mit der barockklassizistischen Stadtanlage führte
zu einem erstaunlichen räumlichen
Resultat: die verschiedenen
Funktionen manifestierten sich nicht
in chaotischen räumlichen Szenen
oder einem bunten Durcheinander
verschiedener Fassadenarchitekturen,
sondern fügten sich in die
übergeordneten Prinzipien des
barocken Stadtmodells ein, in dem
die verschiedenen Funktionen und
Aktivitäten hinter gleichförmigen
architektonischen Schemata zurück
traten.
Obgleich die Starrheit dieses
Systems mit dem Klassizismus und
der Gründerzeitarchitektur in Krefeld
langsam gelockert wurde, so ist
doch für den größten Teil des 19.
Jahrhunderts festzustellen, dass die
Architektur zum öffentlichen Raum hin
keine buchstäbliche Übersetzung der
Funktion des Gebäudes war, sondern

dass sie vielmehr die ausdrückliche
Aufgabe hatte, dem Gebäude
als Element einer städtischen
Straßenwand ein repräsentatives
Gesicht zu geben und dem öffentlichen
Raum Identität und Ausstrahlung zu
verleihen.
Fassaden wurden bis zum zweiten
Viertel des 20. Jahrhunderts noch nicht
nach dem modernistischen Postulat
¶IRUPIROORZVIXQFWLRQ·YRQLQQHQQDFK
außen entworfen. Die Fassade eines
Gebäudes war eine eigenständige
Entwurfsaufgabe, mit der auch der
öffentliche Raum zielbewusst gestaltet
und gegliedert wurde.
$5&+,7(.785.8/,66('(5
BEGEHBAREN STADT
Die ausdrückliche Aufgabe der
Architektur, den öffentlichen Raum zu
gestalten, entstammte nicht nur einer
jahrhundertealten Tradition, die eine
Fassade als verunstaltet betrachtet
hätte, wenn sie in ihrer funktionalen
Grundform stecken geblieben wäre.
Sie ist mit dem räumlichen System

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

2.0 EINLEITUNG

der vorindustriellen und modernhistorischen Stadt unlösbar verbunden.
Der öffentliche Raum hatte
ausdrücklich eine doppelte Funktion:
er war einerseits Verkehrsraum,
der verschiedene Orte in der Stadt
miteinander verband, andererseits
aber auch Aufenthaltsort. Dies gilt nicht
nur für die Plätze, sondern vor allem
für die Straßen. Die vorindustrielle
Stadt - und bis zu einem gewissen
Grad auch die modern-historische
Stadt - war eine begehbare Stadt,
die im Wesentlichen für langsamen
Verkehr und Aufenthalt errichtet war.
Die Bewegung durch die Stadträume
war langsam und die Erfahrung
der Fassaden und Stadträume viel
eindringlicher als in den modernen, für
den motorisierten Verkehr entworfenen
Stadtstrukturen. Heute hat sich der
Schwerpunkt bei der Einrichtung des
öffentlichen Raums auf die Gestaltung
der horizontalen Fläche verlagert: das
6WUD‰HQSÁDVWHU,QGHUYRULQGXVWULHOOHQ
und modern-historischen Stadt wurden

die Entwurfsmittel vor allem auch in
der Vertikale angewendet. Architektur
war eine zielbewußt entworfene
Kulisse für eine begehbare Stadt.
)$66$'(1$5&+,7(.785
BEWUSSTE GLIEDERUNG VOM
SOCKEL BIS ZUM DACH
Die vertikalen Raumbegrenzungen
spielten eine wichtige Rolle, wenn
es um die Identität und Attraktivität
von Stadträumen ging. Sie wurden
GHPHQWVSUHFKHQGUDIÀQLHUWHQWZRUIHQ
für ihre Aufgabe. Weder in der
Horizontalen, noch in der Vertikalen
war nur die Rede von Wiederholung
und Abstraktion. In der Vertikalen
ZDUGLH)DVVDGHKlXÀJLQ6FKLFKWHQ
unterteilt, jede mit einer anderen
Funktion und einem anderen
Ausdruck, wobei das Sockelgeschoss
durch seinen ästhetisierten
Eingang, sein tieferes Relief und
VHLQHDEZHLFKHQGHXQGUDIÀQLHUWH
Gestaltung eine offensichtliche Brücke
zwischen Gebäude und öffentlichem
Raum bildete. Das Sockelgeschoss
kommunizierte direkt mit dem

Abb. 2.0_182
Überformung der strengen Barockarchitektur an
der Friedrichstraße im späten 19. Jahrhundert:
links die neue, eklektizistische Markthalle,
rechts daneben die konstituierende barocke
%HEDXXQJPLWGHP¶+DXVLQGHQ.HWWHQ·HLQHP
DXVGHU%DXÁXFKWJHVFKREHQHQ(FNKDXVYRQ
Jodokus Wesendonk um 1738, aufgestockt
und umgebaut von Michael Leydel, um 1766.
)RWRJUDÀHXP

Fußgänger und der unmittelbare und
harte Übergang des Gebäudes zur
Straße wurde durch die vorgenannten
Gestaltungsmittel erheblich abgefedert
und annehmbar.
Die darüberliegende
Gestaltungsschicht konnte sich über
eine oder mehrere Obergeschosse
erstrecken und betonte mit ihrer
ÁDFKHUHQ*HVWDOWXQJXQGHLQHP
Raster von Fensteröffnungen die
Hauptmasse des Gebäudes und die
horizontale Kontinuität der gesamten
Fassadenwand.
Der Abschluß nach oben wurde
durchweg betont mit Trauf-, Krag- und
Kranzgesimsen, Zwischengeschossen
usw., mit denen die Komposition und
Wiederholung der Fenster nach oben
abgeschlossen wurde. Durch die
Reihung dieser Fassadenabschlüsse
wurde die räumliche Wirkung des
gesamten Stadtraums verstärkt.
Die Auskragung der Dachgesimse
verhinderte, dass der Stadtraum nach
oben hin ins Endlose lief. Indirekt

kann dies auch zur Wahrnehmung
der Straße als Aufenthaltsraum
beigetragen haben.
DIE DACHLANDSCHAFT ALS
WESENTLICHE RÄUMLICHE EBENE
Die Dächer stellten in der
vorindustriellen und zum großen Teil
auch in der modern - historischen
Stadt immer die oberste Schicht dar,
die nicht so sehr von architektonischer,
sondern vor allem von städtebaulicher
Bedeutung war. Die Schicht der
Dachlandschaft bestand aus
separaten Volumen, die sich in ihrer
Form und Ausstrahlung deutlich
abhoben von den darunterliegenden,
sich wiederholenden
Fassadenarchitekturen. Tatsächlich
bestand jede historische Stadt bis ins
erste Viertel des 20. Jahrhunderts
aus einer Basisschicht rechteckiger,
kubischer Hauptvolumen und
einer separaten, Deckschicht aus
geneigten Dächern. Damit erhielt die
Stadtlandschaft als Ganzes nach oben
KLQLKUH5DIÀQHVVH

206

2.4.3

S

Abb. 2.0_183a und b (links)
Haus zum Heyd, barockes Eckhaus
an der Friedrichstraße
Architekt: Michael Leydel

Abb. 2.0_184a und b (rechts)
Haus Joergens, barockes Eckhaus
an der Friedrichstraße
Architekt: Michael Leydel

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR

2.0 EINLEITUNG

Die Fassaden der Gebäude aus den konstituierenden
Zeitschichten seit der oranischen Zeit basieren auf einer Reihe
von Grundprinzipien, die das Straßenbild über einen sehr
langen Zeitraum bestimmt haben. Diese Prinzipien werden im
Folgenden beschrieben.

KLASSISCHE DREITEILUNG
Die konstituierenden Fassaden kennen
in der Vertikalen eine klassische
Dreiteilung in Sockel - Mittelbau Traufe. Diese Gliederung ist der
Kern des klassischen Kanons, der
die Architektur in Europa seit der
5HQDLVVDQFHVWLOLVWLVFKEHHLQÁXVVW
hat. Sie stellt die Übersetzung
der grundlegenden alltäglichen
Funktionen der Fassade dar. Wo
Schmutz auf die Fassade gelangen
konnte, war ein schützender
Rand zur Straße erforderlich.
Wo das Dach mit der Fassade
verbunden war, war ein Überhang
erforderlich, um das Wasser von den
Fassadenöffnungen fernzuhalten. In
den aufeinanderfolgenden Stilperioden
fanden diese Ausgangspunkte ihre
eigene stilistische Übersetzung.

SOCKEL
Schon im Mittelalter und in der
Renaissance hatten die Häuser
einfache Sockel aus Naturstein
oder einen schützenden Anstrich
zum Boden. Im Barock setzte sich
diese Technik in einfachen Häusern
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

fort. In repräsentativen Gebäuden
wurde manchmal auch die komplette
Fassade des Erdgeschosses als
Sockel konzipiert. Davon zeugen
die verbliebenen Gebäude aus den
konstituierenden Zeitschichten entlang
der Friedrichstraße (Barock) und der
Vier Wälle (Klassizismus).

Höhe der Fensterbänke im ersten
Obergeschoss. Je nach Reichtum des
Bauherren wurde dieses Gesims dann
weiter durchgestaltet.

MITTELBAU
Die Fassade oberhalb des Sockels
wurde nicht unbedingt als eine große
Fläche belassen, sondern gestalterisch
gegliedert. Die Fassadenöffnungen
waren artikuliert mit umlaufenden
Faschen. Das heißt, sie waren nicht
einfach Stanzlöcher in der Fassade,
sondern deutlich als kompositorische
Elemente behandelt, mit einem
XPODXIHQGHQSURÀOLHUWHQ5DKPHQLQ
der Form einer umgekehrten U-Form,
die auf der deutlich artikulierten
Fensterbank aus Naturstein stand.

TRAUFE
Die vertikale Beendigung der Fassade
bestand aus einer mehr oder weniger
artikulierten Traufe. Darüber lag ein
Satteldach. Die einfachste Form
der Traufe, die bis heute vielfach in
der barocken und klassizistischen
Bebauung innerhalb der Vier Wälle
]XÀQGHQLVWLVWHLQHDXVNUDJHQGH
Traufe, bestehend aus Aufschiebling
XQG5HJHQULQQHPLWHLQHUÁDFKHQ
oder mit einer einfachen Zahnleiste
SURÀOLHUWHQ9HUNOHLGXQJDQGHU
Unterseite. In der Friedrichstraße und
an den Vier Wällen sind die Traufen
oft reicher ausgearbeitet in Form
von Kranzgesimsen, Friesen und
Konsolen.

Oft wurden die schweren
Fensterbänke aus Naturstein
unter den Fensteröffnungen zu
einem durchlaufenden Gesims
zusammengefasst, zumeist auf der

SYMMETRIE
Die Spiegelung architektonischer
Elemente oder der
Fassadenkomposition um eine
imaginäre vertikale Mittelachse war

in allen Stilperioden der historischen
Stadt ein Ausgangspunkt. Auch wenn
dieses Prinzip in mittelalterlichen oder
sehr einfachen Gebäuden weniger
streng umgesetzt wurde, waren
Symmetrie und Axialität nach dem
Mittelalter der Ausgangspunkt bei
der Fassadengestaltung, sowohl bei
einfachen Wohnhäusern als auch bei
besonderen Gebäuden.

Eingang, der Zusammenfügung
mehrerer Gebäude hinter einer neuen
Fassade oder einer nachträglichen
Anpassung einer bestehenden
Fassade an die Mode der Zeit.
Die Seitenwände von Gebäuden
]HLFKQHQVLFKKlXÀJQLFKWGXUFKHLQH
symmetrische Zusammensetzung
DXVREZRKOKlXÀJ7HLOV\PPHWULHQ
bestehen.

Das Prinzip galt hinsichtlich der
Hauptform und Komposition der
Fassade sowie ihrer einzelnen
Bestandteile wie Fenster, Türen
und Ornamentik. Schon vor der
Entdeckung der klassischen
Architektur im 16. Jahrhundert wurde
ein asymmetrisch platziertes Fenster
oder ein asymmetrischer Giebel als
ästhetisch unbefriedigend empfunden.
Die Tatsache, dass das
symmetrische Grundprinzip nicht
überall strikt umgesetzt wurde,
bzw. Unregelmäßigkeiten durchaus
vorkamen, ist das Ergebnis der
funktionalen Organisation der
Gebäude, z.B. mit einem seitlichen
207

2.4.3

S

Abb. 2.0_185a und b (links)
neoklassizistisches Eckhaus
am Westwall xx

Abb. 2.0_186a und b (rechts)
neoklassizistisches Eckhaus
am Südwall Ecke Lindenstraße

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR

ARCHITEKTONISCHE
GLIEDERUNG
Die klassische Dreiteilung der
Fassaden wurde vor allem bei den
repräsentativeren Bauten des Barock
und Klassizismus zusätzlich mit
tektonischen Elementen gegliedert:
aufsteigende Pilaster, oft rustiziert,
betonten Ecken und trennten
ansonsten gleichförmige Hausreihen in
Einzelhäuser.
Aufgelegte Lisenen, Architrave und
Konsolen brachten zusätzliches Relief
in die schlichten Fassaden. Sowohl
im Barock als auch im Klassizismus
wurden Risalierungen angedeutet und
mit Tympana bekrönt.
Eine Differenzierung ist zum Beispiel
bei Eckgebäuden zu sehen, um die
Hauptfassade hervorzuheben.

MEHRSCHICHTIGES RELIEF
Die Fassaden fast aller Baustile bis zur
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
besitzen ein vielschichtiges Relief,
das ihnen Tiefe und Komplexität
verleiht. Durch ein subtiles Spiel
von Licht und Schatten werden die
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

architektonischen Elemente der
Fassade, nicht nur Fenster- und
Türöffnungen, hervorgehoben. Damit
erhalten Fassaden als Ganzes sowie
einzelne Fassadenelemente zusätzlich
einen deutlich festgelegten Anfang und
eine Beendigung.
Vorder- und Seitenfassaden der
historischen Architektur sind oft reich
an Relief, aber normalerweise nicht
an Skulpturalität: große, geschlossene
und auskragende Volumen oder
Elemente wie Balkone, Loggien,
Hauseingänge oder Erkerfenster
kommen in den historischen Fassaden
im Allgemeinen nicht vor. Lediglich
bei besonderen, repräsentativen
Gebäuden wie dem Rathaus
werden sie in Form von Balkonen,
Treppenanlagen und Loggien
angewendet.
In der Gründerzeit kamen bei
Privathäusern gelegentlich Erker vor.
Diese bildeten aber kein abstraktes,
selbständiges Volumen, sondern
waren in das vielschichtige Relief der
Fassaden subtil integriert.

2.0 EINLEITUNG

Ein einschichtiges Relief, bei dem
zwischen der Vorderseite der
Fassade und dem Fensterglas nur ein
Tiefensprung besteht, kommt in der
konstituierenden Architektur nicht vor.
Die Fassaden der konstituierenden
Architektur waren nie einfach nur
Lochfassaden, sondern bildeten
ein mehrschichtiges Relief. Sockel,
Traufgesims und die Tiefe der
Fassadenöffnungen bildeten die
Grundlage, wobei die Eingänge im
Allgemeinen tiefer in der Fassade
lagen als die Fenster. Über dieser
Basis folgte die Umrandung der
Fenster und Fensterbänke, eventuell
mit durchlaufenden Gesimsen,
sowie eventuell eine darauf gelegte
architektonische Gliederung mit
Pilastern. Im Allgemeinen nahm der
Detailgrad der Fassadengliederung
bzw. Dekoration vom Erdgeschoss zu
den Obergeschossen hin ab.
Auch die Fenster und Türen
verfeinerten das Fassadenrelief. Dabei
bildeten die Fensterrahmen mit ihrer
3URÀOLHUXQJXQG6SURVVHQYHUWHLOXQJ

Ornamente innerhalb der
Fassadenöffnungen. Die oft aufwändig
gestalteten Türen betonten den
Hauseingang.
VERLAUF IN HÖHE VON UNTEN
NACH OBEN
Die Fensteröffnungen aus der Zeit
des Barock waren im Erdgeschoss
relativ groß und näherten sich dem
goldenen Schnitt an mit einem
Verhältnis von Breite zu Höhe von
1:1,62. Dabei spielte die Notwendigkeit
einer ausreichenden Lichteinstrahlung
in den Innenraum eine Rolle. Im
Klassizismus wird dieses Verhältnis
etwa 1:2, wobei die Fenster nicht
unbedingt höher, dafür aber schmaler
werden.
Das um ein paar Stufen erhöhte
Erdgeschoss hatte in der Fassade
durch den Sockel zumeist eine höhere
Geschosshöhe als das darüber
liegende Stockwerk. Die Fensterhöhe
im 1. Obergeschoss war je nach
Gebäude geringer oder blieb gleich.
Die zumeist zweigeschossig bebauten
Barockstraßen waren überwiegend

durch identische Geschosshöhen
von Gebäuden in einer Reihe
gekennzeichnet. Die repräsentativen
Eckhäuser waren dreigeschossig, und
die Fenster im 2. Obergeschoss waren
deutlich niedriger.
Dieses Schema wiederholt sich in der
klassizistischen Bebauung der Vier
Wälle. In beiden Fällen ergibt sich
ein vertikales Gesamtbild, wobei die
Barockarchitektur durch ihre breiteren
Fenster mehr oder weniger deutlich
vom geschlosseneren Klassizismus zu
unterscheiden ist.
'WEICHE' MATERIALISIERUNG
Die Verwendung von geschlämmtem
Mauerwerk und Kalkputz in
Kombination mit Naturstein verlieh
der durchaus monumentalen
Architektur einen eher weichen,
samtigen Ausdruck. Die buchstäblich
¶DXIJHSXW]WHQ·)DVVDGHQZXUGHQPLW
in mehreren Schichten aufgebürsteten
Anstrichen versehen und erhielten
dadurch eine wolkige, fast schon
textile Struktur.
208

2.4.3

S

Abb. 2.0_187a und b
Rasterfassade der ersten
Nachkriegsmoderne an der
Friedrichstraße Ecke Gartenstraße

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR

KAISER- UND
ZWISCHENKRIEGSZEIT
Die kompositorischen Grundprinzipien
der konstituierenden Zeitschichten
bildeten in der Zeit der Kaiser- und
Zwischenkriegszeit einen klaren
Bezugsrahmen. Entlang der Vier Wälle
wurde die fehlende Bebauung ergänzt
im Stil der Gründerzeit.
Hinzu kamen monumentale
öffentliche Bauten. Hier wurden die
Grundprinzipien allerdings freier
interpretiert. Eine höhere Traufhöhe
führte zum Beispiel zu einem deutlich
höheren Sockelgeschoss.
Vor allem in der Architektur der Kaufund Warenhäuser in der Innenstadt
entstanden neue Formen dekorativer
Elemente, vor allem aber neue
Konstruktionsmöglichkeiten in Stahl
und Glas. In dieser Untersuchung
werden sie als Architektur - Ikonen
gewürdigt.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

ERSTE NACHKRIEGSMODERNE
Auch die Zeit des frühen
Wiederaufbaus blieb den
Grundprinzipien der konstituierenden
Zeitschichten verplichtet. Auch hier
blieben Satteldächer die Norm,
jetzt aber oft mit bewohntem
Staffelgeschoss. Durch die
normierten Geschosshöhen gerieten
die Proportionen des klassischen
Fassadenaufbaus unter Druck.
Teilweise wurde dies mit
zweigeschossigen Sockelgeschossen
unterfangen. Ein Betonraster oder
vorgesetzte Pilaster aus Ziegelstein
sowie Balkone bildeten jetzt das Relief
der Fassadengliederung. Sockel,
Fensterbänke und -faschen wurden
mit verschiedenen Putztexturen neu
interpretiert und abstrahiert.

2.0 EINLEITUNG

KLASSISCHE - UND ZWEITE
NACHKRIEGSMODERNE
Die Architektur der Moderne stellte
einen deutlichen Bruch dar zur
Architektur der konstituierenden
Zeitschichten. Betonskelettbauten,
die eine freie Einteilung der Fassaden
und Grundrisse möglich machten,
setzten sich mit ihrer Betonung der
Horizontalen deutlich vom klassischen
Fassadenaufbau und der vertikalen
Gliederung ihrer Vorgänger ab.

Abb. 2.0_188a und b
Rasterfassade der ersten
Nachkriegsmoderne am Ostwall
Ecke Marktstraße

Die Fassaden wurden jetzt abstrakter
XQGÁDFKHU6LHZDUHQQLFKWPHKU
a priori als Kulisse des Stadtraums
entworfen, sondern wurden als
autonome Objekte frei im Stadtraum
SODW]LHUW1DFKGHU0D[LPH¶IRUP
IROORZVIXQFWLRQ·ELOGHWHQVLFKMHW]W
auch Elemente und Nutzungen von
innen nach aussen ab. Das Flachdach
verdrängte das Satteldach.

209

2.4.4

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR - SCHAUFENSTER

S

1 DAS VERGRÖSSERTE FENSTER
In der einfachsten Variante ist die
Ladenfront Teil des klassischen
Fassadenschemas. Dabei sind die
Fensteröffnungen im Erdgeschoss
vergrößert und bleiben auf einem
einfachen Sockel positioniert, so
dass die Fassade des Gebäudes
ein Ganzes bildet. Die Größe und
Gestaltung der Fensterumrandungen
können diesen Fensteröffnungen eine
größere Bedeutung verleihen. Auch
der Eingang zum Geschäft ist eine
vergrößerte Fassadenöffnung und
bleibt in das Schema der klassischen
Fassadenkomposition integriert.

Abb. 2.0_189a und b (links)
Typologie 01
vergrößerte Fenster in einem
barocken Eckhaus an der südlichen
Hochstraße

Abb. 2.0_190a und b (mitte)
7\SRORJLH+\EULG
vergrößerte, zusammengefasste Fenster,
mit tragendem Skelett aus Gusseisen
unterstützt,
in einem barocken, aufgestockten
Typenhaus an der Hochstraße

2.0 EINLEITUNG

Innerhalb der Vier Wälle können drei Grundprinzipien der Gestaltung von Ladenfronten unterschieden
werden. In allen Fällen besteht ein deutlicher Zusammenhang der Ladenfront mit den Gestaltungsprinzipien
der Gesamtfassade. Die klassische Dreiteilung von Sockel - Mittelbau - Traufe werden in der Ladenfront in
kleinerem Maßstab wiederholt. Die Beziehung zum Boden wird durch einen Sockel artikuliert. Der obere
Abschluss geschieht in Form eines Gesimses.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

SOCKELGESCHOSS BASIS
Eine formalere Variante der Ladenfront
ist die Gestaltung des Erdgeschosses
als Sockel für das Gebäudevolumen.
Dieser Sockel besteht aus Naturstein
oder Quadern aus rustiziertem
Putz und kennt eine eigene
Formensprache, die die Offenheit der
Ladenfront einerseits, und die Schwere
des Fassadenaufbaus andererseits
betonen.

Abb. 2.0_2.0_191a und b
Typologie 03
Sockelgeschoss mit großen Öffnungen in
einem neoklassizistischen Eckhaus am
Ostwall

Das Wesentliche dabei ist, dass die
Fassadenöffnungen im Erdgeschoss
Teil der besonderen Gestaltung des
geschosshohen Sockels sind. Sie
weichen als Teil des Sockels in Form
und Proportion deutlich ab von den
darüber liegenden Fensteröffnungen,
bilden aber mit der darüber liegenden
Fassade eine Gesamtkomposition.

210

2.4.4

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR - SCHAUFENSTER

S

TRAGENDES SKELETT
In der Kaiser- und Zwischenkriegszeit
entstanden erstmals Ladenfronten
als große Durchbrüche in der
Fassadenwand. Dabei wurde die
Erdgeschossfassade abgebrochen
und durch neue tragende Elemente
ersetzt. Die zumeist aufwändig
gestalteten Stützen und Pfosten aus
Stahl und Gusseisen bezogen sich
kompositorisch auf die Gestaltung der
darüber liegenden Fassadenwand.

Abb. 2.0_192a und b (links)
Typologie 03
ein tragendes Skelett aus Stützen und einem
Architrav bildet ein tiefes Relief, in das ein
niedriger Sockel und ein fein gegliedertes
Schaufenster eingesetzt wurden

Trotz ihrer Offenheit bildete die
/DGHQIDVVDGHNHLQHVZHJVHLQ¶/RFK·
in der Straßenwand. Ihre Gestaltung
bezog sich auch in dieser Variante
auf die klassische Dreiteilung der
Fassaden. Im Kleinen wurde der
Aufbau von Sockel - Mittelbau Gesims in der Ladenfront wiederholt.
Dies drückt sich in einem Sockel
unter dem Schaufenster aus,
einem zentralen Teil mit Pilastern,
Stützen und dem Abschluss mit
einem ausgeprägten Gesims und
Architrav mit Reklame oberhalb des

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Schaufensters. Trotz der großen
Fassadenöffnung stand das Volumen
des Gebäudes noch mit seitlichen
Pfeilern deutlich ablesbar auf dem
Boden.
KAISER- UND
ZWISCHENKRIEGSZEIT
Die Hauptprinzipien der vergangenen
Jahrhunderte bildeten in der Zeit
der Kaiser- und Zwischenkriegszeit
noch einen klaren Bezugsrahmen.
Hybride Kombinationen der letzten
beiden Prinzipien (Sockel und
tragendes Skelett) waren üblich,
immer ausgehend von klassischen
Prinzipien, aber unter Anwendung
neuer dekorativer Stilelemente.

2.0 EINLEITUNG

Abb. 2.0_193a
/DGHQIURQWGHU¶EHOOHpSRTXH·DQGHU
Friedrichstraße. Wegen der erhöhten Traufhöhe
des Geschäftshauses wurde das Schaufenster
visuell über zwei Stockwerke gebildet.

Abb. 2.0_193b
schematische Darstellung der nördlichen
Straßenfront der Rheinstraße zwischen
Friedrichstraße und Königstraße
in der Situation um 1920, links das
Modehaus Kaufmann

Das tragende Skelett wurde in
GLHVHU=HLWKlXÀJDOVPRQROLWKLVFKHV
Fassadenelement mit einer
klassischen dreiteiligen vertikalen
Struktur interpretiert. Höhere Traufen
des Gesamtgebäudes und das
9RUKDQGHQVHLQYRQ9HUNDXIVÁlFKHQ
im ersten Stock resultierten zuweilen
auch in einem zweistöckigen Sockel.
211

2.4.4

(;.856*581'35,1=,3,(1
DER FASSADENARCHITEKTUR - SCHAUFENSTER

2.0 EINLEITUNG

Abb. 2.0_194-198

ERSTE NACHKRIEGSMODERNE
Auch in den Ladenfronten der ersten
Nachkriegsmoderne blieben die
konstituierenden Gestaltungsprinzipien
der Ladenfronten ein Bezugsrahmen.

wurde das Prinzip des Sockels
über zwei Stockwerke hinweg
fortgesetzt, um sich proportional der
höheren Geschossigkeit des Hauses
anzupassen.

Die charakteristische Dreiteilung der
Ladenfront fand ihren Ausdruck jetzt
in hochwertig bekleideten Sockeln
und Sockelgeschossen in dekorativem
Natur- und Kunststein oder Keramik.
Die großen Schaufensteröffnungen
wurden mit feingliedrigen
)HQVWHUSURÀOHQYHUIHLQHUW
Den Abschluss bildete oft ein
auskragendendes Vordach aus
Beton, das als Einheit mit der Wand
entworfen war. In einigen Fällen,
beispielsweise in der Rheinstraße,

Die Gesamtfassade blieb als Kulisse
für den öffentlichen Raum konzipiert.
Die Gliederung der Ladenfassade
und das darin angebrachte Relief
der Erdgeschossfassade, Rhythmus,
hochwertige Materialisierung und
ein menschlicher Maßstab, boten
dem Auge des Passanten eine
angemessene Komplexität. Die
vielfältige Verwendung von Beton
erweiterte jetzt die gestalterischen
Möglichkeiten.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

VERFLACHUNG
Schon seit der Zweiten
Nachkriegsmoderne wurde die
Architektur der Ladenfassaden
zunehmend abstrahiert. Dies
resultierte in einer buchstäblichen
9HUÁDFKXQJGHV6WUD‰HQELOGHVLQ
Relief und Materialität.

EHÀQGHWXQGZLUG]XP6HOEVW]ZHFN
Die darüber liegenden Geschosse,
soweit sie noch vorhanden sind,
verschwinden jetzt hinter einer
EHUGLPHQVLRQLHUWHQ*ODVÁlFKHRGHU
schweben über einem großen Loch.
Der Bezug zwischen Haus und Straße
ist verlorengegangen.

Die internationale Architektur
der Filialisten bricht mit den
gestalterischen Grundprinzipien der
historischen Ladenfassaden. Mit
JUR‰HQ*ODVÁlFKHQRKQH6RFNHO]XU
Straße und ohne deutliche Beendigung
nach oben, aber auch ohne eine
klare Begrenzung zum Nachbarn hat
sich das Schaufenster vom Gebäude
verselbständigt, in dem es sich

212

BILD
S.142
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.160

S.173

S.182

S.195

Abb. 2.0_23
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_66, 67
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_97, 98
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_153 - 156
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_24
StAKR Obj. Nr. 5.188

Abb. 2.0_68
StAKR Obj. Nr. 3834

S.183

S.196

Abb. 2.0_25, 26, 27, 28, 29
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.174

Abb. 2.0_99, 100, 101, 102, 103
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_157-160
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_69
KÖPPEN, Ernst: Krefeld - so wie es war,
Düsseldorf 1974 (S.22)

Abb. 2.0_104
6WDGW.UHIHOG%HÁLHJXQJYRP

Abb. 2.0_161
DÖHNE, Volker

Abb. 2.0_70
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.184

S.197

Abb. 2.0_105, 106, 107, 108, 109, 110
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_162 - 168
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.185

S.198

Abb. 2.0_111, 112, 113, 114, 115, 116, 117
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_169, 170, 171
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.186

Abb. 2.0_172
StAKR Obj. Nr. 16.322

Abb. 2.0_118, 119, 120, 121, 122, 123, 124
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.204

S.187

Abb. 2.0_173
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_125, 126, 127, 128, 129
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.205

Abb. 2.0_193a
StAKR Obj. Nr. 3875

Abb. 2.0_180
.g33(1(UQVW$OWHV&UHIHOG*UDÀVFKH
und malerische Darstellungen aus fünf
Jahrhunderten, Frankfurt 1978 (S.48)

Abb. 2.0_192b, 193b
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.208

S.146
Abb. 2.0_1
Ostwall.de, Impressionen
31.05.2021

S.150

Abb. 2.0_30
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_31, 32, 34, 35, 36
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_3
MIR Architecten/ Flexus AWC
S.164
S.151

Abb. 2.0_72, 73
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_43, 44, 45, 46
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_5
MIR Architecten/ Flexus AWC
S.169
Abb. 2.0_47, 48
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_6
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_74
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_75
Stadtplanungsamt: Krefeld Stadtkern,
Denkschrift über die bauliche Entwicklung des
Gebietes zwischen den Vier Wällen, Krefeld
1959 (S.61 Abb.47)
Abb. 2.0_76, 77, 78
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.170
S.154
Abb. 2.0_7, 8
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_9
StAKR Obj. Nr. 6.185

Abb. 2.0_49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 57
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_56
Stadtplanungsamt: Krefeld Stadtkern,
Denkschrift über die bauliche Entwicklung des
Gebietes zwischen den Vier Wällen, Krefeld
1959 (S.71 Abb.57)

Abb. 2.0_10
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.176

S.188

Abb. 2.0_79, 80a, 80b, 81
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_130, 131, 132, 133
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_82
CLAßEN, Robert: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie, Stadt Krefeld, 1989 (S.212
Abb. M 4.19)

Abb. 2.0_11
StAKR Obj. Nr. 19.130
Abb. 2.0_12
StAKR Obj. Nr. 19.135

Abb. 2.0_58
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_196, 197
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_59, 60, 61
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_13
StAKR Obj. Nr. 19.112
S.172
Abb. 2.0_14, 15, 16, 17
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.159
Abb. 2.0_18, 19, 20, 21, 22
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.177

S.190

Abb. 2.0_83, 84, 85, 86
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_134 - 141
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_59
Stadt Krefeld, Stadtarchiv

Abb. 2.0_62
DH 86, 2015 (S. 149)
Abb. 2.0_63, 64
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_65
StAKR Obj. Nr. 8730

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

S.192

Abb. 2.0_65
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_142
MIR Architecten/Flexus AWC und Abbildungen
aus dem Bildbestand des Stadtarchivs Krefeld,
siehe auch Objektnummern bei den
entsprechenden Kapiteln der Analyse

Abb. 2.0_88
6WDGW.UHIHOG%HÁLHJXQJYRP
Abb. 2.0_89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.206
Abb. 2.0_59
StAKR Obj. Nr. 453

Abb. 2.0_189a
StAKR Obj. Nr. 5240
Abb. 2.0_189b
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_190a
StAKR Obj. Nr. 5250
Abb. 2.0_190b, 191a, 191b
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.211
Abb. 2.0_192a
StAKR Obj. Nr. 5251

S.212
Abb. 2.0_194, 196, 197, 198
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_195
DÖHNE, Volker

Abb. 2.0_62
DH 21, 1950, S. 102, mehrere Bildvergleiche in:
Rabeler, DH 25, 1954 (S. 278)
Abb. 2.0_182
StAKR Obj. Nr. 3863

S.178

Abb. 2.0_87
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_181
StAKR Obj. Nr. 1083

S.189

S.171
S.158

Abb. 2.0_187a, 187b, 188a, 188b
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.210

S.175
S.165

S.153

Abb. 2.0_71
StAKR Obj. Nr. 39.977

Abb. 2.0_37, 38, 39, 40, 41, 42
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_4
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.152

Abb. 2.0_185a, 185b, 186a, 186b
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.209
S.163

Abb. 2.0_2
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_184b
MIR Architecten/ Flexus AWC

S.207
Abb. 2.0_183a
GRETHE, Hans Bautätigkeit in Krefeld unter
besonderer Berücksichtigung der Zeit Friedrich
des Großen. In DH 6/1927 (S. 16, Abb. 26)

S.194
Abb. 2.0_143 - 152
MIR Architecten/ Flexus AWC

Abb. 2.0_183b
MIR Architecten/ Flexus AWC
Abb. 2.0_184a
StAKR Obj. Nr. 16

213