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Verwaltungsvorlage (01_Analyse_Teil 2)

                                    
                                        1.3

TRANSFORMATIONSSCHICHTEN
1.3.1 INDUSTRIEZEITALTER
1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD
1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT (1919 – 32)
DIE METROPOLE KREFELD

S.80

1.3.2 NS ZEIT, WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG
1.3.2.1 NS ZEIT (1933-1945)

S.104

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND NEUORDNUNG
(DIE 50ER UND 60ER JAHRE)
1.3.3 POSTINDUSTRIELLES ZEITALTER
1.3.3.1 KRITIK AM MODERNISMUS
(DIE 70ER JAHRE)

S.127

79

1.3.1 INDUSTRIEZEITALTER

!"#$%&'()#*+&*%&#*&*%,*+&$&*%-./0.'12%#*%1*2&$&$%3&#0%,42%
#*%&#*&$%+&$%5&$6,*6&*&*7%89%#20%&2%,1:.%&#*&%$./0.'#2:.&%
;1)),221*6<%=&**%=#$%2,6&*<%+,>%1*2&$&%3&#0%2:.*&44&$%
+,.#*&#40%,42%+#&%1*2&$&$%?@0&$7%
A#*&%A#4&%.,0%2#:.%1*2&$&$%B&'@:.0#60<%+#&%C&#*&%D1>&%
6&=@.$0<%2#:.%#*%A#*E&4.&#0&*%E1%5&$0#&)&*7F
Peter Behrens im Jahrbuch des Deutschen Werkbundes, 1914

80

1.3.1 KAISERREICH
.1
(1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT
CREFELD
!G&$%H9*20$1C0&1$%&#*&$%I,.*.9)2.,44&%+,$)%+1$:.,12%.9))&*<%
,42%HJ*204&$%*#:.0%.#*0&$%+&'%A$B,1&$%+&2%HK4*&$%G9'2%
E1$J:C20&.&*%E1%'J22&*7%A2%.@*60%1*&*+4#:.%5#&4%+,59*%,B<%
9B%&2%1*2%6&4#*6&*%=#$+<%1*2&$&%;$#209C$,0#&%+&2%I410&2%1*+%
+&2%L&#20&2%E164&#:.%E1%&#*&$%;$#209C$,0#&%+&2%L&4+&2%1*+%
+,'#0%=#&+&$%E1%&#*&'%=,.$&*%;+&4%E1%&$.&B&*M%E1$%D,:.07F
Georg Fuchs, Der Kaiser, die Kultur und die Kunst, Leipzig 1904

81

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Mit dem nach der Reichsgründung einsetzenden Gründerrausch
und Bauboom begann die Transformation der homogenen,
barock-klassizistischen Manufakturstadt. Neue Infrastruktur
PLW¶$VSKDOWXQG3IHUGHEDKQHQ·ZXUGHDQJHOHJWXQGGLH
ODQJVDPH8PJHVWDOWXQJGHV2VWZDOOVYRQGHU3URPHQDGH]XU
9HUNHKUVÁlFKHVHW]WHHLQ

A

B

E
C

Abb. 2.1._1
Ansichtskarte Krefeld, Rheinstraße ca.1900

archäologische Funde
Vagedesplan
Grün
Bebauung
Abriss
Stadttor
Stadtmauer
Gebäude <3 Etagen
Gebäude 3-4 Etagen
Gebäude 5-7 Etagen

D

Gebäude 8-10 Etagen

Abb. 2.1._2
Stadtgrundriss der Stadterweiterung 1871-1918
Die zahlreichen Neubauten aus der Kaiserzeit
konnten aufgrund des vorhandenen Karten- und
Archivmaterials nicht schlüssig kartiert werden.
Darum wurden hier nur diejenigen Neubauten in
der Karte dargestellt, die mit einer Veränderung
im Stadtgrundriss verbunden sind.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Gebäude >10 Etagen
Satteldach
Passage
neuer Baum
vorhandener Baum
entfernter Baum
neue Gleise
vorhandene Gleise
entfernte Gleise

F

82

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._4
Otto von Bismarck (1894)

Abb. 2.1._3
Kaiser Wilhelm I. (1884)
.DELQHWW)RWRJUDÀHYRQ:LOKHOP.XQW]HPOOHU

Abb. 2.1._6
Willhelm II (1902)
)RWRJUDÀHYRQ7KRPDV+HLQULFK9RLJW

Abb. 2.1._5
Oberbürgermeister Oehler begrüßt Kaiser
Wilhelm II. am Ostwall (1906)

POLITISCHE UND SOZIALE
KRÄFTE
¶:lKUHQGVLFKLQ:LUWVFKDIW
und Gesellschaft ein säkularer
Modernisierungsprozess vollzog,
blieb der Staat [...] von konservativen
Machteliten bestimmt, die in
wachsende Spannungen zur rasch sich
entwickelnden Industriearbeiterschaft
JHULHWHQ·1 Das öffentliche Leben
im Kaiserreich wurde von einer
überkommenen Gesellschaftsordnung
geprägt, die alles Militärische extrem
EHUEHWRQWH¶'LHDXIVWUHEHQGH6FKLFKW
des Großbürgertums konkurrierte in
ihrer Selbstdarstellung mit dem Adel,
der seine gesellschaftliche Leitfunktion
noch behaupten konnte.
Gleichzeitig aber machten
Reformbewegungen und künstlerische
Avantgarde auf sich aufmerksam,
die auf Überwindung autoritärer
Konventionen und als überkommen
angesehener Lebens- und Kunststile
DE]LHOWHQ·2

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

'$6¶%,60$5&.5(,&+·
1871 BIS 1890
Bei seiner Gründung 1871 hatte
das Deutsche Reich 41 Millionen
Einwohner. Wilhelm I. (Abb.
2.1_3), König von Preußen, wurde
Staatsoberhaupt einer konstitutionellen
Monarchie und führte ab sofort den
YHUHUEEDUHQ7LWHO¶'HXWVFKHU.DLVHU·
In den ersten Jahren bestimmte der
Reichskanzler Otto von Bismarck die
Geschicke des Reiches.
Bismarck (Abb. 2.1_4) war
der nationale Zusammenhalt
Deutschlands sehr wichtig. Zugleich
war er bestrebt, Bündnisse anderer
Großmächte gegen Deutschland zu
verhindern. Im Inneren versuchte
HULP¶.XOWXUNDPSI·GHQSROLWLVFKHQ
Katholizismus auszuschalten und
PLWGHP¶6R]LDOLVWHQJHVHW]¶GLH
aufkommende Arbeiterbewegung
zu zerschlagen. Beides mißlang.
Bismarcks Sozialgesetzgebung
hingegen - die Schaffung sozialer
Sicherungssysteme für Arbeiter
und Angestellte - gilt bis heute als

wegweisend. Seit 1883 gab es zum
Beispiel eine Krankenversicherung.
¶0HLQXQJVYHUVFKLHGHQKHLWHQ]ZLVFKHQ
Bismarck und Wilhelm II. über das
¶6R]LDOLVWHQJHVHW]·JDEHQDP0lU]
1890 schließlich den Anlass für den
erzwungenen Rücktritt des 75-jährigen
5HLFKVNDQ]OHUV>«@·3
',(¶:,/+(/0,1,6&+(b5$·
1890 BIS 1914
¶'HUMXQJHWHFKQLNEHJHLVWHUWH:LOKHOP
II. (Abb. 2.1_6) schien ungleich mehr
Verständnis für die fortschreitende
Modernisierung der industriellen
Gesellschaft zu haben [als der Junker
Bismarck]. In bewußter Abgrenzung
zu seinem als liberal geltenden Vater,
dem nach nur 99-tägiger Regentschaft
verstorbenen Friedrich III., war
Wilhelm II. aber ein entschiedener
Gegner des Parlamentarismus. Die
von Liberalen und Sozialdemokraten
geforderte Einführung einer
parlamentarischen Regierungsform
ZDUXQWHULKPQLFKWGXUFKVHW]EDU·4
¶,QQHUKDOEZHQLJHU-DKU]HKQWHZDU

[…] aus einem Verbund deutscher
Kleinstaaten ein mächtiges und
geeintes Reich emporgewachsen,
das als stärkste Militärmacht des
Kontinents von anderen Staaten mit
wachsendem Mißtrauen beobachtet
ZXUGH·5 1902 waren Kaiser und
Kaiserin zu Besuch in Krefeld und
Wilhelm II. versprach den Damen
¶/HXWQDQWV· $EEB .XU]HUKDQG
ZXUGHQGLH¶7DQ]KXVDUHQ·DXV
Düsseldorf nach Krefeld verlegt. 1905
wurde die Kaserne an der Kempener
Allee fertiggestellt. Ab 1906 war
Krefeld Garnisonsstadt.
DER 1. WELTKRIEG
¶:LOKHOP,,>KDWWH@GDVZLUWVFKDIWOLFK
prosperierende Deutsche Reich
LQ¶SHUV|QOLFKHP5HJLPHQW·DXFK
PDFKWSROLWLVFK]X¶:HOWJHOWXQJ·IKUHQ·
wollen. Einerseits war das Reich
modern und dynamisch, andererseits
beharrten die Regierenden auf
EHUNRPPHQHQ7UDGLWLRQHQXQG
ignorierten die Bedeutung der
organisierten Arbeiterbewegung.
Wirtschaftliche Stärke, Machtstreben

und Militarismus förderten im
Ausland die Angst vor einer
Bedrohung durch Deutschland.
'XUFK¶.DQRQHQERRWSROLWLN·XQG
SROLWLVFKHV8QJHVFKLFN¶PDQ|YULHUWH
sich Deutschland in eine gefährliche
DX‰HQSROLWLVFKH/DJH·6REHGXUIWH
es 1914 nur eines Funkens, um
den Weltbrand auszulösen. Für die
Krefelder Seidenindustrie bedeutete
dies einerseits Engpässe beim Import
von Rohseide mit Rationierung,
andererseits aber auch einen neuen
Absatzmarkt für die Kriegsindustrie.
¶'LHPLOLWlULVFKH1LHGHUODJH
Deutschlands 1918 besiegelte […] das
(QGHGHV.DLVHUUHLFKHV·6

83

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._8
7RSRJUDSKLVFKH.DUWH.UHIHOG
Abb. 2.1._7A
+DQGZHEHU
Abb. 2.1._7B
Maschinale Weberei

ÖKONOMIE
Bis 1914 wuchs das Kaiserreich
zum bevölkerungsreichsten Staat
in Mitteleuropa und gelangte
an die Spitze der europäischen
Industrienationen. Mit 68 Millionen
Einwohnern hatte sich Deutschland
zu einem modernen Industriestaat
entwickelt, dessen industrielle
Produktion die Großbritanniens
EDOGEHUÁJHOWHXQGNRQNXUULHUWH
PLWGHQDXIVWUHEHQGHQ86$¶'HP
starken Wirtschaftswachstum stand
ein ebenso rasanter Aufschwung
von Wissenschaft und Forschung
zur Seite. […] Bahnbrechende
Fortschritte in der Medizin, technische
Errungenschaften wie die Elektrizität
oder das Automobil und eine erhöhte
Mobilität veränderten die gewohnten
/HEHQVZHOWHQ·7 Jeder dritte Nobelpreis
für Medizin, Physik und Chemie ging
nach Deutschland. Die Lebenswelten
veränderten sich durch die Fortschritte
LQ:LVVHQVFKDIW7HFKQLNXQG0RELOLWlW
ࡏ'LH:LVVHQVFKDIWEHJDQQGLH6WHOOXQJ
der Religion und Metaphysik als
:HOWDXVGHXWHULQ]XEHUQHKPHQ·8

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

BAUBOOM UND ENDE DER
HAUSWEBEREI
Mit der rasanten Industrialisierung ging
ein Urbanisierungsprozess enormen
$XVPD‰HVHLQKHU¶'DVVFKQHOOH
Wachstum der Stadt Krefeld zwischen
1872 und 1882 um über 40000
zusätzliche Einwohner erforderte […]
die zügige Bereitstellung von neuem
:RKQUDXP'DVLFKGLH+DXVZHEHUHL
zu dieser Zeit in ihrer höchsten Blüte
befand, hieß das Schaffen neuen
Wohnraums zugleich das Einbeziehen
GHU6WHOOXQG$UEHLWVÁlFKHQIU>«@
Webstühle in den Wohnungen der
Weber. […] Das Gelände zwischen
Westwall und neuer Ringstraße
wurde im Laufe von nur anderthalb
Jahrzehnten mit etwa vierzig
+lXVHUEORFNVEHEDXW·9
Während in anderen Industriestädten
in dieser Zeit Mietskasernen gebaut
wurden, entstanden in Krefeld
ganze Straßenzüge mit Drei- oder
Vierfensterhäusern. Auf Vorrat und in
spekulativer Absicht gebaut, sollten
GLH+lXVHU¶GLHDXVGHP8PODQGLQ

die Stadt drängenden Weber und
LKUH)DPLOHQDXIQHKPHQ·10 Mit dem
(QGHGHU+DXVZHEHUHLNDP
auch der Bauboom zum Stillstand.
Die Weberwohnungen wurden
GXUFKGLH+DXVEHVLW]HUXPJHEDXW
um Fabrikarbeiter unterbringen
]XN|QQHQ¶'LH7DXVHQGHIUGHQ
großen Weberzustrom vor allem
zwischen Westwall und Ringstraße
errichteten Wohnungen mit dem
dreifenstrigen Werkstattraum
ZXUGHQGXUFK7UHQQZlQGHLQMH]ZHL
kleinere Räume unterteilt und die
ehemaligen Zweizimmer-WerkstattWeberwohnungen nun zu einer
'UHL]LPPHUZRKQXQJ·11¶,QGHQ-DKUHQ
ZXUGHQJDQ]H+lXVHU]X
ZDKUHQ¶)UHLORJLV·>@·12
¶,Q>@.RQWUDVWGD]XVWDQGHQGLH
Prachtbauten und die luxuriöse
Repräsentation erfolgreicher
Unternehmer und Bankiers, die auch
SROLWLVFKDQ(LQÁXVVJHZDQQHQ·13
'LH¶.UHIHOGHU%DXXQWHUQHKPHU>«@
gingen dazu mit ihren Projekten über
die damaligen engen Stadtgrenzen

hinaus. Sie errichteten, teils spekulativ,
teils auf Bestellung, auf Bockumer
Gebiet ansehnliche Wohnhäuser und
prächtige Villen. […] jeder dorthin
ziehende gute Steuerzahler hinterliess
LP6WDGWEXGJHWHLQH/FNH·14 Krefeld
konnte das Steuerproblem zwar 1907
mit der Eingemeindung von Bockum
lösen, aber die räumliche Entmischung
der Bevölkerungsschichten wurde
weder als Problem erkannt noch
gestoppt.
In den frühen Gründerzeitjahren
waren auch die Krefelder
Verleger gezwungen, sich mit
der maschinellen Produktion von
7H[WLOLHQ]XEHVFKlIWLJHQGLH
Seidenhandweberei (Abb. 2.1_7a
und b) konnte nicht mehr gegen
die aufkommenden Webmaschinen
konkurrieren. Um die Krisenanfälligkeit
der Seidenindustrie durch die
schnelleren Wechsel der Moden,
aber auch Importschwierigkeiten
und Rationalisierung von Rohseide
besser auffangen zu können,
schlossen Betriebe sich zusammen

und begannen langsam, ihre
Prozesse zu bündeln.15 So entstanden
auch in Krefeld, der Stadt des
Meisterhandwerks, größere Fabriken.
Gab es 1880 noch 200 Seidenbetriebe,
von denen nur 3 Großbetriebe mit über
1000 Mitarbeitern, so waren es 1910
nur noch etwa 100 Firmen.
Die veränderte wirtschaftliche
Ausrichtung der Stadt erforderte
einen Zugang zum Rhein und drängte
auf die Anlage eines Rheinhafens.
Das Städtchen Linn hatte den
Rheinzugang. Es wurde 1901
eingemeindet. 1903 konnte mit dem
%DXGHV+DIHQVEHJRQQHQZHUGHQIU
GHVVHQ3ODQXQJGHU,QJHQLHXU+XEHUW
+HQWULFKYRQGHU6WDGWDQJHZRUEHQ
worden war. Bald ließen sich beim
.UHIHOGHU+DIHQ%HWULHEHYLHOHU
Industriezweige nieder.

84

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._9
*HVFKlIWVKDXVDQGHU+RFKVWUD‰H
mit vergrößerten Fenstern im Erdgeschoss

Abb. 2.1._10
*HVFKlIWVKDXVDQGHU+RFKVWUD‰H
Aufstockung eines Friderizianischen
7\SHQKDXVHV

Abb. 2.1._11
*HVFKlIWVKlXVHUDQGHU+RFKVWUD‰H
Schaufenster als tragendes Skelett

Abb. 2.1._12
:DUHQKDXV7LHW]DQGHU)ULHGULFKVWUD‰H
Ecke Sankt-Anton-Straße

KOMMUNALE
VERSORGUNGSBETRIEBE
1873 wurde Krefeld kreisfreie Stadt.
In den Jahren darauf entstanden die
städtischen Versorgungsbetriebe (u.a.
Wasserversorgung und Kanalisation
7HOHJUDSKHQDPW
Pferdebahn 1883), aber auch Schulen,
Markthalle und Museum.

·$XVGHQNOHLQHQRIWQXUDXV
wenigen Personen bestehenden
Stadtverwaltungen […] entwickelten
sich […] bis zum Ersten Weltkrieg
moderne Leistungsverwaltungen
mit allen notwendigen Betrieben der
'DVHLQVYRUVRUJH·17 Vor allem die
Armenversorgung wurde dabei eine
immer dringendere Frage.

¶'LHVFKQHOOHUlXPOLFKH
Ausdehnung und das immense
Bevölkerungswachstum der Städte,
gepaart mit den Folgen der immer
schneller um sich greifenden
Industrialisierung, schufen soziale,
hygienische und gesundheitliche
Probleme, die es […] für die
Stadtverwaltungen zu lösen galt. In
dieser Zeit entstanden kommunale
Versorgungssysteme, wirtschaftliche
Infrastruktureinrichtungen, die großen
Einrichtungen des GesundheitsXQG+\JLHQHZHVHQVGLHVR]LDOHQ
Einrichtungen sowie die Bildungs- und
.XOWXULQVWLWXWH·16 Finanziert wurde dies
durch Anleihen und indirekte Steuern.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

ELBERFELDER SYSTEM 18
Die Gemeinde Elberfeld
entwickelte um 1850 ein
6\VWHP]XU$UPHQSÁHJHGDV
EDOGYRUELOGOLFKZXUGH(LQ
HKUHQDPWOLFKHU$UPHQSÁHJHUEHL
GHP+LOIVEHGUIWLJH$QWUlJHDXI
8QWHUVWW]XQJVWHOOHQNRQQWHQ
EHWUHXWHHLQ6WDGWTXDUWLHU
'DV6\VWHPEHUXKWHDXIGHU
EHUVFKDXEDUHQ*U|‰HXQGGHU
VR]LDOHQ0LVFKXQJGHU%HZRKQHU
LQHLQHP4XDUWLHULQGHPMHGHU
MHGHQNDQQWH (OEHUIHOGKDWWH
HUVW(LQZRKQHUGLHLQ
6WDGWTXDUWLHUHQZRKQWHQHLQ
$UPHQSÁHJHUEHWUHXWHDOVR
3HUVRQHQLQHLQHUYHUWUDXHQVYROOHQ
%H]LHKXQJ 'DV0RGHOOZDUVHKU
HUIROJUHLFKPLWVHLQHU+LOIH]XU
6HOEVWKLOIH(VZXUGHDXFKLQ
.UHIHOGLQDEJHlQGHUWHU)RUP
EHUQRPPHQ0LWGHUHLQVHW]HQGHQ
,QGXVWULDOLVLHUXQJGHUUlXPOLFKHQ
7UHQQXQJVR]LDOHU6FKLFKWHQXQG
GHUVWDUNZDFKVHQGHQ%HY|ONHUXQJ
ZDUGDV6\VWHPDEHUQLFKWPHKU
ZLUNVDP

EINZELHANDEL
'LH+lXVHUKDWWHQ]XPHLVWNHLQH
eigenen Gärten und so waren die
Stadtbewohner in ihrer Versorgung
mit Lebensmitteln auf kleine Läden
im Viertel und Märkte angewiesen.
Die Wochenmärkte fanden zweimal
wöchentlich unter anderem auf
dem Karlsplatz, nach dem Bau des
Museums 1894 auf Westwall statt.19
1895 kam ein Kolonialwarengeschäft
auf 35 Familien und eine
Schneiderwerkstatt auf 373 Familien.
Um die Jahrhundertwende
HU|IIQHWHQDXIGHU+RFKVWUD‰H
das Konfektionsgeschäft J. Lion,
VRZLH+HWWODJHXQG*HEU6LQQ
auf der Neusser Straße. Es waren
Filialen auswärtiger Unternehmen.
Damit begann das Ende des
0HLVWHUKDQGZHUNV¶)DVW]HLWJOHLFK
mit den Schneidern gaben die
7XFKKlQGOHUDXI·20 Das neue
:DUHQKDXV7LHW] $EEB DQGHU
Friedrichstraße Ecke Sankt-AntonStraße sollte Kunden auch aus dem
ZHLWHUHQ8PODQGDQORFNHQ¶'HU

große und spezialisierte Einzelhandel
konzentrierte sich in Krefeld auf
+RFKVWUD‰H1HX‰HU6WUDVVHXQGHLQHQ
7HLOYRQ)ULHGULFKXQG5KHLQVWUD‰H·21
Die kleinen Werkstätten in den
Nebenstraßen hingegen konnten sich
schwer halten.

KULTUR
Mit der Erstarkung des Bürgertums
entstand eine Erneuerung in der
Kultur. Friedrich Deneken, der erste
Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums
für Kunst und Gewerbe zeigte die
neue, ganzheitliche Sichtweise von
Kunst und Lebenswelt. Er baute
eine Sammlung zeitgenössischer
Kunst auf, bemühte sich um die
Zusammenarbeit mit Künstlern,
Entwerfern und Architekten. Die Zeit
brachte neue Formen hervor, wie
das Art Nouveau und den Jugendstil.
Künstler beschäftigten sich mit
QHXHQ)RUPHQIU.OHLGHU7DQ]
Gebrauchsgegenstände, Architektur.

85

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._14
8PEDXGHV&DIp&RUQHOLXVDQGHU5KHLQVWUD‰H
Ecke Königstraße, 1907

L

STADTSTRUKTUR
In der Kaiserzeit begann die
7UDQVIRUPDWLRQGHUKRPRJHQHQ
barock-klassizistischen Stadtanlage.
Dies geschah durch neue Infrastruktur,
die Schaffung neuen öffentlichen
Raums, vor allem aber durch
unkontrolliertes und spekulatives
Bauen. Mit der Einführung des
preußischen Fluchtliniengesetzes
1875 wandelte sich das Stadtbild an
manchen Stellen deutlich. Jetzt wurden
QXUQRFKGLH%DXÁXFKWHQDQJHJHEHQ
DEHUQLFKWGLH7UDXIK|KHQJHVFKZHLJH
denn Vorschriften zur Gestaltung von
Fassaden gemacht (Abb. 2.1_14 und
15). Dementsprechend wurden die
Parzellen nun maximal bebaut, und oft
PHKUHUH+DXVSOlW]H]XVDPPHQJHIJW
+LQWHUGHQUHLFKHQ)DVVDGHQ
entstanden vor allem im Stadtzentrum
GXQNOH+LQWHUK|IH
Maßstab und Dichte der Bebauung
veränderten sich vor allem im
6WDGWNHUQHQWODQJGHU+RFKVWUD‰HXQG
an der Rheinstraße, wo sich der neue
(LQ]HOKDQGHONRQ]HQWULHUWH+LVWRULVFKH

Abb. 2.1._16
Rheinstraße mit der charakteristischen
(FNEHEDXXQJ]XU+RFKXQG)ULHGULFKVWUD‰HXP
1920

Abb. 2.1._15
Neues Geschäftshaus Schnorbus
DP6FKZDQHQPDUNW(FNH(YHUWVVWUD‰H

Abb. 2.1._17
Neubau des Geschäftshauses Ziellenbach an
GHU)ULHGULFKVWUD‰H(FNH6DQNW$QWRQ6WUD‰H
Wegen der Umlegung der Straßenbahnschienen
ZXUGHGLH+DXVHFNHDEJHUXQGHW

Postkarten zeigen neue, prachtvolle
Geschäftshäuser mit repräsentativen
Natursteinfassaden, von denen
einige bis heute erhalten geblieben
sind. Die bemerkenswerteste
7UDQVIRUPDWLRQLQGHU6WDGWWUXNWXULVW
das Verschwinden der beiden an der
Rheinstraße gelegenen Eckbauten, die
HLQH7RUVLWXDWLRQ]XU)ULHGULFKVWUD‰H
bildeten. Mit dem Bau des Kaufhauses
Stern & Co und des Kaiser
Panoramas, beide mit abgerundeten
Straßenecken, wurde eine neue,
dynamische Geste geschaffen in
Richtung der Dionysiuskirche. Die
+LHUDUFKLH]ZLVFKHQ)ULHGULFKVWUD‰H
und Rheinstraße wurde damit
zugunsten der Rheinstraße geändert.
Die charakteristische Ecksituation
ZXUGHHLQHVGHUPHLVWIRWRJUDÀHUWHQ
Motive in der Innenstadt (Abb.2.1_16).
Während der Kaiserzeit wurden
JUR‰H*UQÁlFKHQ]XU(UKROXQJ
der Menschen gestaltet. Aus dieser
Zeit stammen die ältesten Krefelder
Parks. Zusammenhängende
Naherholungsgebiete wurden

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

erschlossen, wie beispielhaft am
+OVHU%HUJ,QGHU,QQHQVWDGW
entstanden neue Plätze (s.u.) und
wurden neue Straßenbäume auf der
&DUO:LOKHOP6WUD‰HJHSÁDQ]W
INFRASTRUKTUR
1883 wurde mit dem Bau der
3IHUGHEDKQQDFK8HUGLQJHQ+OV
und Fischeln und vom Bahnhof bis
zur Scheiblerschen Fabrik begonnen.
¶1DFKVHW]WHGLHODQJVDPH
Umgestaltung des Ostwalls von der
3URPHQDGH]XU9HUNHKUVÁlFKHHLQ
[...]. Dieser Prozess begann mit der
(OHNWULÀ]LHUXQJXQGGHU9HUOHJXQJGHU
6WUD‰HQEDKQJOHLVHYRQGHU+RFKVWUD‰H
auf den östlichen Fahrdamm im
Jahre 1900. Zudem befuhr die aus
Düsseldorf kommende [Straßenbahn,
die bezeichnenderweise] K-Bahn [und
nicht D-Bahn genannt wurde,] seit
GHQ2VWZDOO·22

Schienen der Straßenbahn aus St.
7|QLV'DPLWZXUGHGLHVWUHQJH
Achse der Friedrichstraße auch hier
aufgebrochen (Abb. 2.1_17 und 18).

Abb. 2.1._19
Pferdebahn, um 1896

Abb. 2.1._18
Anlage der neuen Straßenbahnschienen an der
)ULHGULFKVWUD‰H(FNH6DQNW$QWRQ6WUD‰H

(LQ1HXEDX6DQNW$QWRQ6WUD‰H
Ecke Friedrichstraße (Abb.
2.1_17 und 18) machte mit seiner
abgerundeten Ecke Platz für die
86

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._20
Impression des Ostwalls nach der
Stadterweiterung 1871-1918

GESTALTUNG OSTWALL
Ab 1900 änderte sich der Ostwall
von einer ruhigen Wohn- zu einer
Geschäftsstraße. Statt kleiner
+DQGZHUNVEHWULHEHGRPLQLHUWHDE
GHUQHXH(LQ]HOKDQGHO¶'LH
Einzelhändler versuchten nunmehr
massiv auf die weitere Gestaltung
>GHV2VWZDOOV@(LQÁX‰]XQHKPHQ
So forderten sie zunächst eine […]
Ausdünnung der Grünanlagen, um
die Sicht auf die Schaufenster zu
YHUEHVVHUQ·23 (Abb. 2.1_27) Die
Straßenfassaden blieben hier jedoch
LP9HUJOHLFK]XU+RFK5KHLQXQG
Friedrichstraße eher unaufgeregt.

Abb. 2.1._21
Grundriss der Anlage der Vier Wälle nach der
Stadterweiterung 1871-1918

Abb. 2.1._22
6FKHPDWLVFKH'DUVWHOOXQJGHV3URÀOV

'XUFKGDVQHXH6WUD‰HQSURÀOXQG
die verkehrsbedingten Änderungen
hatte der ursprüngliche Ostwall ein
völlig neues Gesicht bekommen. Den
Straßenbahnschienen wurden ganze
Baumreihen geopfert. Mit ihnen ging
die französische Strenge des Ostwalls
verloren. Die Fahrbahnen wurden
auf Kosten der öffentlichen Anlage
verbreitert.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

87

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._24
+RWHO&UHIHOGHU+RI

Abb. 2.1._25 & 26
Freilegung der Fläche vor dem
+RWHO&UHIHOGHU+RIVSlWHU3DUNKRISODW]
Abb. 2.1._23a und b (links und Mitte oben)
+RFKVWUD‰HPLWGHP
+RWHO¶=XPZLOGHQ0DQQ·
und mit dem neuen Sporthaus Gerke um 1910

M
Abb. 2.1._1 (links)
Rheinstraße mit dem neuen
7XUPGHU'LRQ\VLXVNLUFKHXQGGHPQHXHQ
Eckhaus an der Königstraße, 1896

Abb. 2.1._27
Ostwall - Gartenanlage um 1900

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

RÄUMLICHER AUFBAU
'LH+DUPRQLHGHUEDURFN
klassizistischen Stadtanlage wurde
mit dem ungeregelten Bauboom
aufgebrochen. Innerhalb weniger
Jahre wurden viele zwei- bis
GUHLJHVFKRVVLJH7UDXIHQKlXVHU
ersetzt durch eine neue Bebauung,
die sich im Maßstab deutlich von der
historischen Bebauung unterschied. Im
mittelalterlichen Stadtkern erschienen
wieder Giebel und eine Vielfalt von
Dachformen, diesmal allerdings in
einer ganz anderen Architektursprache
(Abb. 2.1_23). Vor allem in der
Friedrich- und Rheinstraße entstanden
Brüche (Abb. 2.1_1).
Außerhalb des neuen
Einzelhandelszentrums, vor allem
an den Vier Wällen, wurde die
Bebauung erst jetzt vollendet
und blieb durch die Verwendung
gleicher Materialien und durch die
Kleinteiligkeit und Verfeinerung der
Fassaden der Zusammenhang mit der
konstituierenden Bebauung erhalten
(Abb. 2.1_37).

NEUER ÖFFENTLICHER RAUM
(A) FREILEGUNG EINES PLATZES
VOR DEM GRAND HOTEL
CREFELDER HOF
1DFKGHP%DXGHV*UDQG+RWHO
.UHIHOGHU+RI $EEB DQGHU
6GVHLWHGHU6DQNW$QWRQ6WUD‰H
(FNH2VWZDOOZDUGHU:XQVFK
nach einem neuen Standort für das
7KHDWHUHQWVWDQGHQ$OVREHJDQQPDQ
GDPLWDOOH+lXVHUDXIGHU)OlFKH
zwischen Sankt-Anton-, Loh- und
Carl-Wilhelm-Straße sowie Ostwall
ZLHGHUDE]XUHL‰HQ¶'RFKGHU
preisgekrönte Wettbewerbsentwurf
mit dem Namen Athenaeum des
*HKHLPHQ+RIUDWV3URI'U0DUWLQ
Dülfer aus Dresden wurde auf dem
IUHLJHUlXPWHQ3ODW]QLHUHDOLVLHUW¶'DV
ODJDQGHU+\SHULQÁDWLRQ'LH,GHH
ZXUGHYHUZRUIHQ·24
(B) NEUGESTALTUNG
DIONYSIUSPLATZ
Mit der Vergrößerung der
Dionysiuskirche wurde auch das
Umfeld neu gestaltet. Nördlich

der Kirche wurde ein Baublock
zurückgebaut, um mehr Raum am
Nordportal zu erhalten. Die Mittelinsel
des Dionysiusplatzes wurde mit einem
Kreuz und Andreaskreuz als Fußwege
neu gestaltet und mit Bäumen in einer
U-Form, deren Mittelachse auf die
Platzform bezogen wurde und nicht auf
das Südportal der Kirche.
(C) FREILEGUNG
EVANGELISCHER-KIRCH-PLATZ
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts
entstand durch den Abriss des
Schulhauses eine freigelegte
Fläche vor dem Nordportal der Alten
Kirche. Sie entsprach der in der
Gründerzeit aufkommenden Idee,
jedem öffentlichen Gebäude bzw.
historischem Baudenkmal müsse
HLQH$EVWDQGVE]Z)UHLÁlFKH
vorgelagert werden, um es in seiner
Größe repräsentativ herauszustellen.
'LHXUVSUQJOLFKYRQ+lXVHUQGLFKW
umstandene Kirche hatte städtebaulich
GXUFKLKUHEHUUDJHQGH+|KHJHZLUNW
jetzt wurde das Nordportal durch
VHLQH¶)UHLOHJXQJ·YRP0DUNWSODW]
88

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._30&31 (oben)
7UDQVIRUPDWLRQGXUFK9HUEUHLWHUXQJGHU*DVVH
und Anlage des Evangelischer-Kirch-Platz als
XPVFKORVVHQH)UHLÁlFKHYRUGHP1RUGSRUWDOGHU
Alten Kirche

Abb. 2.1._29 (links)
Schwanenmarkt mit Blick durch die verkürzte
Gasse zum Nordportal der Alten Kirche

Abb. 2.1._32 (rechts)
Kaiser Wilhelm Museum, Eingangsbereich mit
7UHSSHQDXIJDQJ

Abb. 2.1._28 (oben)
Dionysiusplatz 1914

Abb. 2.1._37&38 (mitte)
7UDQVIRUPDWLRQGHV'LRQ\VLXVSODW]HVGXUFK
Korrektur der Blockrandbebauung

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

aus am Ende der etwas verkürzten
Gasse sichtbar. Im Katasterplan von
1933 trägt der neue Vorplatz den
1DPHQ¶(YDQJHOLVFKHU.LUFKSODW]·'LH
UlXPOLFKH7UHQQXQJ]ZLVFKHQ.LUFKH
und Marktplatz durch die schmale
Gasse blieb in verkürzter Form
erhalten (Abb. 2.1_29).
(D) DIE AUFHEBUNG DES
KARLSPLATZES DURCH DEN
MUSEUMSBAU
'HU.UHIHOGHU$UFKLWHNW+XJR.RFK
hatte bereits 1880 angeregt, ein
Museum für angewandte Kunst zu
errichten. Der Standort auf dem
Marktplatz wurde gegen den Willen
vor allem vieler katholischer Bürger
beschlossen. Den Katholiken war der
3ODW]ZHJHQGHUGRUWVWDWWÀQGHQGHQ
Fronleichnamsprozession und der
.LUPHVZLFKWLJ¶'HU.DUOVSODW]
existierte bis 1894. Dann wurde er mit
dem Kaiser Wilhelm Museum (Abb.
2.1_33) in den Jahren 1894 bis 1897
zugebaut, nach dessen Erweiterung
1910 bis 1912 existiert er praktisch
QLFKWPHKU>«@·25 Der Markt wurde

1894 vom Karlsplatz auf den Westwall
verlegt, wodurch auch hier Bäume
fallen mussten.

Abb. 2.1._33
Kaiser Wilhelm Museum 1899

Abb. 2.1._34&35
7UDQVIRUPDWLRQE]Z$XIKHEXQJGHV.DUOVSODW]HV
durch den Museumsbau

89

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._38
2VWZDOO(FNH&DUO:LOKHOP6WUD‰HXP

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES
WOHNUNGSBAU
Wegen der besonderen
$UEHLWVEHGLQJXQJHQGHU+DXVZHEHUHL
waren in Krefeld vor allem Drei- und
Vierfensterhäuser entstanden, aber
NHLQH0LHWVNDVHUQHQ1HXH+lXVHU
waren zumeist drei- manchmal auch
viergeschossig und hatten noch
immer das herkömmliche Satteldach.
Die Fassaden wurden jetzt reicher
dekoriert, fügten sich aber in das
Stadtbild (Abb. 2.1_38).

Abb. 2.1._39
Friedrichstraße mit Markthalle, dahinter das
Modehaus Gebr. Kaufmann an der Ecke zur
Rheinstraße

Abb. 2.1._43 (unten)
Fassade Südwall 4

ARCHITEKTUR
Bisher waren entlang der Vier Wälle
vor allem Wohnhäuser im Stil des
Neoklassizismus gebaut worden. Jetzt
NDPHQDXFK)RUPHQGHU7XGRUJRWLN
XQGGHU.|OQHU1HXJRWLNKLQ]X¶0LW
der Gründerzeit gewann auch die
Neurenaissance Bedeutung und ab
GHU-XJHQGVWLO·26

Abb. 2.1._41 (rechts)
Anlagen am Bahnhof: das Empfangsgebäude
UHIHULHUWDQKLVWRULVFKH%DXVWLOHGLH+DOOH
dahinter ist ein reiner Ingenieurbau
Abb. 2.1._42 (unten)
Markthalle an der Friedrichstraße um 1920

historisierender Formen und Zitate
verschiedenster Baustile.

Öffentliche oder monumentale
Gebäude gab es bis auf die Kirchen,
den Bahnhof und das Rathaus kaum
in der Stadt. Jetzt entstand eine
Flut neuer öffentlicher Gebäude,
XQGPLWLKQHQQHXH7\SRORJLHQXQG
Ausdrucksformen.

Der Bau des neuen Kaiser Wilhelm
Museums erfolgte nach dem
Entwurf des Krefelder Architekten
+XJR.RFKGHUGDV3URMHNW
angeregt hatte, und 1893 auch den
Architektenwettbewerb gewann. Der
Entwurf zitiert die Formensprache
der italienischen Renaissance. Das
JHZDOWLJH7UHSSHQKDXV]LHUWHHLQ
Kaiserdenkmal des Bildhauers Gustav
Eberlein (Abb. 2.1_32). Das Museum
wurde 1897 eröffnet, der Anbau HEHQIDOOVQDFK3OlQHQYRQ+XJR.RFK
- folgte 1912.28

ÖFFENTLICHE GEBÄUDE
Bei Kirchenbauten hielt man am
neogotischen oder neoromanischen
Stil fest. 1874 wurde die
Friedenskirche eingeweiht. Der
Name war gewählt zur Erinnerung an
den Friedensschluss mit Frankreich
und das Ende der innerdeutschen
.RQÁLNWH27 Die Architektur öffentlicher
nichtsakraler Gebäude bediente sich

1890 wurde der klassizistische
Prachtbau der städtischen
Badeanstalten an der Neusser Straße
eröffnet. 1892 folgte der Anbau des
Rathauses mit einem Flügel im Stil der
Neorenaissance. Das
1894 fertig gestellte kaiserliche
Postamt am Ostwall folgte nach einem
Entwurf des Architekten Paul Sell dem
Stil der Neorenaissance.

Q>4$."9&2%99.@,Wa,6a</
KULTURHISTORISCHE
STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.1._40 (oben)
Das zweite Bahnhofsgebäude (1903)
XQGGDV+DXSW]ROODPW 

ZXUGHGDV
Kammergebäude am Nordwall
nach einem Wettbewerbsentwurf
der Architekten Girmes und
Oediger errichtet. Es entstand
ein sandsteinverkleideter
zweigeschossiger Bau mit
reichgeschmückten Giebeln in einer
¶PRGHUQLVLHUWHQ·*RWLN29
'HU$UFKLWHNW+XJR.RFKSODQWHDXFK
die Reichsbank am Friedrichsplatz,
diesmal in einer Art Renaissancestil
mit maurischen Elementen. Es
folgten die Kunstgewerbeschule, eine
Stadthalle, die Markthalle (1899),
(Abb. 2.1_42), und ein städtisches
Konservatorium (1906).
1904-06 entstand der Bau der
'HXWVFKHQ%DQNYRQ+HUPDQQ6WLOOHU
'DV*UDQG+RWHO&UHIHOGHU+RI
HUULFKWHWZDUQRFKGHP
(NOHNWL]LVPXVYHUSÁLFKWHW

90

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._46 (rechts)
Kaiser-Panorama und Kaffeehaus,
5KHLQVWUD‰H(FNH)ULHGULFKVWUD‰H
(nord-westliche Ecke)

Abb. 2.1._44
.DXIKDXV¶6LQQ·DQGHU1HXVVHU6WUD‰HU

ABB. 2.1._66

Abb. 2.1._45
Blick von Süden auf den Neumarkt

Das 1907 nach einem Entwurf von
&DUO0RULW]HUULFKWHWH+DQVDKDXV
zeigte schon Zeichen einer neuen
Formensprache. Zusammen mit
dem neuen Bahnhofsgebäude
PLWHLQHP7XUPLQGHU$FKVHGHV
2VWZDOOVXQGGHP+DXSW]ROODPW
ebenfalls von 1907, entstand ein
elegantes Jugendstilensemble.
Die Stahlkonstruktion der neuen
Gleisüberdachung war hingegen
schon reiner Ingenieurbau (Abb.
2.1_41). Auch die Stahlkonstruktion
der Markthalle (1899) demonstrierte
eindrucksvoll die Möglichkeiten von
6WDKOXQG*ODV¶>«@0DWHULDOLHQZLH
Eisen, Glas und später Beton [wurden]
immer beliebter und besser nutzbar.
Neue Bautechniken setzten sich durch:
Stahlguss, Eisenskelettbau, große
*ODVUDVWHUÁlFKHQXQGYRUJHIHUWLJWH
Bauelemente. Sie brachten neue
konstruktive und gestalterische
[Möglichkeiten] mit sich. Wurden
GLHQHXHQ7HFKQLNHQ]XHUVWLP
konstruktiven Ingenieurbau eingesetzt,
so verwendete man sie bald auch im
*HElXGHEDX·30

Die Entwicklung neuer
architektonischer Formen manifestierte
sich vor allem in den neuen
Kaufhäusern in der Innenstadt.
+LHUIDQGGHUPRQXPHQWDOH
Klassizismus im Stil des Art Deco
neuen Ausdruck. Besondere Vertreter
GLHVHUQHXHQ7\SRORJLHZDUHQGLH
Manufakturenhandlung Kaufmann
1901 (Abb. 2.1_47) und das Sinn+DXVDQGHU1HXVVHU6WUD‰H
beide von Otto Engler (Abb. 2.1_44).
%HLGH+lXVHUKDWWHQVSHNWDNXOlUH
Fassaden aus Glas, Eisen und Beton,
die den modernen Warenhäusern der
Zeit in Berlin nicht nachstanden. 1904
ZXUGHGDV:DUHQKDXV7LHW]DQGHU
)ULHGULFKVWUD‰H(FNH6DQNW$QWRQ
Straße errichtet.
Es folgten das Modehaus Dhein am
Schwanenmarkt von Prof. Wilhelm
Kreis 1913-15, das Modehaus Lion
gegenüber von Girmes & Oediger
GDV6FKXKKDXV+LUVFKDP
Neumarkt nach einem Entwurf von
Robert Stern 1913-14 (Abb. 2.1_45)
sowie sein architektonisches Pendant

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

J. Stern & Co. 1912 von Girmes &
Oediger und das gegenüberliegende
Kaiser-Panorama (Abb. 2.1_46)
an der Kreuzung Rheinstraße
zur Friedrichstraße. Sie brachten
großstädtisches Flair in die Innenstadt
und überformten die barocke
Friedrichstraße komplett.

Abb. 2.1._48
Modehaus Gebr. Kaufmann, Rheinstraße Ecke
Friedrichstraße (nord-östliche Ecke)

Schaufenster wurden aufwändig
gestaltet und sollten neue Kunden
locken. Ein besonders auffälliges
Exemplar in Stahl und gebogenem
*ODVZXUGHDQGHU+RFKVWUD‰H(FNH
Evangelische-Kirch-Straße für das
Sporthaus Gerke geschaffen (Abb.
2.2_36).
Auch der eigenwillige Architekt Karl
Buschhüter realisierte mehrere
Wohn- und Geschäftshäuser in der
Innenstadt. Das heute noch erhaltene
DQGHQ:HVWZDOOYHUVHW]WH +DXVDQ
der Sankt-Anton-Straße 91 zeugt von
architektonischer Experimentierfreude
mit den neuen Baumaterialien und
Konstruktionsmöglichkeiten (Abb.
2.1_47).

Abb. 2.1._47
Wohnhaus Sankt-Anton-Straße
(heute versetzt an den Westwall)
Architekt: Karl Buschhüter

91

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

Abb. 2.1._50
Denkmal für Generalfeldmarschall
+HOPXWK*UDIYRQ0ROWNHDP2VWZDOO

Abb. 2.1._49
Germania Standbild am Friedrichsplatz (1989)

SONSTIGE OBJEKTE
Das Germania Denkmal auf dem
)ULHGULFKVSODW]HLQ:HUNYRQ+HLQULFK
Walger, wurde am 19. Juli 1875
eingeweiht. Die siegreiche, wehrhafte
Germania stand als Allegorie für
ein starkes deutsches Reich (Abb.
2.1_49).
Der Verschönerungsverein errichtete
auf dem Ostwall weitere Denkmäler,
zur Erinnerung an den Komponisten
Carl Wilhelm (Bronze Büste von
+HLQULFK:DOJHU2ULJLQDOLP.:0
 DQGHQ)HOGKHUUQ+HOPXWK
von Moltke (Wilhelm Albermann
24.04.1897) (Abb. 2.1_50) und an
den Krefelder Sozialpolitiker Ludwig
Friedrich Seyffardt (Gustav Rutz 1905).
Für den 1. Weltkrieg wurden viele
dieser Denkmäler eingeschmolzen.

1883 erhielt die Fa. Busch du Fallois
die Genehmigung, um nach Berliner
Muster in der inneren Stadt 20
Litfaßsäulen aufstellen zu dürfen. Es
kamen auch die Straßenbeleuchtung
und Kioske wie in Berlin oder Paris
hinzu.
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

DER EISERNE GEORG
Auf dem Ostwall wurde am 31.10.1915
der Eiserne Georg, ein drei Meter
hohes Standbild aus Eichenholz, zwischen Rheinstraße und Sankt-AntonStraße in einem eigens dazu erbauten
7HPSHODXIJHVWHOOW $EEB ¶'HU
+HLOLJHVROOWH'HXWVFKODQGYHUN|USHUQ
während die einzelnen Köpfe des Drachen die Feinde des Vaterlandes darstellen sollten, nämlich Italien, Serbien,
Belgien, Frankreich, Russland und
(QJODQG·31¶=LHOGLHVHU$NWLRQZDUGDV
Sammeln von Spenden für die Witwen
und Waisen gefallener Krefelder Soldaten. So konnte man entweder Nägel
in verschiedenen Größen zu verschiedenen Preisen kaufen und diese in den
Körper des Eisernen Georgs schlagen
oder gegen eine Spende gravierte Metallschilder mit seinem Namen an bestimmten Positionen des Standbildes
DQEULQJHQ·32 Das Standbild steht heute
in der Ehrenhalle von Burg Linn.

Abb. 2.1._51
7HPSHODXIGHP2VWZDOO
PLWGHP¶(LVHUQHQ*HRUJ· 

Abb. 2.1._52
(LQZHLKXQJVIHLHUGHV¶(LVHUQHQ*HRUJ· 

ÖFFENTLICHE TOILETTEN
Vermutlich stammen die unterirdischen
7RLOHWWHQDQODJHQDXIGHP:HVWXQG
Südwall aus dieser Zeit.
92

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

TEXT
1
'857+:HUQHU'HXWVFKH$UFKLWHNWHQ
Braunschweig 1986 (S. 37)

'857+:HUQHU'HXWVFKH$UFKLWHNWHQ
Braunschweig 1986 (S. 37)
2

6&5,%$$UQXOI'DV.DLVHUUHLFKKWWSV
ZZZGKPGHOHPRNDSLWHONDLVHUUHLFK/H0R
'HXWVFKHV+LVWRULVFKHV0XVHXP%HUOLQ
2015

16
675$70$11:LOKHOP.UHIHOGV]ZHLWH
preußische Zeit (1815-1918) Politik und
Verwaltung in Alt-Krefeld. Krefeld 2006 (Bd.
3, S. 140-141)
17
675$70$11:LOKHOP.UHIHOGV]ZHLWH
preußische Zeit (1815-1918) Politik und
Verwaltung in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 140)

3

6&5,%$$UQXOI'DV.DLVHUUHLFKKWWSV
ZZZGKPGHOHPRNDSLWHONDLVHUUHLFK/H0R
'HXWVFKHV+LVWRULVFKHV0XVHXP%HUOLQ
2015

4

'857+:HUQHU'HXWVFKH$UFKLWHNWHQ
Braunschweig 1986 (S. 37)

5

6&5,%$$UQXOI'DV.DLVHUUHLFKKWWSV
ZZZGKPGHOHPRNDSLWHONDLVHUUHLFK/H0R
'HXWVFKHV+LVWRULVFKHV0XVHXP%HUOLQ
2015

6

6&5,%$$UQXOI'DV.DLVHUUHLFKKWWSV
ZZZGKPGHOHPRNDSLWHONDLVHUUHLFK/H0R
'HXWVFKHV+LVWRULVFKHV0XVHXP%HUOLQ
2015

7

18
675$70$11:LOKHOP.UHIHOGV]ZHLWH
preußische Zeit (1815-1918) Politik und
Verwaltung in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 229)
19
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 444)
20
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 447)
21
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 452)
22
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3)

BUNZEL, Wolfgang: Der nahe Spiegel:
Vormärz und Aufklärung. Michigan, 2008
(S.20)

23
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3)

9
MONDERKAMP, Jürgen: Das Krefelder
+DXV'RUWPXQG 6II

24
OPDENBERG, Georg: Artikel in der WZ,
Krefeld 06.06.2019, Yvonne Brandt

8

10
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006 (Bd.
3, S. 411)
11
8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006 (Bd.
3, S. 468)

8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 468)
12

6&5,%$$UQXOI'DV.DLVHUUHLFKKWWSV
ZZZGKPGHOHPRNDSLWHONDLVHUUHLFK/H0R
'HXWVFKHV+LVWRULVFKHV0XVHXP%HUOLQ
2015
13

8/5,&+-RFKHQ:LUWVFKDIWXQG
Gesellschaft in Alt-Krefeld. Krefeld 2006
(Bd. 3, S. 411)
14

.(5.+2)6WHIDQLHYDQGHgNRQRPLVFKH
+LQWHUJUQGHGHU$YDQWJDUGHNRRSHUDWLRQHQ
der Samt- und Seidenindustrie 1920er- bis
1940er-Jahre
7DJXQJLQ.UHIHOG 
15

15
675$70$11:LOKHOP.UHIHOGV]ZHLWH
preußische Zeit (1815-1918) Politik und
Verwaltung in Alt-Krefeld. Krefeld 2006 (Bd.
3, S. 143-144)

25
OPDENBERG, Georg: Artikel in der WZ,
Krefeld 06.06.2019, Yvonne Brandt
26
KESSELER, Paul Alfred: Stadtbau- und
Architekturgeschichte. Krefeld 2003 (Bd. 4,
S. 582ff)
27
KESSELER, Paul Alfred: Stadtbau- und
Architekturgeschichte. Krefeld 2003 (Bd. 4,
S. 582ff)
28
KESSELER, Paul Alfred: Stadtbau- und
Architekturgeschichte. Krefeld 2003 (Bd. 4,
S. 582ff)
29
KESSELER, Paul Alfred: Stadtbau- und
Architekturgeschichte. Krefeld 2003 (Bd. 4,
S. 582ff)
30
'857+:HUQHU'HXWVFKH$UFKLWHNWHQ
Braunschweig 1986
31
GILLNER, Daniela, Krefeld im Ersten
Weltkrieg, in: Internetportal Rheinische
*HVFKLFKWHDEJHUXIHQXQWHUKWWSZZZ
UKHLQLVFKHJHVFKLFKWHOYUGH(SRFKHQXQG
7KHPHQ7KHPHQNUHIHOGLPHUVWHQZHOWNULHJ
(abgerufen am 20.01.2020)

32
GILLNER, Daniela, Krefeld im Ersten
Weltkrieg (s. oben)

Abb. 2.1._54
Katasterplan aus der Kaiserzeit

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

93

1.3.1.1 KAISERREICH (1871 – 1918)
DIE GROSSSTADT CREFELD

BILD

Abb. 2.1_16
StAKR Obj. Nr. 39.977

S.82

Abb. 2.1_17
StAKR Obj. Nr. 33.380

Abb. 2.1_1
StAKR Obj. Nr. 3528
Abb. 2.1_1
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.46)
Abb. 2.1_2
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
S.83
Abb. 2.1_3
gemeinfrei
Abb. 2.1_4
gemeinfrei
Abb. 2.1_5
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.47)

Abb. 2.1_18
StAKR Obj. Nr. 3.891
Abb. 2.1_19
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.78)

Abb. 2.1_20
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
Abb. 2.1_21
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
Abb. 2.1_22
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&

Abb. 2.1_23b
StAKR Obj. Nr. 3421

Abb. 2.1_7A
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974 (S. 36)

Abb. 2.1_24
StAKR Obj. Nr. 27116

Abb. 2.1_9
StAKR Obj. Nr. 5.240
Abb. 2.1_10
StAKR Obj. Nr. 5.250
Abb. 2.1_11
StAKR Obj. Nr. 5.251
Abb. 2.1_12
+$8%(1+HULEHUWHWDO.UHIHOG²'LH
Geschichte der Stadt – vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart. Krefeld 2010,
(Bd.3, Abb. 23)

S.86
Abb. 2.1_14
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.49)

Abb. 2.1_40
675$70$11:LOKHOP.UHIHOGV]ZHLWH
preußische Zeit (1815-1918) (Bd. 3, S. 197)

Abb. 2.1_42
StAKR Obj. Nr. 15.364
Abb. 2.1_43
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
S.91
Abb. 2.1_44
StAKR Obj. Nr. 22.128

S.88

S.84

S.85

Abb. 2.1_39
StAKR Obj. Nr. 3863

S.87

Abb. 2.1_23a
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.25)

Abb. 2.1_8
Rheinischer Städteatlas, StAKR (XV-81-2003)
7DIHO

Abb. 2.1_38
StAKR Obj. Nr. 22.782

Abb. 2.1_41
StAKR Obj. Nr. 1666

Abb. 2.1_6
gemeinfrei

Abb. 2.1_7B
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974 (S. 36)

S.90

Abb. 2.1_25 & 26
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&

Abb. 2.1_45
CLASSEN, Robert: Zum Beispiel: Krefeld- Die
Erweiterungen von 1692-1975 Eine historische
Stadtgeographie, Claßen. 1989, Stadt Krefeld.
(S. 354 – Abb. M 13.33)
Abb. 2.1_46
StAKR Obj. Nr. 3868
Abb. 2.1_47
6W$.52EM1U
Abb. 2.1_48
StAKR Obj. Nr. 6782

Abb. 2.1_27
Ostwall.de, Impressionen
31.05.2021

Abb. 2.1_36
StAKR Obj. Nr.

S.89

S.92

Abb. 2.1_28
Genehmigung noch nicht erhalten

Abb. 2.1_49
KÖPPEN, Ernst und 5277+2)), Guido: Krefeld
- wie es war, Krefeld 1964 (S.83)

Abb. 2.1_29
'+ 6
Abb. 2.1_30 & 31
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
Abb. 2.1_32
StAKR Obj. Nr. 697-13764
Abb. 2.1_33
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974
Abb. 2.1_34 & 35
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
Abb. 2.1_37 & 38
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&

Abb. 2.1_50
Ostwall.de, Impressionen
31.05.2021
Abb. 2.1_51
StAKR Obj. Nr. 3953
Abb. 2.1_52
5277+2)), Guido: Krefeld wie es war, 1976.
(S.78)
Abb. 2.1_53
0,5$UFKLWHFWHQ)OH[XV$:&
S.93
Abb. 2.1_54A & B
Stadt Krefeld, Vermessungs- und Katasterwesen

Abb. 2.1_15
StAKR Obj. Nr. 19.139

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

94

1.3.1 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1919 – 32)
.2
DIE METROPOLE
KREFELD
1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

!"#$%&'()*+,'%&-+%'.+'(%/0*102%.+%1'(%.#$%)'3'+%4-))5%
647$*)02%/0(*8'+479):+,2%;*:40-(4#$)944')2%<:=0$'.>:+,2%
?*(@A*44'()'.0:+,B%C'@90).#$%3.+%.#$%4')340BD
Karl Kraus, Pro domo et mundo, 1919

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

95

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Das Auto begann, den herkömmlichen Verkehrsmitteln
Konkurrenz zu machen. Mit dem Parkhofplatz und dem Platz
an der Alten Kirche wurde neuer öffentlicher Raum geschaffen.
Warenhäuser, Theater und Kinos widerspiegelten in neuen
Architekturtypologien und -formen die Dynamik der modernen
Metropole.

A

B

Abb. 2.2._1
Impression der Rheinstraße
in der Zwischenkriegszeit

archäologische Funde
Vagedesplan
Grün
Bebauung
Abriss
Stadttor
Stadtmauer
Gebäude <3 Etagen
Gebäude 3-4 Etagen
Gebäude 5-7 Etagen

C
D

Gebäude 8-10 Etagen
Gebäude >10 Etagen
Satteldach
Passage
Abb. 2.2._2
Stadtgrundriss Zwischenkriegszeit 1918-1938
Die zahlreichen Neubauten aus dieser Zeit
konnten aufgrund des vorhanden Karten- und
Archivmaterials nicht schlüssig kartiert werden.
Darum wurden nur diejenigen Neubauten in der
Karte dargestellt, die mit einer Veränderung im
Stadtgrundriss verbunden sind.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

neuer Baum
vorhandener Baum
entfernter Baum
neue Gleise
vorhandene Gleise
entfernte Gleise
96

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2._3
Besatzungszonen nach dem ersten Weltkrieg
Unterrichtsmaterial ca. 1930

POLITISCHE UND SOZIALE
KRÄFTE
Anfang November 1918 entluden
sich die Leiden des Krieges in
revolutionären Erschütterungen.
Der Krieg hatte mehr als neun
Millionen Soldaten und mehr als
sechs Millionen Zivilpersonen das
Leben gekostet. Am 9. November
rief Philipp Scheidemann in Berlin
die Republik aus, Reichkanzler
Max von Baden erklärte danach
eigenmächtig den Verzicht des
Kaisers auf den Thron und übertrug
sein Amt auf Friederich Ebert. Am
nächsten Morgen verließ Kaiser
Wilhelm Deutschland und ging ins
Exil. Am Abend des 10. November
war klar: Deutschland wird eine
Republik, eine parlamentarische
Demokratie. Am nächsten Tag
wurde der Waffenstillstand in
Compiègne unterzeichnet und die
Waffen schwiegen. 1 In Compiègne
und später im Vertrag von Versailles
wurde das gesamte linksrheinische
Gebiet zur entmilitarisierten Zone
erklärt und durch die Siegermächte

Abb. 2.2._4
Jugendstilfassade der Kantine der belgischen
Besatzung Hochstrasse 115

– im Falle Krefelds durch Belgien
– besetzt (Abb. 2.2_3 und 5). Der
auch in Krefeld neu gegründete
Arbeiter- und Soldatenrat wurde
bereits nach vier Wochen wieder
aufgehoben.
Am 19. Januar 1919 fanden die
ersten freien, demokratischen
Wahlen nach Verhältniswahlrecht
und mit Frauenwahlrecht statt.
Auch in den Gemeinden sollte
dieser Wahlmodus gelten. Der
amtierende Stadtrat von Krefeld
war allerdings noch nach dem
alten Dreiklassenwahlrecht
zustande gekommen. Jetzt sollte
die gesamte Bevölkerung, alle
Frauen und Männer älter als 20
Jahre, im Rat vertreten sein. Dies
kam einem angekündigten aber
noch nicht vollzogenen Umsturz
der bestehenden Machtverhältnisse
gleich. Oberbürgermeister
Johansen (Abb. 2.2_7) trug der
Situation Rechnung, indem er
Vorlagen veröffentlichte und
zur besseren Kommunikation

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.2._5
Stadtplan Crefelds aus der Zeit
der belgischen Besatzung

mit den Bürgern das Presseamt
gründete, das öffentliche Kritik und
Diskussion ausdrücklich ermutigen
sollte.
DIE WEIMARER REPUBLIK
Deutschland war ausgeblutet, die
Not war groß. Dazu kamen die
harten Bedingungen des Versailler
Friedens und die Versuche von
linken und rechten Extremisten,
die junge Republik zu stürzen.
Wirtschaftlich ging es nur langsam
aufwärts. Erst nach der großen
Inflation und der Einführung einer
neuen Währung im November
1923 erholte sich die Wirtschaft.
'LH¶*ROGHQHQ=ZDQ]LJHU·ZDUHQ
eine Zeit kultureller Blüte und
optimistischer Lebenseinstellung.
¶'HU$OOWDJEUHLWHU
Bevölkerungskreise wurde immer
mehr von einer konsum- und
freizeitorientierten Massenkultur
bestimmt. Mitte der 1920er Jahre
gingen täglich etwa zwei Millionen
Menschen in die Kinos, ein

finanzkräftiges Bürgertum amüsierte
sich gerne in den zahlreichen
Revuen der Großstädte. Der Sport
zog in der Weimarer Republik ein
Massenpublikum an. […] Zum
Fußball […] strömten wöchentlich
Hunderttausende in die Stadien.
Rad- und Autorennen zogen ebenso
wie Boxveranstaltungen riesige
=XVFKDXHUPHQJHQDQ¶'DVQHXH
Medium Rundfunk trat ab 1923
unaufhaltsam seinen Vormarsch an,
innerhalb von zehn Jahren erhöhte
sich die Zahl der in Deutschland
angemeldeten Rundfunkgeräte
von knapp 10.000 auf über 5,4
0LOOLRQHQ¶ 2
1925 wurde Crefeld umbenannt
in Krefeld. Nach dem Abzug
der belgischen Besatzung 1926
besuchte Reichspräsident von
Hindenburg Krefeld (Abb. 2.2_6),
um dies mit den Rheinländern
zu feiern. In der Krefelder
Stadtverordnetenversammlung
wurde Oberbaurat Hubert Hentrich
1926 nicht wieder gewählt als

Abb. 2.2._6
Reichspräsident von Hindenburg und
Oberbürgermeister Dr. Johansen
am 26. März 1926 auf der Fahrt durch
das von der Besatzung befreite Krefeld

Erster Beigeordneter. 1929 machte
die Eingemeindung Uerdingens die
Neuwahl des Oberbürgermeisters
notwendig. Dr. Johansen
kandidierte nicht mehr. Am
30.04.1930 wurde Heinrich Hüpper
zum ersten Oberbürgermeister der
Doppelstadt Krefeld – Uerdingen
am Rhein gewählt. Nach der
Begründung der Doppelstadt wurde
in zwei Versammlungen getagt,
unter einem Oberbürgermeister.

Abb. 2.2._7
Johannes Johansen (1870–1945),
Oberbürgermeister von Krefeld (1911–1930)

bürgerlichen Parteien hatten keine
Mehrheit, und am 30. Januar
1933 wurde Adolf Hitler zum
Reichskanzler berufen. Mit dem
Ermächtigungsgesetz vom 24. März
1933 ging dann die gesetzgebende
Gewalt faktisch vollständig an Adolf
Hitler über.

¶'LHUDXVFKHQGHQ3DUW\V
endeten mit der im Oktober 1929
EHJLQQHQGHQ:HOWZLUWVFKDIWVNULVH· 3
Die Arbeitslosigkeit wuchs
dramatisch von 1,9 Millionen 1929
auf 5,58 Millionen im Jahr 1932.
'LHVR]LDOHQ6\VWHPHEUDFKHQ
zusammen. Und wieder versuchten
rechte und linke Extremisten
die Republik zu stürzen und die
demokratisch rechtsstaatlichen
Strukturen zu beseitigen. Bei der
Reichstagswahl am 6. November
1932 erhielt die NSDAP 33,1
Prozent und die KPD 16,9. Die
97

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2._8
Qualitätskontrolle Seidenfabrikation

Abb. 2.2._9
Neubau der Verseidag Westwall Ecke
Gartenstraße

ÖKONOMIE
Beim Übergang von der Kriegszur Friedenswirtschaft hatte es
in Krefeld wie im ganzen Reich
Engpässe bei der Versorgung
mit Lebensmitteln, aber auch
steigende Kosten für Gas,
Wasser und Elektrizität gegeben.
Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit
stellten ein wachsendes Problem
dar, sodass die Stadt zeitweise
zur Zwangsbewirtschaftung von
Lebensmitteln und Wohnungen
gezwungen war und Arbeitsdienste
einführen musste. Der Neubau von
Wohnungen war der Gemeinde
schier unmöglich, denn die
Rohstoffpreise waren seit dem
Beginn des 1. Weltkrieges auf das
Fünffache gestiegen.
¶'LH.UHIHOGHU7H[WLOLQGXVWULH
und das Bekleidungsgewerbe
beschäftigten […] noch immer
mehr als ein Drittel aller
$UEHLWQHKPHUGHU*HVDPWVWDGW· 4
(Abb. 2.2_8) Dabei hatte die
Krefelder Seidenindustrie nicht nur
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Schwierigkeiten beim Einkauf von
Rohseide, auch die Absatzmärkte
für Luxuswaren hatten sich
als instabil erwiesen. Die
Seidenbetriebe reagierten mit einer
Umorientierung von der Luxus- zur
Versorgungsindustrie. 1918 wurde
die Textilausrüstungsgesellschaft
(TAG) gegründet. Mehrere
Seidenbetriebe schlossen sich
1919 zur Verseidag zusammen,
der Vereinigten Seidenweberei
Aktiengesellschaft mit ihrem
Hauptsitz an der Gartenstraße
(Abb. 2.2_9). Produktionsprozesse
wurden weiter rationalisiert, weitere
Firmen aufgekauft und geliefert
wurde jetzt verstärkt auch direkt an
die Konfektion. 5 Ein neuer Hauptsitz
der Verseidag mit Fabrikanlagen
wurde an der Girmesgath
geplant. Auch die Entwicklung
der Kunstseide war aus der Not
geboren.
¶>«@QDFKGHQ7XUEXOHQ]HQGHU
ersten Nachkriegsjahre, welche
es für viele notwendig machten,

sich neu zu orientieren, beruhigte
sich […] der Arbeitsmarkt, auch
die Zahl der Notstandsarbeiter
und der Empfänger von
Erwerbslosenunterstützung ging
erheblich zurück, sodass man
getrost von Konsolidierung und
Vollbeschäftigung sprechen kann.
Die katastrophalen Vorgänge
GHV-DKUHV>+\SHULQIODWLRQ@
brachten einen jähen Einbruch.
Im November dieses Jahres hatte
die Stadt für sage und schreibe
77189 Erwerbslose, Kurzarbeiter,
Zuschlagsempfänger zu sorgen,
bei einer Gesamtbevölkerung
von circa 130.000 Personen.
Glücklicherweise währte dieser
unglaubliche Absturz nur kurz, doch
blieb ein erheblicher Sockel an
Hauptunterstützungsempfängern
und deren Familienangehörigen.
Von struktureller Arbeitslosigkeit
[war] allgemein die Rede. Mitte
1925 gab es eine kurzfristige,
seit Oktober 1927 eine spürbare
dauerhaftere Erholung, welche

GDQQYRP¶.ULVHQMDKU·DQ
durch die Weltwirtschaftskrise
]HUVW|UWZXUGH· 6
Durch die Eingemeindung
Uerdingens 1929 gehörten
jetzt nicht nur Stahlwerke und
chemische Fabriken zu Krefeld,
es siedelte sich auch Fahrzeugund Apparatebau, Nahrungsund Genußmittelproduktion an.
1927 wurden die deutschen
Edelstahlwerke gegründet.
Die Doppelstadt selbst war
XQWHUGHVVHQ¶HLQZHLWYHU]ZHLJWHV
Dienstleistungsunternehmen
und zugleich der größte
$UEHLWJHEHU· 7 geworden. Die Stadt
betrieb die Gas-, Wasser- und
Elektrizitätswerke, Hafen und
Hafenbahn und Verkehrsbetriebe.
Post und Rundfunk waren
staatlich und boten ebenfalls viele
Arbeitsplätze.

98

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2_12
Interieur des Krefelder Stadttheaters an der
Rheinstraße, 1928
Abb. 2.2_10
EHAPE Einheitspreis Handelsgesellschaft mbH
am Neumarkt, 1931. Foto Hauben, Heribert
Abb. 2.2_11
Säuglingsheim des Krefelder Frauenvereins
an der Petersstraße (Aufnahme nach der
Zerstörung 1943)

EINZELHANDEL
Vom kurzen Aufschwung während
der goldenen 20er Jahre profitierte
nur eine kleine Elite, während die
Lebensumstände der Arbeiterschaft
zumeist erbärmlich blieben.
Entsprechend lagen in den
Schaufenstern jetzt auch mehr
industriell gefertigte Produkte
des Massenkonsums. Ehape,
das neue Einheitspreisgeschäft
am Neumarkt (Abb. 2.2_10)
demonstrierte auch in seiner
Architektur die Rationalisierung
und Sparsamkeit der Mittel. Neue
Warenwelten wurden mit weithin
sichtbarer Reklame angepriesen.
¶.OHLQKDQGHOXQG.OHLQKDQGZHUN
gingen kontinuierlich zurück und
hatten am Ende auch unter der
Krise der beginnenden dreißiger
-DKUHHUKHEOLFK]XOHLGHQ· 8

Abb. 2.2_13
Prof. Dr. Friedrich Deneken

KULTUR
Trotz oder gerade wegen aller
politischer und ökonomischer
Herausforderungen entfaltete sich
in Krefeld nach 1919 ein intensives
kulturelles Leben. Theater- und
Konzertbetrieb wurden städtisch.
Die Volkshochschule wurde
JHJUQGHWGHQQ¶%LOGXQJ/LWHUDWXU
die Künste, sollten möglichst
vielen erreichbar sein. Daß man
sich angesichts der Umstände
mit dem alten Theater an der
Rheinstraße begnügen mußte,
ZDUKLQ]XQHKPHQ· 9¶$OOHVZDV
in Deutschland Rang und Namen
KDWWHNDPDXFKQDFK.UHIHOG· 10 Um
1924 wurden Sportstätten in der
Stadt angelegt, und 1925 wurde das
beheizte Stadtbad an der Neußer
Straße mit Freibad fertig.
Krankenhäuser wurden
gegründet oder ausgebaut. In der
Innenstadt sind der Neubau des
Säuglingsheims des Krefelder
Frauenvereins (Abb. 2.2_11) an der
Peterstraße zu nennen, 1929 mit

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

dem Leiter Dr. Isidor Hirschfelder
eröffnet, sowie das altkatholische
Armenhaus an der Poststraße, die
konfessionellen Waisenhäuser wie
das katholische Marianum an der
Nordstraße und das mennonitische
Waisenhaus an der Königstraße.
'LH¶OHW]WH$PWVKDQGOXQJ
des Oberbürgermeisters Dr.
Johansen war die Eröffnung
des Heimatmuseums in Linn
am 28.05.1930. […] Zu dessen
wissenschaftlichem Leiter […]
war Professor Dr. Karl Rembert
EHVWHOOWZRUGHQ· 11 Schon 1918
hatte sich der bis heute aktive
Verein für Heimatkunde gegründet.
Das bedeutendste Projekt von
OB Johansen für die Stadt war
aber die Planung und Anlage
des Grüngürtels, der durch kluge
Ankäufe, begünstigt durch die
¶8PVWU]XQJGHU*HOGYHUKlOWQLVVH·
XQGHLQHU¶XQJHZ|KQOLFKHQ
:LUWVFKDIWVODJH·XQGGHQ(LQVDW]
von Notstandsarbeitern realisiert
werden konnte.
99

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2_15
Der Ostwall um 1930, rechts im Bild
das Varieté Seidenfaden

L

STADTSTRUKTUR
Bis zum zweiten Weltkrieg änderte
sich der Stadtgrundriss kaum
(Abb. 2.2_14). Neue Pläne für
die Innenstadt gab es nicht. Die
Transformation der homogenen,
barock-klassizistischen Bebauung
aber setzte sich weiter fort.
Auf räumlicher Ebene fand
die Transformation in Form
abweichender Höhenentwicklung,
0D‰VWDEXQGQHXHQ%DXW\SRORJLHQ
und Architekturformen statt.

Abb. 2.2_14
Katasterkarte 1939

Wie schon in der Gründerzeit
waren die Veränderungen im
Stadtgrundriss mit seiner strengen,
starken Grünstruktur vor allem dem
Verkehr geschuldet, was sich im
öffentlichen Raum manifestierte.
Die Entmischung sowohl der
Funktionen als auch der sozialen
Schichten schritt weiter fort.
INFRASTRUKTUR
Ab 1920 wurde die Straßenbahn
nach Traar und Moers, ursprünglich
vor allem für den Kohletransport

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

genutzt, geöffnet für den
Personenverkehr. Auch wurde
eine Schnellbahnverbindung nach
Rheinhausen eingerichtet, um
Anschluss an die dortige Industrie
zu erhalten. Obgleich sie gut
ausgelastet waren, musste um die
Eisenbahnverbindungen, vor allem
die Fernverbindungen, regelmäßig
gerungen werden.
Ab 1929 erfuhr das Streckennetz
GHU6WUD‰HQEDKQbQGHUXQJHQ¶'DV
gesamte Gleisnetz der Innenstadt
wurde umgestaltet und ausgebaut,
einige Außenstrecken wurden
DXIHLJHQH%DKQN|USHUYHUOHJW¶ 12
Dies ist vor allem an der neuen
Einrichtung des Ostwalls und am
Parkhofplatz zu sehen.
¶=ZHL9HUNHKUVPLWWHOGLHGHQ
Bahnen in ferner Zukunft erhebliche
Konkurrenz machen sollten,
begannen in den zwanziger
Jahren ihren Vormarsch, Auto
und Flugzeug. Schon für das Jahr
1907 verzeichnet die Chronik der

Straßenbahn AG die Einrichtung der
Autobuslinien nach Linn-Rheinhafen
XQGQDFK7UDDU· 13
¶9RQDQ>«@JDEHVHLQH
weitere Möglichkeit, Krefeld zu
verlassen oder zu erreichen, mit
dem Flugzeug. Der bis dahin
militärisch genutzte Flughafen in
Bockum, heute durch den Stadtteil
Gartenstadt überbaut, wurde als
Zivilflughafen hergerichtet und
an den nationalen und damit
internationalen Flugverkehr
DQJHVFKORVVHQ· 14
¶'LH7UHQQXQJYRQ%UJHUVWHLJXQG
Fahrstraße musste gelernt werden,
ebenso das rechts zu fahren und
]XJHKHQZDU¶*HKHUHFKWVXQG
GHXHQLHPDQG·ZDUGDHLQPDO]X
lesen. Schließlich zählte man 1926
über 25000 Fahrräder in Krefeld.
[…] Eine Verkehrszählung um die
Jahreswende 1926/27erbrachte,
daß fast ein Drittel der gezählten
Fahrzeuge noch Fuhrwerke mit
=XJWLHUHQZDUHQ· 15
100

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2_16
Endhaltestelle der K-Bahn nach Düsseldorf
(betrieben seit 1898) auf dem Ostwall um 1930

UMGESTALTUNG OSTWALL
¶8PGHQVWlQGLJDQZDFKVHQGHQ
Kraftverkehr nicht zu
behindern, wurden bisher am
Straßenrand verlaufende Gleise
in die Straßenmitte verlegt.
Bisher eingleisig geführte
Straßenbahnstrecken wurden
WHLOZHLVHGRSSHOWDXVJHEDXW· 16
(Abb. 2.2_15 und 16).

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.2_17
Grundriss der Anlage der Vier Wälle nach
Zwischenkriegszeit

Abb. 2.2_18
VFKHPDWLVFKH'DUVWHOOXQJGHV3URÀOV

101

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2_19
Krefeld am Niederrhein, Blick zum
Café Restaurant Parkhof, um 1940

Abb. 2.2_28 & 29
7UDQVIRUPDWLRQGHU)UHLÁlFKHYRUGHP*UDQG
Hotel Crefelder-Hof zum Parkhofplatz

Abb. 2.2_20
'LRQ\VLXVSODW]PLW0DULHQVlXOH

M

RÄUMLICHER AUBAU
NEUER ÖFFENTLICHER RAUM
(A) PARKHOFPLATZ
Nachdem deutlich geworden war,
dass auf der Fläche gegenüber dem
Grand Hotel Crefelder Hof vorläufig
kein Theater gebaut werden konnte,
¶OLH‰GHULQGHQ86$]X*HOG
gekommene G.A. Stübben nach den
Plänen von Prof. August Biebricher
am westlichen Rand der Fläche
1923 ein prunkvolles Restaurant mit
Terrasse, Musikpavillon und einer
Ladenstraße bauen (Abb. 2.2._19).
Das so entstandene Konzertcafé
erhielt den Namen Parkhof. Von da
an sprachen die Krefelder nur noch
YRP3DUNKRISODW]· 17 Zum Ostwall
hin blieb die begrünte Platzfläche
offen.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.2_23
Neue Flügelbauten am Kaiser Wilhelm Museum
nach 1912

Abb. 2.2_21 &22
*HVWDOWXQJGHV'LRQ\VLXVSODW]HV

Abb. 2.2_24 & 25
Transformation bzw. Aufhebung des Karlsplatzes
durch den Museumsbau

(B) MARIENSÄULE AUF DEM
DIONYSIUSPLATZ
Im Gegensatz zum Eisernen
Georg war die Mariensäule auf
GHP'LRQ\VLXVSODW]JHSODQW
und 1922 ausgeführt, kein Kriegswahr zei chen sondern eher ein
¶$QWLNULHJVGHQNPDO·(LQ%OLFN
auf die Inschrift verdeutlicht
GDV¶)ULHGHQVN|QLJLQELWWIU
XQV·:LHGLH%lXPHVWHKWDXFK
die Mariensäule […] nicht in
der Achse des Südportals der
.LUFKH· 18 Ihre Position wurde auf
die Platzgestaltung bezogen mit
einem Kreuz und Andreaskreuz als
Fußwege, und mit Bäumen in einer
U-Form (Abb. 2.2_20).
(D) KARLSPLATZ - NEUE
FLÜGELBAUTEN AM MUSEUM
Mit den ebenfalls nach Plänen des
Architekten Hugo Koch erbauten
Flügelbauten am Kaiser Wilhelm
Museum (Abb. 2.2_23) wurde
die Platzfläche des Karlsplatzes
zugebaut und der Platz damit
endgültig als öffentlicher Raum
aufgehoben.

(E) FREILEGUNG PLATZ AN DER
ALTEN KIRCHE
'HUKHXWLJH¶3ODW]DQGHU$OWHQ
.LUFKH·HQWVWDQGLQGHQHU-DKUHQ
durch Abriss eines Häuserblocks
westlich der Alten Kirche. Die
städtebauliche Struktur mit den
kleinen Hausparzellen stammte
noch aus der Zeit der ersten
oranischen Stadtverdichtung um die
¶1HXVWUD‰H·XQGGHQ4XDUWHOQPDUNW
Wie zuvor schon die Freilegung des
Nordportals der Alten Kirche war
DXFKGLH$QODJHGHV3ODW]HV¶DQGHU
$OWHQ.LUFKH·GHUJHJHQ(QGHGHV
19. Jahrhunderts aufgekommenen
Idee der monumentalen
Herausstellung öffentlicher Bauten
verpflichtet.
Abb. 2.2_26 & 27
$QODJHGHV¶3ODW]DQGHU$OWHQ.LUFKH

102

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

E4.'"9&2%99.@*TR**

Abb. 2.2._31 (oben)
¶:RONHQNUDW]HU(QVHPEOH·
an der Rheinstraße 99

Abb. 2.2._30
3UDFKWIDVVDGHGHVHKHPDOLJHQ¶$SROOR7KHDWHU·
dem ersten Kino Krefelds an der Friedrichstraße



PARZELLIERUNG
Die während der
Gründerzeit eingesetzte
Maßststabsvergrößerung fand
vor allem im Stadtzentrum
entlang der Einkaufsstraßen
statt. Hausparzellen wurden
zusammengefügt und große
Warenhäuser wurden errichtet.
'DV¶:RONHQNUDW]HU·(QVHPEOHLQ
den 1920ern errichtet als Reihe
von Wohn- und Geschäftshäusern,
ist gleich in mehrfacher Hinsicht
bemerkenswert. Sowohl an
der Rhein- als auch auf der
Lohstraße wurde der Maßstab
der Hausparzellen und der
Duktus der alten Hausfassaden
aufgegriffen. Ein altes Haus
wurde gar in den Komplex
integriert. Im Kontrast dazu steht
DQGHU(FNHGHU¶:RONHQNUDW]HU·
ein siebengeschossiger Turm
mit prominent integrierter
Fassadenreklame.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

S

Abb. 2.2._33 & 34
Fassaden an der Rheinstraße

Abb. 2.2._32
¶9DULHWp6HLGHQIDGHQ·DP2VWZDOO

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES
WOHNUNGSBAU
Neuer Wohnungsbau innerhalb
der Vier Wälle konnte - abgesehen
von dem vorgenannten Komplex
LP5DKPHQGLHVHU$QDO\VH
nicht nachgewiesen werden.
Vielmehr wurden jetzt im Sinne
eines Aufbruches zur funktional
gegliederten Stadt Wohnungen
außerhalb der Stadt gebaut.
Neue Wohnsiedlungen im Grünen
sollten der Bevölkerung Luft,
Licht und Gesundheit bringen.
Viele Siedlungen entstanden mit
großen Gartengrundstücken für
Selbstversorger.
Neben der schon in der Gründerzeit
DXIJHNRPPHQHQQHXHQ7\SRORJLH
des Kaufhauses entstanden jetzt
auch zahlreiche Kinos, wie das
Lichtspielhaus am Neumarkt, das
Rheingold und der Ufa Palast an
der Hochstraße (Abb. 2.2_32). Nur
die - noch historisierende - Fassade
GHV/LFKWVSLHOKDXVHV¶$SROOR·LQGHU

E4.'"9&2%99.@*,
E4.'"9&2%99.@*,
E4.'"9&2%99.@*)
E4.'"9&2%99.@*)
Friedrichstraße (Abb. 2.2_68) blieb
teilweise noch erhalten.

ARCHITEKTUR
¶'LHQHXH=HLWIRUGHUWGHQHLJHQHQ
Sinn. Exakt geprägte Form, jeder
Zufälligkeit bar, klare Kontraste,
ordnende Glieder, Reihung gleicher
Teile und Einheit von Form und
Farbe werden entsprechend
der Energie und Ökonomie
unseres öffentlichen Lebens
das ästhetische Rüstzeug des
PRGHUQHQ%DXNQVWOHUVZHUGHQ· 18
hatte Walter Gropius schon 1913
angekündigt.
Peter Behrens forderte 1914, dass
die Architektur dem erhöhten Tempo
des städtischen Lebens anzupassen
VHL¶:HQQZLULPEHUVFKQHOOHQ
Gefährt durch die Straßen unserer
Großstädte jagen, können wir nicht
mehr die Einzelheiten der Gebäude
gewahren. [...] Einer solchen
Betrachtungsweise [...] kommt
nur eine Architektur entgegen,
die möglichst geschlossene,
ruhige Flächen zeitgt, die durch

ihre Bündigkeit keine Hindernisse
ELHWHW· 19
Die neue internationale
Architektursprache wurde nicht nur
flacher, sie folgte dem Grundprinzip
der sozialen, konstruktiven und
stilistischen Ökonomie.
'DV¶1HXH%DXHQ·PDQLIHVWLHUWH
sich in zahlreichen neuen Bauten in
der Krefelder Innenstadt. Die neue
Betonskelettbauweise bedeutete,
dass die Fassade nicht mehr
tragend war und kompositorisch
frei eingeteilt werden konnte.
%HLVSLHOHIUGLHW\SLVFKHQ
horizontalen Bandfassaden mit
¶2]HDQGDPSIHUlVWKHWLN·ZDUHQ
das Geschäftshaus Seidel an der
Rheinstraße/ Ecke Hochstraße
(Abb.2.2_29), der Ufa-Palast
DQGHU+RFKVWUD‰HGDV¶9DULHWp
¶6HLGHQIDGHQ·DP2VWZDOO $EE
2.2_31), die Ehape am Neumarkt
und natürlich die Garage Stephan-/
Ecke Wallstraße (Abb. 2.2_34),
für deren Bau ein Teil der ersten

barocken Stadterweiterung von
1711 abgerissen wurde. Die
Hochgarage war - neben einem
Projekt in Berlin - die modernste
ihrer Art in der Weimarer Republik.
Nach dem horizontalen
Bandfenster war die wichtigste und
folgenreichste Entwicklung der
neuen Bauweise das Flachdach,
das eine komplett neue Ästhetik in
die historische Stadt brachte.

103

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

Abb. 2.2_10
EHAPE Einheitspreis Handelsgesellschaft mbH
am Neumarkt, 1931. Foto Hauben, Heribert

Abb. 2.2._35
Geschäftshaus Seidel, Hochstraße/
Ecke Rheinstraße

SONSTIGE OBJEKTE
REKLAME
Reklame an und auf Gebäuden
wurde als prominenter Bestandteil
der Architektur geplant und
wurde fester Bestandteil des
Erscheinungsbildes der Innenstadt
(Abb. 2.2_10).

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.2._36
Garage Stefanstraße Ecke Wallstraße

Abb. 2.2._37
Garage Stefanstraße Ecke Wallstraße

MATERIAL UND FARBE
Die Architektur des Neuen Bauens,
auf Ehrlichkeit und Ökonomie der
Bauweise und Materialisierung
gerichtet, war zumeist verputzt.
Die horizontalen Fassadenbänder
waren weiß gehalten, mit farbig
abgesetzten, durchlaufenden
Fensterbänken. Fenster und
Türen wurden jetzt in schlanken
Stahlprofilen ausgeführt in einer
Ästhetik die an Industriearchitektur
erinnerte.

104

1.3.1.2 ZWISCHENKRIEGSZEIT
(1918-1932) DIE METROPOLE
KREFELD

BILD
S.96
Abb. 2.2_1
MIR Architecten/Flexus AWC.
Abb. 2.2_2
MIR Architecten/Flexus AWC.

S.97
Abb. 2.2_3
LWL-Medienzentrum für Westfalen

Abb. 2.2_10
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – Die Geschichte der
Stadt – Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis
zur Gegenwart (1918 - 2004), 2010, Krefeld (S.
130, Abb. 27)

Abb. 2.2_21 & 22
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_11
StAKR Obj. Nr. 20.349

Abb. 2.2_24 & 25
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_12
StAKR Obj. Nr. 3.701

Abb. 2.2_26 & 27
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_13
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974 (S. 44)

Abb. 2.2_28 & 29
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_23
StAKR Obj. Nr. 1456/3-11

S.103
Abb. 2.2_4
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010 (S. 56,
Abb. 11)

S.100

Abb. 2.2_5
StAKR Obj. Nr. 35/133

Abb. 2.2_15
StAKR Obj. Nr. 22.707

Abb. 2.2_6
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974 (S. 89)
Abb. 2.2_7
StAKR Obj. Nr. 27.186

Abb. 2.2_14
Stadt Krefeld, Vermessungs- und Katasterwesen

S.101
Abb. 2.2_16
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war. Droste
1974 (S. 68)

Abb. 2.2_30
MIR Architecten/Flexus AWC.
Abb. 2.2_31
MIR Architecten/Flexus AWC.
Abb. 2.2_32
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war,
Düsseldorf 1974
Abb. 2.2_33
MIR Architecten/Flexus AWC.
Abb. 2.2_34
MIR Architecten/Flexus AWC.

S.98

Abb. 2.2_17
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_8
KÖPPEN, Ernst: Krefeld – so wie es war.
Düsseldorf 1974 (S. 37)

Abb. 2.2_18
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.2_9
StAKR Obj. Nr. 17.665

S.102

S.99

Abb. 2.2_19
StAKR Obj. Nr. 29.913

S.104

Abb. 2.2_20
StAKR Obj. Nr. 1.307

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

TEXT

1

SCRIBA, Arnulf: Weimarer Republik,
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarerrepublik, LeMo, Deutsches Historisches
Museum, Berlin 2014

2

SCRIBA, Arnulf: Weimarer Republik,
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarerrepublik, LeMo, Deutsches Historisches
Museum, Berlin 2014

3

SCRIBA, Arnulf: Weimarer Republik,
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarerrepublik, LeMo, Deutsches Historisches
Museum, Berlin 2014

4

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd.5, S.129)

5

KERKHOF, Stefanie van de: Ökonomische
Hintergründe der Avantgardekooperationen
der Samt- und Seidenindustrie 1920er- bis
1940er-Jahre
Tagung in Krefeld (16.-17.11.2018)

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 156)

12
MULLER, Ernst-Moritz und ARTS, Gisbert
et. al: 100 Jahre elektrische Straßenbahn
in Krefeld - Gut, daß wir sie haben. Krefeld
2000 (S. 184)
13
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 138)
14
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 139)
15
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 140)
16
MULLER, Ernst-Moritz und ARTS, Gisbert
et. al: 100 Jahre elektrische Straßenbahn
in Krefeld - Gut, daß wir sie haben. Krefeld
2000 (S.184)
17
OPDENBERG, Georg: Artikel in der WZ,
Krefeld 06.06.2019, Yvonne Brandt

6
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 127)

18
OPDENBERG, Georg: Artikel in der WZ,
Krefeld 06.06.2019, Yvonne Brandt

7

19
WIKIPEDIA: Neues Bauen, abgerufen am
20.01.2020

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 132)

8

Abb. 2.2_35
StAKR Obj. Nr. 20.876

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 131)

Abb. 2.2_36
StAKR Obj. Nr. 19.424

9

Abb. 2.2_37
StAKR Obj. Nr. 19.423

11

20
DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986 (S. 46)

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd 5, S.89)

10
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933. Krefeld 2010
(Bd. 5, S. 92)

105

1.3.2 NS ZEIT,
WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG
!"#$%&'(%)#*'+)#,-+.'#,'-*'-/0(%12#3'-%')%&()%4(2$#)$()()%56%
7#02()%#8/0%$(9(0,*%8)&%$(-:)&'$*%0(;()<%-+%0#*%-'(%&+/0%
#89%8)-(2(=%>(;'(*(%?('*$(0()&%(')(%#,,$(=(')(<%$('-*'$(%
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8)&%-*A&*(;#8,'/0(-%C'2D()%$(-/0#99()EF
Konstanty Gutschow in einem Brief vom 30. Mai 1945

106

1.3.2 NS ZEIT (1933-1945)
.1
!G#2#8-%()*-H2')$*%&'(%@(2H9,'/0*8)$<%(')(%B)*?'/D,8)$<%&'(%
4'(,,('/0*%+0)(%(')()%,()D()&()%C',,()%4+2%-'/0%$($#)$()%'-*<%
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'02(2%B'$()#2*%#8-.8;',&()EF
Wolfgang Bangert, Die Neugestaltung der Adolf-Hitler-Straße 1941

107

1943 wurde ein großer Teil der Krefelder Innenstadt durch
Bomben zerstört.
Schon während des Zweiten Weltkrieges wurde der
:LHGHUDXIEDXJHSODQW0LWGHU¶(QWVFKDQGHOXQJ·GHULQGHU
Kaiser- und Zwischenkriegszeit stark veränderten Innenstadt
sollte wieder ein homogenes Ganzes geschaffen werden.

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._1
Blick durch die Marktstraße in Richtung
Neumarkt nach dem Bombenangriff vom
22.6.1943. Im Hintergrund rechts ist noch die
barocke Fassade am Neumarkt/ Ecke Südliche
Hochstraße zu erkennen.
Abb. 2.3._2 (links)
Abbildungen aus den Richtlinien für die Statistik
und Darstellung der Kriegsschäden, Berlin 1944

Abb. 2.3._3 (rechts)
Schadenskarte Krefelds, 1945
anlässlich der Wiederaufbauplanung durch die
Stadt Krefeld erstellt.

zerstörtes Gebäude
erhaltenes Gebäude
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

108

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._4
Adolf Hitler, Reichskanzler
ab 30.01.1933 - 30.04.1945

Abb. 2.3._5
Aufmarsch Hauptbahnhof, 12.03.1933 zur
Gelegenheit des Sieges der Kommunalwahl
durch die NSDAP

Abb. 2.3._6
Dr. Aloys Heuyng, Krefelder
Oberbürgermeister 1933-1945

POLITISCHE UND SOZIALE
KRÄFTE
Seit 1925 existierte auch in
Krefeld eine Ortsgruppe der
NSDAP. 1 Bei einem Auftritt in der
Stadthalle kündigte der zukünftige
Propagandaminister Göbbels
DQ¶'LHQDWLRQDOVR]LDOLVWLVFKH
Bewegung wolle […] die Macht, […]
sie werde um die Macht kämpfen.
[…] Wer den Glauben an die
Männer habe, der brauche kein auf
dem Papier stehendes Programm.
Der Mut zum Handeln resultiere
DXVGHU.UDIWXQGGHP:LOOHQ· 2
1933 erreichte die NSDAP auch in
Krefeld-Uerdingen etwa 38% der
Stimmen. Viele Deutsche hofften
auf wirtschaftlichen Aufschwung
und die Rückkehr zu nationaler
Geschlossenheit. 3
Am 30. Januar 1933 wurde
Adolf Hitler (Abb. 2.3_4)
zum Reichskanzler berufen.
Schon wenige Tage danach,
am 04. Februar wurden
in Krefeld-Uerdingen die
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Stadtverordnetenversammlungen
aufgelöst und Neuwahlen
angesetzt für den 12. März. Mit der
Notverordnung vom 28. Februar
setzte der Reichspräsident die
Bürgerrechte der Weimarer
Verfassung außer Kraft und
verhängte den Ausnahmezustand
über das Reich, der bis 1945 nicht
mehr aufgehoben wurde. Mit dem
Ermächtigungsgesetz vom 24. März
1933 war für Adolf Hitler der Weg
zum Aufbau einer Diktatur anstelle
des bisherigen demokratischen
Rechtsstaats geebnet.
Bei der Kommunalwahl am 12. März
1933 waren die mit der NSDAP
konkurrierenden Parteien auch in
Krefeld chancenlos (Abb. 2.3_5).
Nach der Wahl wurde in der
6WDGWYHUZDOWXQJ¶DXIJHUlXPW·XQG
Oberbürgermeister Hüpper sowie
verschiedene Beigeordnete und
andere hohe Verwaltungsbeamte
abgesetzt oder unter Überwachung
gestellt. NSDAP Mitglied Dr. Aloys
Heuyng (Abb. 2.3_5) von der IHK

wurde Oberbürgermeister, Dr. Josef
Hollatz blieb Baudezernent. 4
KULTUR
Unmittelbar nach ihrer
Ermächtigung übernahmen die
Nationalsozialisten reichsweit
die Medien Rundfunk, Presse,
Film und Literatur. Mit dem
¶9RONVHPSIlQJHU·ZXUGHQGLH
Wohnzimmer nicht nur mit leichter
Muse erobert, sondern auch mit
Propaganda, die die Einheit von
Führer, Volk und Partei beschwor
und feierte. Frauen-, Jugend- und
andere nationalsozialistische
Organisationen und Einrichtungen
förderten den Zusammenhalt
untereinander und die Akzeptanz
des Regimes. Hakenkreuzfahnen
und NS-Parolen waren im Stadtbild
allgegenwärtig (Abb. 2.3_7).
Bürger jüdischer Abstammung
hingegen begann man ab 1933 vom
kulturellen Leben auszuschließen.
¶'LH1DWLRQDOVR]LDOLVWHQJLQJHQ
von der sozialdarwinistischen

Abb. 2.3._7
Das anlässlich der Reichtagswahl 1938 und
der Volksabstimmung über den Anschluss
Österreichs dekorierte Stadttheater in der
Rheinstraße

Vorstellung eines naturgegebenen
¶.DPSIHVXPGDV'DVHLQ·GHU
Völker und Rassen aus und
waren von der Überlegenheit
GHU¶DULVFKHQ5DVVH·EHU]HXJW
Zu Hitlers grundlegenden Zielen
gehörten daher von Anfang an
GLH9HUQLFKWXQJGHV¶MGLVFKHQ
%ROVFKHZLVPXV· 5

Abb. 2.3._8
Die brennende Krefelder Synagoge am 10.
November 1938, Blick von der Marktstraße

1DWLRQDOVR]LDOLVWHQDOV¶HQWDUWHW·
und hässlich abgetan. Es sollte
ZLHGHUHLQH¶GHXWVFKH·.XQVW
entstehen.

Ab 1938 wurden die Rechte der
Juden auch in Krefeld massiv
eingeschränkt. In der Nacht vom
09. auf den 10. November 1938
wurde die Synagoge von NSLeuten in Brand gesteckt (Abb.
2.3_8) und Schaufenster jüdischer
Geschäfte zertrümmert. Polizei und
Feuerwehr griffen nicht ein. Von
Juden geführte Geschäfte wurden
boykottiert und ihre Eigentümer zur
Aufgabe gezwungen. Wer konnte,
verkaufte unter Druck fast immer
deutlich unter Wert an Nichtjuden,
und verließ Deutschland.
Werke der künstlerischen
Avantgarde wurden von den
109

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._9
Übersichtsplan Krefelds nach dem Schadensfall,
24.07.1943: die rot angelegte Fläche zeigt den
Bereich der schwersten Zerstörungen

Abb. 2.3._10
Rheinbrücke nach der Sprengung

Abb. 2.3._11
Amerikanische Soldaten in Krefeld

Abb. 2.3._12
Dr. jur. Johannes Stepkes (1884-1966),
04.03.1945 bis Februar 1946 (Ober-)Bürgermeister,
dann bis 1949 Oberstadtdirektor

ÖKONOMIE
In Krefeld-Uerdingen mussten noch
1931/32 etwa 60% der Menschen
staatlich alimentiert werden. Die
Stadt kostete diese Unterstützung
etwa 84% des Steueraufkommens.
Nach dem Wahlsieg der NSDAP
wurde auch in Krefeld-Uerdingen
die Wirtschaft neu geordnet. Die
ter Meer & Cie Fabrik in Uerdingen
war schon 1925 Teil der IG Farben
geworden. Fritz ter Meer trat 1937
der NSDAP bei und betrieb während
des Krieges die Produktion von
Nervengift für Konzentrationslager. 6

wirtschaftlich besser. Der Preis
für diese Erfolge war der massive
Eingriff in ihre Persönlichkeits- und
Freiheitsrechte.
DER ZWEITE WELTKRIEG
Der deutsche Überfall auf Polen
bildete den Auftakt zum Zweiten
Weltkrieg. Nach der Besetzung
Dänemarks und Norwegens begann
am 10. Mai 1940 mit der deutschen
Westoffensive die Eroberung der
späteren Benelux-Staaten und
Frankreichs. Am 14. Juni wurde
Paris besetzt. Etwa eine Woche
später kapitulierte Frankreich.
Der Sieg im Westen wurde Adolf
Hitler persönlich zugeschrieben.
Im Sommer 1940 stand er in
'HXWVFKODQGDOV¶*U|‰WHU)HOGKHUU
DOOHU=HLWHQ·DXIGHP+|KHSXQNW
seiner Popularität.

Arbeitsbeschaffungsprogramme
wurden aufgelegt und Betriebe
auf allen Ebenen gleichgeschaltet
im Dienst der Autarkie und
der Vorbereitung für einen
neuen Krieg. Die Textilindustrie
als kriegsrelevante Branche
Im Krieg gegen Großbritannien
lieferte mit der Rheinischen
Kunstseide AG einen innovativen
stieß die Wehrmacht jedoch
Beitrag zum Autarkieprojekt
auf Widerstand. Die Pläne zur
Eroberung wurden im Frühjahr
des Führers. 7 Tatsächlich sank
die Arbeitslosigkeit, und den
1941 aufgegeben. Zur gleichen
Menschen in Deutschland ging es
Zeit unterstützte Deutschland den
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

von britischen Truppen bedrängten
Bündnispartner Italien in Nordafrika
und auf dem Balkan.
Am 22. Juni 1941 überfiel
Deutschland die Sowjetunion.
¶/HEHQVUDXPLP2VWHQ·VROOWH
erobert, das Land ausgebeutet und
Zwangsarbeiter rekrutiert werden.
Mitten im Krieg wurde von der NSFührung der Völkermord an Juden,
Sinti und Roma beschlossen, dem
mehr als sechs Millionen Menschen
zum Opfer fielen, europaweit auch
Homosexuelle und psychisch
erkrankte Menschen.
Mit der Kapitulation von Stalingrad
am 31. Januar 1943 wendete sich
der Krieg. Bis zur endgültigen
Kapitulation des Deutschen Reiches
am 8. Mai 1945 starben noch
Millionen Menschen und unzähliges
Kulturgut wurde zerstört. 8
DER LUFTKRIEG
Mit Flächenbombardements wollten
Briten und Amerikaner die Moral
der deutschen Zivilbevölkerung

brechen. Ab 1942 begannen
Luftangriffe auf reine Wohngebiete.
In Krefeld mussten Baudezernent
Dr. Josef Hollatz, der Stadtplaner
Dr. Bangert, und Baurat Volger
zunächst Luftschutzbunker bauen,
und zwar so schnell wie möglich. 9
In der Nacht vom 21. auf den
22.06.1943 flogen britische Bomber
einen Luftangriff über der Krefelder
Innenstadt. 619 Flugzeuge
warfen über 2000 Tonnen Sprengund Brandbomben über dem
Stadtzentrum ab. Die Innenstadt
wurde in dieser Nacht zur
Trümmerlandschaft (Abb. 2.3_9).
Nur noch die Dionysiuskirche
und der Krefelder Hof blieben
einigermaßen unbeschädigt. Im
Nordosten der Innenstadt gab
es die schwersten Zerstörungen,
die Südstadt blieb weitgehend
verschont. Mehr als 1000
Einwohner fanden den Tod, zumeist
waren sie in den Luftschutzräumen
vom Gewicht ihrer eingestürzten
Häuser verschüttet worden.
Viele Betriebe in der Innenstadt

wurden zerstört. Sie nahmen ihre
Produktion zum Teil provisorisch im
Umland wieder auf.
DAS KRIEGSENDE
Am 02.03.1945 rollten
amerikanische Panzer in Krefeld
ein. Die Einwohner hatten
weiße Tücher aus Fenstern und
Dachluken gehängt und die
Besetzung verlief ohne größere
Zwischenfälle. Der große Teil der
Krefelder Bevölkerung empfand
Amerikaner und Briten als Befreier.
Bürgermeister Heuyng hatte sich
unterdessen mit anderen hohen
Verwaltungsbeamten auf die andere
Rheinseite abgesetzt.
Als die alliierten Truppen weiter
zum Rhein vordrangen, sprengten
Truppen der Wehrmacht am 4.
März die Uerdinger Rheinbrücke
um ihnen das Vorrücken auf die
andere Rheinseite zu erschweren.
In Krefeld setzten die Amerikaner
zunächst Dr. Johannes Stepkes als
vorläufigen Bürgermeister ein.
110

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._13
Die Rheinstraße wurde 1933 in
Adolf-Hitler-Straße umbenannt

ENTSCHANDELUNGSPLÄNE
In Krefeld hatte der von der NSDAP
1935 berufene Stadtplaner Dr.
Wolfgang Bangert schon 1940
¶GDV6WDGWELOG.UHIHOGVQDFK
GHP(QGVLHJ·HQWZRUIHQ,QGHU
$XVVWHOOXQJ¶'LHVFK|QH6WDGWLKUH
(QWVFKDQGHOXQJXQG*HVWDOWXQJ·
präsentierte Bangert am 05.10.1941
im Kaiser Wilhelm Museum der
gIIHQWOLFKNHLWVHLQH3OlQH·ZLHPDQ
die Stadt nach dem unabwendbaren
Flächenbombardement wieder
in einer einheitlicheren und
zusammenhängenden Weise
aufbauen könnte. 10
¶0DQKDWWHHUNDQQWGDVV
innerhalb der 4 Wälle unter
teilweiser Korrektur des alten
Stadtgrundrisses die Herstellung
eines günstigeren Verhältnisses
zwischen Bauvolumen und
Freifläche notwendig ist, wenn
es nicht zur Entwertung dieses
*HELHWHVNRPPHQVROOWH· 11
In Bangerts Entwurf hatte die

Dionysiuskirche Platz gemacht für
für die NS Stadtplanung typische
monumentale Achse. In Krefeld
sollte sie vom Bockumer Platz im
Osten bis zum Deutschen Ring im
Westen verlaufen, flankiert von
neuen Großbauten (Abb.2.3_17).
Damit betonte Bangert die
Umorientierung der Stadt auf
HLQH2VW:HVW$FKVH¶REZRKOHU
zuvor Krefelds friederizianisches
Stadtbild (mit der Friedrichstraße
als Symmetrieachse in Nord-Süd
Ausrichtung) als A und O aller NSStadtplanung gepriesen hatte. 12
Dem Stadtplaner Dr. Wolfgang
Bangert lag vor allem
¶GLH¶(QWVFKDQGHOXQJ·GHU
innerstädtischen Hausfassaden
am Herzen, hervorgerufen
durch übergroße Schaufenster,
Reklameflächen und Umbauten.
Ohne Zweifel bot sich im
Stadtzentrum eine Vielfalt
DUFKLWHNWRQLVFKHU)RUPHQ>«@· 13
1941 folgte daher der Ruf nach
RUGQHQGHU6WDGWUHSDUDWXU¶'HU

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.3._15
Planung für eine monumentale
Stadtgestaltung Krefelds, um 1940

Abb. 2.3._14
Mit der Neugestaltung der Adolf-Hitler-Straße
sollte wieder ein einheitliches Stadtbild
geschaffen werden, Zeichnungen um 1941

Ostwall mit seinen alten Bäumen
und gefälligen Grünanlagen, mit
der ruhigen und geschlossenen
Haltung seiner Bürgerhäuser bietet
ein Stadtbild neuerer Zeit, das eine
eigene und wertvolle Note hat.
Wenn man nun weiter vordringt
und an die belebte Kreuzung mit
der Adolf-Hitler-Straße [vorher und
nachher Rheinstraße] gelangt, so
ist der gute Eindruck mit einem
Mal völlig verloren. Dort, wo der
eigentliche verkehrliche Mittelpunkt
der Stadt sich öffnet, überfällt uns
ein Bild der größten Unruhe und
Unordnung. (Abb. 2.3_13) Einzelne
aufgetürmte Häuser erheben sich
bis zu fünf und sechs Geschossen
und dazwischen stehen die
alten Krefelder Bürgerhäuser mit
ihren drei Stockwerken verloren
und eingedrückt, als die letzten
Reste der eigentlichen Krefelder
Haltung, die uns am Ostwall so
charakteristisch berührt. [...] Daraus
entspringt die Verpflichtung, eine
Entwicklung, die vielleicht ohne
einen lenkenden Willen vor sich

gegangen ist, heute durch die ihr
entsprechende städtebauliche
Gestalt zu krönen und damit auch
den Brennpunkt des geschäftlichen
Lebens und des Verkehrs unserer
Stadt zu einem Wahrzeichen ihrer
(LJHQDUWDXV]XELOGHQ· 14 (Abb.
2.3_14)
WOLFGANG BANGERT
Wolfgang Bangert, Sohn des
Berliner Architekten Karl
Eduard Bangert, studierte von
1920 bis 1924 Architektur und
Städtebau an der Technischen
Hochschule Berlin. 1924 kam er
als Mitarbeiter von Stadtrat Ernst
May nach Frankfurt am Main. In
dessen Planungsstab arbeitete
Bangert an den Generalplänen
für die prämierten Siedlungen
Praunheim, Römerstadt und
Westhausen im Rahmen des
6WDGWSODQXQJVSURJUDPPV¶1HXHV
)UDQNIXUW·
1933 nahm er an der CIAMTagung in Athen teil.

Ab 1930 arbeitete Bangert im
Stadtbauamt der Stadtverwaltung
Köln. Hier war er zuständig
für die Gesamtplanung
für das rechtsrheinische
Kölner Stadtgebiet. In ihrem
Sanierungskonzept für die
Kölner Altstadt prägten Bangert
und Eugen Blanck, den er bei
Ernst May kennengelernt hatte,
1934 den für den Städtebau
des 20. Jahrhunderts als
Leitbild geltenden Begriff der
¶6WDGWODQGVFKDIW·
Ab 1935 war Bangert
städtischer Baurat und Leiter
des Planungsamtes in Krefeld.
Zwischenzeitlich promovierte er
1936 bei Gottfried Feder an der
Technischen Hochschule Berlin.
[2] In seiner Dissertation befasste
sich Bangert mit dem Thema
¶%DXSROLWLNXQG6WDGWJHVWDOWXQJ
in Frankfurt am Main: Ein Beitrag
zur Entwicklungsgeschichte des
deutschen Städtebaues in den
OHW]WHQ-DKUHQ·

Nach Kriegsende arbeitete
Bangert bis 1948 als freier
Architekt und war 1948/1949
wiederum als städtischer
Baurat in Krefeld tätig, und
als solcher für die Aufstellung
des Neuordnungsplanes
für die Innenstadt und die
$XVVWHOOXQJ¶.UHIHOGLP$XIEDX·
verantwortlich. Zu dieser Zeit
wurde er auch in den Deutschen
Werkbund berufen.
1949 wechselte er nach Kassel,
wo er als Leiter des gesamten
städtischen Bauwesens
zunächst für den Wiederaufbau
der Innenstadt verantwortlich
war und die Stadt im Sinne der
gegliederten und aufgelockerten
Stadt neu ordnete. 15
HANS VOLGER
Baurat Hans Volger, 1938 von
J.W. Hollatz berufen, hatte wie
Bangert am Bauhaus studiert
und sich während eines zweiten
Studiums in Karlsruhe auch mit
historischer Architektur befasst. 16
111

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._16 (oben)
Normierte Darstellung der Kriegsschäden 1945

L

STADTSTRUKTUR
Schon seit den 20er Jahren
hatten deutsche Architekten
und Ingenieure am Umbau der
Industriestadt des 19. Jahrhunderts
LQGLH¶UDWLRQHOOJHJOLHGHUWHEDXOLFK
aufgelockerte und lichtdurchflutete
6WDGWYRQ]HLWORVHU0RGHUQLWlW· 17
gearbeitet. Diese Leitvorstellung,
LQGHUVLFK¶EHUVFKDXEDUH
Nachbarschaften um markante
Bauten der Gemeinschaft
gruppieren und durch ein weites
Netz von Verkehrsadern mit
den Orten der Arbeit und der
(UKROXQJYHUELQGHQVROOWHQ¶ 18
wurde vom Nationalsozialismus
genutzt und umgesetzt. Das
große Modernisierungspotential
der deutschen Städte beflügelte
die Planer, wenn auch jetzt unter
anderen Vorzeichen.
Der Arbeitsstab um Albert
Speer griff auf die Ideen der
Funktionalisten zurück, als er
schon während des Kriegs den
Wiederaufbau plante. So entstand

Abb. 2.3._17 (rechts)
Planskizze zur vorbereitenden
Wiederaufbauplanung Krefelds, 1944

HLQH6WXGLHPLWGHP7LWHO¶'LH
gegliederte und aufgelockerte
6WDGW·(LQHORFNHUH%DXZHLVH
sollte vor allem verhindern, dass
nach Bombardierungen ganze
Wohnviertel niederbrannten. Damit
wurden wesentliche Grundlagen für
die Planung und den Wiederaufbau
nach 1945 geschaffen.
WIEDERAUFBAUSTADT
Auch in Krefeld ist dabei eine
Kontinuität im Werk von Architekten
und Stadtplanern über die beiden
Daten 1933 und 1945 hinweg zu
beobachten. Schon 1940 wurde
der Wiederaufbau der Krefelder
Innenstadt geplant. Im Rahmen
einer neuen Verkehrsplanung sollte
eine monumentale Achse von
Uerdingen durch die Innenstadt
bis nach St. Tönis geführt werden,
gesäumt von monumentalen
öffentlichen Gebäuden.
Die Dionysiuskirche wurde
angesichts des unausweichlichen
Flächenbombardements überplant
(Abb. 2.3_15 und 17).

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.3._18
Helmut Hentrich, ab 1943 zusammen mit
Hans Heuser von Albert Speer eingesetzt als
Wiederaufbauarchitekt für Krefeld

In der Nacht vom 21. auf den
22.06.1943 wurde ein großer Teil
der Krefelder Innenstadt durch
Bomben zerstört. Ausgerechnet
die für die Stadtbaukultur
Krefelds so typische Neustadt
mit der Friedrichstraße war dem
Flächenbombardement zum
Opfer gefallen. Hektisch wurde
zunächst begonnen, Schulen
und Verwaltungsgebäude, aber
auch Wohnungen notdürftig
wiederherzurichten (Abb. 2.3_16).
¶2EHUEUJHUPHLVWHU+HX\QJKDWWH
alle baupolizeilichen Bestimmungen
DX‰HU.UDIWJHVHW]W·'LH
technische Ausführung des ersten
provisorischen Wiederaufbaus
während des Krieges blieb
GHU¶6HOEVWYHUDQWZRUWXQJGHU
Bauunternehmer und Handwerker
>«@EHUODVVHQ· 19
1943 wurde Krefeld offiziell
¶:LHGHUDXIEDXVWDGW·DOV1U
von 42 Städten. 20 Das groß
DQJHOHJWH¶:LHGHUDXIEDXSURJUDPP·
+LWOHUVZDU¶YHUEXQGHQPLWGHU

Anordnung einer sofortigen
neuen Stadtplanung. Bangert
konnte dabei auf seine Planung
von 1940 zurückgreifen. Der
mit der Durchführung des
Wiederaufbauprogramms
beauftragte Rüstungsminister Albert
Speer wies den Städten namhafte
Privatarchitekten zu.
¶)U.UHIHOGZXUGHQ>@'U
Helmut Hentrich (Abb. 2.3_17)
sowie Hans Heuser als
Wiederaufbauarchitekten ernannt.
Am 24.05.1943 war Dr. Hollatz
unterdessen nach Düsseldorf
YHUVHW]WZRUGHQZRHU¶DOV
¶WHFKQLVFKHU/HLWHU·GHV*DXHV
Düsseldorf und später in Speers
Wiederaufbaustab als Koordinator
aller im Wiederaufbauprogramm
zusammengefaßten Großstädte
LQ'VVHOGRUIDPWLHUWH· 21 Der
geordnete Wiederaufbau der
Innenstadt konnte jedoch aufgrund
der andauernden Luftangriffe und
dramatischer Materialengpässe erst
nach dem Krieg stattfinden.

HELMUT HENTRICH 22
Der Sohn des vormaligen
Krefelder Beigeordneten und
Stadtbaurates Hubert Hentrich
studierte Architektur in Wien und
Berlin, den damaligen Zentren
der Avantgarde. Während der
Semesterferien arbeitete er bei
Hugo Häring und Ludwig Mies
van der Rohe. In Berlin lernte
er auch Albert Speer, Friedrich
Tamms und Rudolf Wolters
kennen.
Nachdem Albert Speer 1937
zum Generalbauinspektor (GBI)
für die Reichshauptstadt Berlin
ernannt worden war, bekam
auch Hentrich eine Position in
seinem Arbeitsstab. 1943 wurde
HU0LWJOLHGGHVࡐ$UEHLWVVWDE
Wiederaufbauplanung“ für die
im Krieg zerstörten Städte und
arbeitete unter anderem an
Wiederaufbauplanungen für
seine Geburtsstadt Krefeld.
In der Endphase des Zweiten
Weltkriegs wurde Hentrich von

Hitler in die GottbegnadetenListe der wichtigsten Architekten
aufgenommen, was ihn vor
einem Kriegseinsatz bewahrte.
Über seine Arbeit für die
¶2UJDQLVDWLRQ7RGW·VDJWHHU
VSlWHU¶'LHLQWHUHVVDQWH$UEHLW
an diesen Bauten war immer
nur sachbezogen und nie von
SROLWLVFKHQ$VSHNWHQJHIlUEW· 23
In der Nachkriegszeit geriet
Hentrich in die Schlagzeilen,
als der von Bernhard Pfau
gegründete Architektenring
Düsseldorf dem Leiter des
Stadtplanungsamtes, Friedrich
Tamms, vorwarf, ehemals
hochgestellte Freunde aus dem
Stab Albert Speers – zu denen
neben Julius Schulte-Frohlinde,
Konstanty Gutschow und Rudolf
Wolters auch Hentrich gehörte –
]XEHJQVWLJHQ¶7DWVlFKOLFKZLUG
Düsseldorf zu einem Zentrum
GHUHKHPDOLJHQ1D]L3URPLQHQ]·
formulierte der Architektenring
in einer Denkschrift. Trotz
112

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._19
Neugestaltung des Neumarktes, Südseite 1941
links oben die Bandfassade des EHAPE

dieser Einwände konnte
Hentrich – ehrenamtliches
Mitglied im Kulturausschuss
der Stadt Düsseldorf – sich an
den Wiederaufbauplanungen
für die Stadt beteiligen; sein
Architekturbüro prägte mit
repräsentativen Banken
und Verwaltungsbauten das
Erscheinungsbild der Innenstadt.
Dabei war sicherlich hilfreich,
dass Hentrichs Studienfreund
Friedrich Tamms Leiter des
Stadtplanungsamtes und Julius
Schulte-Frohlinde seit 1952 Leiter
des Hochbauamtes der Stadt
Düsseldorf war. Nach dem Tod
von Hans Heuser im Jahre 1953
nahm Hentrich Hubert Petschnigg
in das Architekturbüro auf.

M

RÄUMLICHER AUFBAU
ENTSCHANDELUNGSPLÄNE
Im Rahmen der Lehrschau im
Kaiser-Wilhelm-Museum wurden
(QWZUIH]XP¶:LHGHUDXIEDX·
XQG]XU¶(QWVFKDQGHOXQJ·GHULQGHU
Gründerzeit und Zwischenkriegszeit
durch neue Architekturstile stark
veränderten klassizistisch-barocken
Stadtanlage verfasst.

Für die Bebauung der Rheinstraße
zwischen Ostwall und Königstraße
wurden die Prinzipien der barocken
Friedrichstraße auf die Rheinstraße
übertragen, mit durchlaufenden
Traufhöhen, deutlich erkennbaren
Einzelparzellen und erhöhter bzw.
vorspringender Eckbebauung,
jetzt aber viergeschossig und im
Erdgeschoß zusammengefaßt mit
Kolonnaden (Abb. 2.3_14). Der
Entwurf erinnert an die Planungen
Auguste Perrets zum Wiederaufbau
von Le Havre.
Der Haltung dieser Planungen

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.3._21
Die Neugestaltung der Adolf-Hitler-Straße
[vorher und nachher Rheinstraße], 1941
links oben das Modehaus Kaufmann,
rechts oben das Café Cornelius

Abb. 2.3._20
Marktstraße 28

entspricht die unaufgeregte
Eckbebauung am Neumarkt und
der Südseite der westlichen
Marktstraße. Der Komplex schließt
die Marktstraße vom Neumarkt aus
gesehen ab mit einer Kolonnade.
Dadurch wird der Platz räumlich
gefasst.
Entlang der Südseite der
Marktstraße folgte ein
langgezogener schlichter Baukörper
mit einer Reihe von Geschäften
und zwei darüber liegenden
Wohngeschossen. Er wurde 1943
zerstört.
Der Bau am Neumarkt ist deutlich
inspiriert von der friederizianischen
Architektur der preußischen
Stadterweiterungen, in seiner
Strenge und Rationalität aber
deutlich dem 20. Jahrhundert
zuzuordnen.

1939 ist ein Vertreter dieser
Zeit und Denkweise. Er stellt
in unaufgeregter, deutlich von
der barock-klassizistischen
Formensprache inspirierter Weise
die Symmetrie des Rathauses
wieder her, indem er den nördlichen
Gebäudeflügel in leichter Variation
spiegelt. Beide Komplexe wurden
auch nicht mit Flachdach,
sondern wieder mit Satteldächern
abgeschlossen.
Die Details des Rathausanbaus
und des Baus an der Marktstraße
sind jedoch modern und rational
und entsprechen keinesfalls dem
Klischee der düsteren Schwere, die
der Architektur der NS Zeit anhaftet.

ÖFFENTLICHER RAUM
PARKHOFPLATZ
$ ¶$OVGHU]HKQMlKULJH
Pachtvertrag [für das beliebte
Konzertcafe am Parkhof]
auslief und der braune Spuk die
Baulichkeiten übernehmen wollte,
[…] liess [der Eigentümer] Stübben
die Gebäude kurzerhand abreißen.
Die Fläche wurde zum Platz der SA
umgetauft. Von da an fanden dort
Aufmärsche und Militärkonzerte
VWDWW¶ 25

Auch der heute nur vom
Westwall aus sichtbare, innere
Südflügel des Rathauses von
113

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

Abb. 2.3._22
Bauentwurfslehre, Ernst Neufert

Abb. 2.3._23
Rathauserweiterung von
Josef Walter Hollatz, 1939

S

Abb. 2.3._25
Hans Volger, Stadtarchitekt ab 1938

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEMBLES
Die während der NS-Zeit unter
Albert Speer vorangetriebene
Forschungs- und Entwicklungsarbeit
zum Wiederaufbau wirkte sich auch
auf das Krefelder Stadtbild aus.
Das Bauwesen, vor allem
aber der Wohnungsbau der
Nachkriegszeit sind ohne die
Wohnungstypen, Normierungen
XQGGLH¶%DXHQWZXUIVOHKUH·(UQVW
Neuferts undenkbar. (Abb. 2.3_22)
Seine Ideen zu einer funktionalen,
schnellen und kostengünstigen
Erstellung von Wohnraum für
Tausende obdachloser Menschen
wurden in der Nachkriegszeit
tausendfach aufgegriffen.
Der Wohnungsbau in Krefeld
konzentrierte sich während
der NS-Zeit vor allem auf die
Fortsetzung des Baus neuer
Siedlungen außerhalb der
Innenstadt, als Fortsetzung des
schon ab 1931 vorangetriebenen
Siedlungprogramms zur Linderung
der Wohnungsnot.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

ARCHITEKTUR
In der Krefelder Innenstadt wurde
kein Repräsentationsbau errichtet,
der dem Klischee einer Architektur
des Nationalsozialismus gerecht
werden könnte.
Die Erweiterung des Rathauses von
Josef Walter Hollatz entsprach zwar
den Ideen der Wiederherstellung
eines einheitlichen Stadtbildes
nach dem Muster der barockklassizistischen Stadtanlage, weist
aber eine entspannte Rationalität
und Verfeinerung auf. Dabei wird
die klassische Einteilung in einen
massiven Sockel, verputzten
Mittelbau mit Balkon auf der
Beletage und Satteldach mit
betonter Traufe neu interpretiert.
Abgesehen von einer
Theaterbaracke auf dem
Trümmergrundstück an der CarlWilhelm-Straße, der Stelle des
heutigen Stadttheaters, wurden im
Bereich der Vier Wälle während der
NS-Zeit keine weiteren öffentlichen

*HElXGHHUULFKWHW¶'LH'HXWVFKH
Arbeitsfront, kurz DAF, hatte die
Baracke zum Ersatz für ein neues
Stadttheater errichtet, für das das
Reichspropagandaministerium
im Rahmen des WiederaufbauProgramms eine großen
Geldsumme bereitgestellt zu haben
VFKHLQW· 26
Vielmehr brachte diese Zeit den
Verlust ganzer Quartiere und vieler
vor allem barocker Einzelgebäude
(Abb. 2.3_3 und 16). Die Bebauung
an der Friedrichstraße mit den
charakteristischen Eckhäusern ging
ebenso verloren wie die Synagoge,
die bereits 1938 in Brand gesteckt
worden war.
Nach den Zerstörungen durch
das Flächenbombardement wurde
versucht, bestehende Häuser in
der Innenstadt notdürftig wieder
herzurichten (Abb. 2.3_24). Die
barock-klassizistischen Häuser entlang
der Friedrichstraße wurden bis auf
Haus Floh nicht gerettet.

Abb. 2.3._24
Rathauserweiterung von
Josef Walter Hollatz, 1939

SONSTIGE OBJEKTE
Die Nationalsozialisten verlangten
nach 1933 die Entfernung der
1923 im Kaiser Wilhelm Museum
von Thorn-Prikker geschaffenen
Fresken. Der Museumsdirektor ließ
sie mit Hartfaserplatten bedecken
und verstecken.
Das Stadtbild wurde dominiert von
Hakenkreuzfahnen und NS- Parolen
an Gebäuden, die 1945 schnell
verschwanden.
MATERIAL UND FARBE
Die NS-Architekten setzten sich
mit der historischen Bautraditon
des Ortes auseinander. Der
vorgenannte Rathausflügel hatte,
in freier Interpretation der barockklassizistischen Bautradition
der Stadt, ein Sockelgeschoss
und Fensterumrandungen aus
Naturstein. Die Obergeschosse
waren verputzt.

114

1.3.2.1 NS ZEIT /DER ZWEITE
WELTKRIEG (1939-1945)

BILD
S. 108
Abb. 2.3_1
StAKR Obj. Nr. 24.066
Abb. 2.3_2
DURTH, Werner: Deutsche Architekten.
Braunschweig 1986 (S.253)
Abb. 2.3_3
Stadt Krefeld, Stadtarchiv: Zerstörungsplan 1945
aus: HUMPERT, Klaus: Rahmenplan Innenstadt,
Krefeld 1990

Abb. 2.3_15
CLAßEN, ROBERT: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie (S. 337 – Abb. M 11.27)

1
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933
(Bd. 5, S. 167)

20
HANGEBRUCH, Dieter: Krefeld-Uerdingen
und Hüls zur Zeit des Nationalsozialismus
1933-1945 (Bd. 5, S.210)
21
DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986

S. 112
Abb. 2.3_16
HOUBEN, Heribert et al,: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004),
Krefeld 2010 (S. 306 – Abb. 37)
Abb. 2.3_17
CLAßEN, ROBERT: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie (S. 337 – Abb. M 11.27)

S. 109
Abb. 2.3_4
gemeinfrei

TEXT

Abb. 2.3_18
StAKR Obj. Nr. 1476

2

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933 (Bd. 5, S. 168)

22
DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986 (S.509)

3

23
DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986

HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933
(Bd. 5, S. 165)

4

25
OPDENBERG, Georg: Artikel in der WZ,
Krefeld 06.06.2019, Yvonne Brandt

5

26
HANGEBRUCH, Dieter: Krefeld-Uerdingen
und Hüls zur Zeit des Nationalsozialismus
1933-1945 (Bd. 5)

HANGEBRUCH, Dieter: Krefeld-Uerdingen
und Hüls zur Zeit des Nationalsozialismus
1933-1945 (Bd. 5, S.191)
HOUBEN, Heribert: Die Zeit der Weimarer
Republik 1918-1933
(Bd. 5, S. 165)

6

Abb. 2.3_5
HOUBEN, Heribert et al,: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004),
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 218, Abb. 13)
Abb. 2.3_6
HOUBEN, Heribert et al,: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004),
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 194, Abb. 4)
Abb. 2.3_7
HOUBEN, Heribert et al,: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004),
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 218, Abb. 14)

S. 113
Abb. 2.3_19
CLAßEN, ROBERT: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie (S. 326 – Abb. M 11.9)
Abb. 2.3_20
MIR Architecten/Flexus AWC
Abb. 2.3_21
CLAßEN, ROBERT: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie (S. 324 – Abb. M 11.7)

S. 114

Abb. 2.3_8
HOUBEN, Heribert et al: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004),
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 251, Abb. 25)

Abb. 2.3_22
NEUFERT, (UQVW%DXHQWZXUIVOHKUH$XÁDJH
Braunschweig 1984

S. 110

Abb. 2.3_24
MIR Architecten/Flexus AWC

WEX, Manuela: ter Meer, Fritz. In: Neue
Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Berlin
1990

7
HANGEBRUCH, Dieter: Krefeld-Uerdingen
und Hüls zur Zeit des Nationalsozialismus
1933-1945 (Bd. 5, S. 318)
8

SCRIBA, Arnulf: Der Zweite Weltkrieg,
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/zweiterweltkrieg, LeMo, Deutsches Historisches
Museum, Berlin 2014

9

HANGEBRUCH, Dieter: Krefeld-Uerdingen
und Hüls zur Zeit des Nationalsozialismus
1933-1945 (Bd. 5, S. 209)

10

BANGERT, Wolfgang: Die Krefelder
$EWHLOXQJGHU$XVVWHOOXQJ¶'LHVFK|QH6WDGW
LKUH(QWVFKDQGHOXQJXQG*HVWDOWXQJ·LQ
Krefeld DH 20/1941

11

Abb. 2.3_23
MIR Architecten/Flexus AWC

DANKE Wolfgang, Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959

12

Abb. 2.3_9
Stadt Krefeld, Vermessungs- und Katasterwesen
Abb. 2.3_10
StAKR Obj. Nr. 6.206

BANGERT, Wolfgang: Aufgaben, Krefeld
1941 (S. 250-265)

13

Abb. 2.3_25
SCHULTE, Paul-Günther und VOLGER,
Alexander: Hans Volger (1904-1973) - zwei
Ansprachen, DH 75/2004 (S. 63)

Abb. 2.3_11
Stadt Krefeld, NS-Dokumentationsstelle,
Sammlung Jim Daniel

BANGERT, Wolfgang: Stadtgestaltung,
Krefeld 1941 (S. 293)

14

BANGERT, Wolfgang: Stadtgestaltung,
Krefeld 1941 (S. 288)

15

WIKIPEDIA: Wolfgang Bangert
abgerufen am 20.01.2020

16

Abb. 2.3_12
StAKR Obj. Nr. 4.711.

SCHULTE, Paul-Günter und VOLGER,
Alexander: Hans Volger (1904-1973) - zwei
Ansprachen, Krefeld DH 75/2004

17

S. 111

DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986

Abb. 2.3_13
StAKR Obj. Nr. 20.848

18

Abb. 2.3_14
CLAßEN, ROBERT: Zum Beispiel Krefeld.
Die Erweiterungen von 1692 bis 1975. Eine
Stadtgeographie (S. 324 – Abb. M 11.7)

19

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986
DURTH, Werner: Deutsche Architekten,
Braunschweig 1986

115

1.3.2 WIEDERAUFBAU
.2
UND NEUORDNUNG
(50ER UND 60ER
JAHRE)

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

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8$)$/;*3-%'/6%6$3%$37$//+*3$/%='7'/(-%*/:'>*11$/?@
Wolfgang Bangert 1941

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

116

Nach der Zerstörung wurde die Krefelder Innenstadt aufgrund
der schon während des Krieges aufgestellten Planungen
auf dem historischen Stadtgrundriss wieder aufgebaut. Die
Bebauung folgte dem historischen Stadtbild und interpretierte
es neu.
Eine radikale Neuordnung wurde erst in den 60er Jahren
versucht, indem die Ideen der gegliederten, aufgelockerten,
autogerechten Stadt umgesetzt wurden. Die Bebauung sollte
jetzt nicht mehr mit dem geschlossenen Stadtbild harmonieren,
sondern es aufbrechen und räumliche Spannung erzeugen.

Abb. 2.4._1
Krefeld Rheinstraße gegen Ende der 50er Jahre

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4._2
Karte Wiederaufbau und Neuordnung

archäologische Funde
Vagedesplan
Grün
Bebauung
Abriss
Stadttor
Stadtmauer
Gebäude <3 Etagen
Gebäude 3-4 Etagen
Gebäude 5-7 Etagen
Gebäude 8-10 Etagen
Gebäude >10 Etagen
Satteldach
Passage
neuer Baum
vorhandener Baum
entfernter Baum
neue Gleise
vorhandene Gleise
entfernte Gleise

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

117

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_4
Dr. jur. Johannes Stepkes
Oberbürgermeister 1943-1949

Abb. 2.4_5
Ökumenischer Buß- und Bittgang der Krefelder
Christen durch die in Trümmern liegende
Innenstadt, 11.12.1946

Abb. 2.4_6
Konrad Adenauer

Abb. 2.4_3
Karte der Besatzungs - Zonen
links oben die britische Besatzungs - Zone

POLITISCHE UND SOZIALE
KRÄFTE
ALLIIERTE BESATZUNG
Am 3. März 1945 besetzten
amerikanische Truppen Krefeld
XQGEHUQDKPHQGLHYRUOlXÀJH
Verwaltung. Nach der Kapitulation der
deutschen Wehrmacht in der Nacht
vom 8. auf den 9. Mai 1945 übernahm
Großbritannien die Verwaltung
der britischen Besatzungszone
entsprechend der Vereinbarung,
die die drei Siegermächte USA,
Sowjetunion und Großbritannien bei
der Konferenz von Jalta vom 4. bis
11. Februar 1945 beschlossen hatten
(Abb. 2.4_3). Ziel der Alliierten war die
(QWQD]LÀ]LHUXQJ'HPRNUDWLVLHUXQJ
Entmilitarisierung und Dekartellisierung
Deutschlands.
Nachdem Oberbürgermeister Dr.
Heuyng und andere hochrangige
Verwaltungsbeamte sich auf die
DQGHUH5KHLQVHLWHJHÁFKWHWKDWWHQ
ernannten die alliierten Besatzer Dr.
jur. Johannes Stepkes (Abb.2.4_4)

zum Oberbürgermeister und betrauten
ihn mit dem Aufbau einer neuen
Verwaltung. Nach seinem Weggang
1949 teilten sich Dr. Paul Witten
und Dr. Wilhelm Warsch das Amt.
1952 kam bei den Kommunalwahlen
erstmals die SPD ans Ruder, Josef
Hellenbrock wurde 1952 erster
Oberbürgermeister der SPD. 1961
wurde er von Herbert van Hüllen
(CDU) abgelöst.
ÖKONOMIE
Die Not war groß. Die
Deutschen lebten in einer
¶=XVDPPHQEUXFKVJHVHOOVFKDIW·
Millionen Männer waren in
Gefangenschaft und mehr als 12
Millionen Flüchtlinge und Vertriebene
aus dem Osten Europas strömten
in die vier Besatzungszonen.
Lebensmittel wurden den
Menschen über ein System von
Lebensmittelmarken zugewiesen.
6FKRQZDULP¶0RUJHQWKDXSODQ·
beschlossen worden, Deutschland
müsse in einen Agrarstaat

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

umgewandelt und die Industrie auf
50% des Vorkriegsumfangs reduziert
werden. Bis 1947 starben vor allem
viele ältere Menschen und Kleinkinder
an Hunger und Krankheiten, bis die
Besatzungsmächte sich schließlich
aus Kostengründen dafür entschieden,
den Morgenthauplan fallen zu lassen.
Noch bis 1948 lebte man auch in
Krefeld von den - in der Form von
Lebensmittelmarken zugewiesenen
- Kalorien pro Person, die jetzt mit
CARE-Paketen angereichert wurden.
MARSHALL-PLAN,
WÄHRUNGSREFORM
Um den Wiederaufbau Europas
anzukurbeln, kündigte USAußenminister George C. Marshall
am 5. Juni 1947 ein Hilfsprogramm für
Europa an, den Marshall-Plan. Die
Sowjetunion lehnte für die Länder des
Ostblocks die Teilnahme daran ab. Am
20. Juni 1948 wurde auf Drängen der
West-Alliierten in den drei Westzonen
GLH¶'HXWVFKH0DUN·DOVQHXH:lKUXQJ
eingeführt.

¶'LHYRQGHQ6LHJHUPlFKWHQYHUODQJWH
Demontage von Produktionsanlagen
wurde 1950 eingestellt. In Krefeld
war bis dahin nur die veraltete und
geschrumpfte Reinholdhütte im
Hafen abgeräumt worden. In anderen
Betrieben […] hatte die Demontage
zwar begonnen, wurde aber nicht zu
Ende geführt. Aus der Beschlagnahme
XQGQDFKIROJHQGHQ(QWÁHFKWXQJ
der IG Farben AG ging 1951 die
Farbenfabriken BAYER AG hervor,
der das Uerdinger Chemiewerk
]XJHVFKODJHQZXUGH·1 Fritz ter Meer
wurde nach seiner vorzeitingen
Entlassung aus dem Gefängnis
Aufsichtsratsvorsitzender.2
GRÜNDUNG NORDRHEIN
- WESTFALENS UND
DER BUNDESREPUBLIK
DEUTSCHLAND
Am 17. Juli 1946 ließ der britische
Oberbefehlshaber bei einer
Pressekonferenz in Berlin bekannt
geben, dass die ehemaligen
preußischen Provinzen Nordrhein
und Westfalen zu einem neuen

Land zusammengelegt werden. Der
parteilose Westfale Rudolf Amelunxen
wurde am 24. Juli 1946 von den
Briten zum ersten Ministerpräsidenten
ernannt. 1948 forderten die
alliierten Besatzungsmächte
die Ministerpräsidenten der drei
westlichen Besatzungszonen auf,
ein Grundgesetz zu erarbeiten, das
am 23. Mai 1949 in Kraft trat. Damit
war die Bundesrepublik Deutschland
gegründet. Die Sowjetunion gründete
daraufhin am 7. Oktober in ihrer
Besatzungszone die Deutsche
Demokratische Republik. Jetzt gab
es in Deutschland zwei Staaten. Die
vier Sektoren Berlins behielten ihren
Sonderstatus.

sollten Westdeutschland für die
nächsten Jahrzehnte prägen. 1961
wurde die Berliner Mauer errichtet und
trennte fortan die beiden deutschen
Staaten.

In den folgenden Jahren gelang
es dem ersten Bundeskanzler
Konrad Adenauer (Abb. 2.4_10),
die Bundesrepublik politisch,
wirtschaftlich und militärisch in den
Westen einzugliedern. Die Soziale
Marktwirtschaft und ein enormer
wirtschaftlicher Aufschwung, das
VRJHQDQQWHࡐ:LUWVFKDIWVZXQGHU´
118

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4._8
Rathausvorplatz, Wettbewerbsentwurf von 1948

Abb. 2.4._7
Rathausvorplatz, Planung 1949

Abb. 2.4._9
Erster Wiederaufbauplan 1949

WIEDERAUFBAU
Unter britischer Aufsicht wurde
in Krefeld mit dem Wiederaufbau
begonnen. Bei den Luftangriffen
während des Krieges war etwa
die Hälfte der Wohnungen in der
Stadt zerstört worden. Vor allem
die nordöstliche Innenstadt war
ein Ruinenfeld. Die obdachlosen
Menschen bekamen vom schon
in der NS-Zeit eingerichteten
¶:RKQXQJVYHUPLWWOXQJVDPWIU
%RPEHQJHVFKlGLJWH·EHKHOIVPl‰LJHQ
Wohnraum zugewiesen in den
noch bewohnbaren Häusern und in
Notunterkünften.

Krieg fast unversehrt überstanden
und ermöglichten einen raschen
Wiederaufbau (Abb. 2.4_20).

Der Trümmerschutt wurde zum Teil
wiederverwendet, zur Trockenlegung
des Sprödentalplatzes genutzt oder
am Flünnertzdyk zu einem Berg
DXIJHWUPW¶GHUGDQQDOV,QUDWKHU
Berg mit 87m über NN die höchste
(UKHEXQJGHU6WDGWZXUGH·6 Das
Straßennetz und die Kanalisation
waren zum großen Teil erhalten
geblieben. Auch die städtischen
Versorgungsbetriebe hatten den

DER WIEDERAUFBAUPLAN
VON 1949 – BEHUTSAME
REKONSTRUKTION
Anfang Mai 1946 war in Krefeld
HLQH¶*HPHLQVFKDIWGHU)UHXQGH
und Förderer des Wiederaufbaus
GHU6WDGW.UHIHOGH9·JHJUQGHW
ZRUGHQ¶2UGHQWOLFKH0LWJOLHGHU
waren Körperschaften und
Verbände; Einzelpersonen galten
als außerordentliche Mitglieder. […]

Für den Wiederaufbau Krefelds sind
zwei Phasen zu unterscheiden, die
ineinandergriffen, aber vom Ansatz
her sehr unterschiedlich waren. Der
Wiederaufbauplan von 1949 - initiiert
von Krefelder Bürgern - wollte das
historische Stadtbild weitgehend
rekonstruieren. Im Wiederaufbauplan
von 1959 - aufgestellt vom
Stadtplanungsamt - sollte die
Innenstadt grundlegend neu geordnet
werden.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Ein besonderes und ungewohntes
Gewicht bekam der Verein dadurch,
dass die Stadt ihm und seinem
vornehmlich aus Architekten
EHVWHKHQGHQ¶)DFKDXVVFKXVV3ODQXQJ·
die Wiederaufbauplanung übertrug.
Dem Ausschuss stellte man ein mit
Fachkräften besetztes Büro zur Seite,
das der Baudezernent Wilhelm Wronka
OHLWHWH·7 Wer diese Fachkräfte waren,
konnte im Rahmen dieser Analyse
nicht ermittelt werden.
Nachdem ein Wettbewerb 1948
keine befriedigenden Lösungen
hervorgebracht hatte, machte sich
die Planungsabteilung des Vereins
selbst an die Aufstellung eines
:LHGHUDXIEDXSODQV $EEB ¶(U
ist in starker Anlehnung an das alte
Stadtgefüge entwickelt und widmet
sich sehr sorgfältig Gestaltungsfragen
an den Schwerpunkten des
Stadtgebietes. [...] Man merkte ihm
die Absicht an, dem überwiegenden
Willen der Bürgerschaft entsprechend,
das alte, liebgewordene,
verlorengegangene Bild der Stadt zu

EHVFKZ|UHQ·8
Baudezernent Wronka schrieb dazu
LP(UOlXWHUXQJVEHULFKW¶'LH)DFKOHXWH
hätten die Planung nach ihren
Kenntnissen und Erkenntnissen in
vielen Teilen wesentilch großzügiger
gehandhabt. Parkplätze, breite
6WUDVVHQ$XÁRFNHUXQJGHU,QQHQVWDGW
und Grundstücksbereinigung genügen
den fachlichen Erfordernissen nicht.
[…] und daß der Bürger aus seiner
rückwärtsschauenden Anhänglichkeit
an das Gewesene und an seinen
Grundbesitz sowie auch aus
wirtschaftlichen Existenzgründen
einer zu großzügigen Zukunftsplanung
abgeneigt ist und der Wille, an alter
Stelle in altem Umfange und in
gleicher Form wieder aufzubauen, was
zerstört ist, sehr oft stärker ist, als die
gesetzlichen Möglichkeiten, ihn daran
]XKLQGHUQ·9
Die Planungsbehörde begann mit der
Umsetzung des Wiederaufbauplans.
Dr. Wolfgang Bangert, der
bereits während der NS-Zeit den

:LHGHUDXIEDXGHU6WDGW¶QDFK
GHP(QGVLHJ·JHSODQWKDWWH
kehrte 1948 zurück als Leiter des
Stadtplanungsamtes und Hans
Volger übernahm jetzt die Leitung
des Hochbauamtes. Wie in vielen
deutschen Städten waren die
Stadtplaner und Architekten der
NS-Zeit relativ schnell als Mitläufer
eingestuft und auf diese Weise
HQWQD]LÀ]LHUWZRUGHQ6RQDKPHQ
auch Bangert und Volger nach
ein paar Jahren als selbständige
Architekten wieder Positionen in der
Stadtverwaltung ein.

der kleinteiligen Eigentümerstruktur
und der begrenzten rechtlichen,
SHUVRQHOOHQXQGÀQDQ]LHOOHQ0LWWHOGHU
Stadt Krefeld waren ohnehin zunächst
kaum Veränderungen im Sinne einer
Neuordnung umsetzbar. Grundstücke
für größere Bauvorhaben gab es im
Stadtkern nicht.

¶hEHUGHQ:LHGHUDXIEDXGHU
zerstörten Städte wurde im
Nachkriegsdeutschland viel diskutiert.
Wer rekonstruierte, setzte sich dem
Verdacht aus, er wolle den Grund
der Zerstörung – die Verbrechen
der NS-Zeit – verdrängen oder
beseitigen. Rekonstruktion war
deshalb ein politisch und moralisch
EHODVWHWHV7KHPD·10 Die Bürger
der Städte hingegen wollten das
Altvertraute wieder aufbauen. Wegen
119

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

2.4_41

Abb. 2.4._10
Der Neumarkt mit dem neuen Kaufhof im
Duktus der ersten Nachkriegsmoderne

WIRTSCHAFTSWUNDER UND
MODERNISIERUNG
Mit Marshallplan und Währungsreform
kam langsam auch in Krefeld ein
wirtschaftlicher Aufschwung in
Gang, der sich zu einem rasanten
:LUWVFKDIWVZXQGHUDXVZXFKV¶'LH
zerstörten oder schwer beschädigten
Fabriken wurden aus der Enge des
Innenstadtbereichs hinaus in neue
Gebäude an den Stadtrand verlegt.
Sie liefen alsbald auf vollen Touren,
DXFKLQGHU6HLGHQLQGXVWULH·11
Die Bereiche Metall, Chemie und
Elektrotechnik begannen, die Textilund Bekleidungsindustrie aus der sie
KHUYRUJHJDQJHQZDUHQ]XEHUÁJHOQ
Die funktionale Entmischung der
Innenstadt schritt fort.
¶'LH-DKUH]ZLVFKHQXQG
waren für West- und Ostdeutschland
eine Zeit der Stabilisierung und
Modernisierung. […] Die Wirtschaft
benötigte für weiteres Wachstum
ausländische Gastarbeiter. Eine
breite Mehrheit der Menschen
lebte in wachsendem Wohlstand,
KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.4._11
'LH+RFKVWUD‰HPLWHLQHUQHXHQ¶DEVWUDNWHQ·
Fassade am ehemaligen Kaufhaus Aretz

der Konsum, Freizeit und Reisen
ermöglichte. Zugleich befand sich
der Westen im politischen und
gesellschaftlichen Wandel. Besonders
Studenten und Intellektuelle stellten
die herrschenden Traditionen und
Werte in Staat und Gesellschaft in
Frage. In Demonstrationen forderten
sie ab Mitte der 1960er Jahre
bessere Bildungschancen sowie
eine Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus. Sie protestieren
gegen die Politik der Großen Koalition
unter Bundeskanzler Kurt Georg
.LHVLQJHUXQGGHQ9LHWQDP.ULHJ·12
Mit dem Wirtschaftswunder kam
auch die Motorisierung der Massen.
'HU¶9RONVZDJHQ·ZXUGHIUEUHLWH
Bevölkerungsschichten erschwinglich.
Die Verkehrsprobleme in den Städten
zeigten sich rasch und schon in
den 1950er begann man in ganz
Deutschland, die Stadtkerne für
den aufkommenden Autoverkehr
umzubauen. Der Krefelder Verein für
den Wiederaufbau hatte gefordert,
·GD‰PDQGHQ6WDGWNHUQVHOEVW

Abb. 2.4._12
Die Hochstraße mit dem neuen Kaufhaus
Sinn mit Rasterfassade im Duktus der ersten
Nachkriegsmoderne

Abb. 2.4_13
Museumsdirektor Paul Wember
auf dem Dach des Kaiser-Wilhelm-Museums
Foto: Karl Heinz Lengwennings

2.4_39

möglichst vom Straßenverkehr und
von der Straßenbahn freimachen
wollte [...] Andererseits galt aber die
Devise [vor allem des Einzelhandels],
den Verkehr vom Ring und von
der Uerdinger Straße aus so nahe
wie möglich an die Innenstadt
heranzuführen, denn er belebe
Handel und Wandel. Nur die OstWest Verbindung über die […] SanktAnton-Straße sei unverzichtbar und
müsse als Hauptachse ausgebaut
ZHUGHQ·13 Mit diesem Spagat
zwischen einer weitgehend autofreien
und einer für Autos gut erreichbaren
,QQHQVWDGWEHJDQQGLH$XÁ|VXQJGHV
|IIHQWOLFKHQ5DXPHV¶GXUFKVHLQH
Inanspruchnahme für Kraftfahrzeuge
und für die von den Prinzipien der
Moderne geleiteten Praktiken der
)XQNWLRQVWUHQQXQJ·14

KULTUR
Unmittelbar nach dem Krieg waren
die ersten kulturellen Angebote mit
Hilfe der Alliierten wieder auf die
Beine gestellt worden. Dabei ging
es nicht a priori um Zerstreuung,
sondern vor allem darum, die
deutsche Gesellschaft im Sinne
eines demokratischen und vor
allem friedlichen Gemeinwesens
umzuerziehen. Bibliotheken, Theater
XQG.LQRZDUHQ¶HQWQD]LÀ]LHUW·ZRUGHQ
und die Lehrpläne der Schulen
angepasst.15
$XVÀQDQ]LHOOHQ(UZlJXQJHQ
gründete sich schon 1950 die
Theatergemeinschaft Krefeld
Mönchengladbach und konnte bald
ihr neues Haus am Theaterplatz
beziehen.

worden zu sein wie ihre Fähigkeit und
Bereitschaft, historische Erfahrungen
LQSODXVLEOH%LOGHUXP]XVHW]HQ·16
Das Rheinland entwickelte sich
während des Wirtschaftswunders
neben New York zum wichtigsten
Ort für die moderne Kunstszene. In
Krefeld setzte Museumsdirektor Paul
Wember Zeichen, indem er alles
Neue einlud und Skandalen nicht aus
GHP:HJHJLQJ'HU¶lVWKHWLVFKH
5HSUlVHQWDWLRQVYHU]LFKW·17 ermöglichte
eine enorme Vielfalt, die sich jetzt mit
dem freien Markt auseinandersetzte.

Hatte die Kunst in Deutschland unter
GHQ1DWLRQDOVR]LDOLVWHQ¶EHUUDJHQGH
Bedeutung für die Symbolisierung
einer nationalen Identität [so scheint
diese in der Nachkriegszeit] durch
ihre Vermarktung ebenso unterlaufen
120

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4._15
zweite Wiederaufbauplanung: 1959
Abb. 2.4._14
Planung für die Bebauung zwischen Königstraße
und Petersstraße nördlich der Marktstraße 1959)

DER WIEDERAUFBAUPLAN VON
1959 – RADIKALE NEUORDNUNG
Bangerts Nachfolger Gerhard
Rabeler hatte die Rekonstruktion des
Vagedesschen Stadtgrundrisses den
¶VWHLQJHZRUGHQHQ$XVGUXFNHLQHU
vergangenen Gesellschafts- und
:LUWVFKDIWVRUGQXQJ·JHQDQQWXQG
IRUGHUWHMHW]W¶(LQQHXHV*HIJH
das den praktischen Erfordernissen
des modernen und möglichst
auch zukünftigen Wirtschafts- und
Gesellschaftslebens genügt und
gleichwohl die Unverwechselbarkeit
und Tradition Krefelds zum Ausdruck
EULQJW·18
ZXUGHGLH$XÁ|VXQJGHU
¶*HPHLQVFKDIWGHU)UHXQGHXQG
Förderer des Wiederaufbaus der Stadt
.UHIHOGH9·EHVFKORVVHQXQGVRPLW
kam die Planung wieder ausschließlich
in städtische Hand. Rabeler arbeitete
LQGHQ)ROJHMDKUHQGDUDQ¶HLQH
vernünftige bauliche Ordnung im
Stadtkern zu schaffen […]. Wenn es
nicht gelingt, der Innenstadt […] ein
endgültiges Gesicht zu geben, dann

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

besteht die Gefahr, daß sie auf lange
=HLWDOV7RUVROLHJHQEOHLEW·19 1961
wechselte Rabeler nach Ulm. Sein
Nachfolger wurde Wolfgang Danke
(1961 bis 1971).
¶(LQHGHUZLFKWLJVWHQ*UXQGODJHQ
für die Planung [...] war die
Verfügungsgewalt über den Baugrund.
In allen Aufbaugesetzen sind hierzu
[...] Regelungen getroffen worden.
In NRW beispielsweise konnten die
Gemeinden einen Grenzausgleich
DQRUGQHQ*UXQGÁlFKHQGHV
Gemeinbedarfs in ihr Eigentum
überführen, Grundstücke umlegen
oder zusammen legen, Grundstücke
neu ordnen und auch Grundeigentum
HQWHLJQHQRGHUEHVFKUlQNHQ·20 1953
wurde der erste Bauleitplan vom Rat
beschlossen. Im selben Jahr fand die
erste Grundstücksumlegung statt.
Das Gebiet zwischen Krefeld und
Uerdingen wurde - bis auf die
Parks - mit neuen Wohnungen
überplant. Ein unglaublicher Bauboom
begann – vor allem außerhalb der

Innenstadt. Auch das Wallgeviert
hatte 1959 wieder 8.500 Einwohner,
und bis zur Fertigstellung aller dort
geplanten Wohnungen wurden dort
etwa 10.500 Einwohner erwartet.
1959 schrieb Oberbaurat Rabeler,
GDVVHVEHGDXHUOLFKVHL¶GD‰
eine durchgreifende Neuordnung
des Kernbereichs und damit eine
Entmischung von Wohnungen und
Gewerbebetrieben nicht durchgeführt
ZXUGH¶21 Infolgedessen hätten viele
Bewohner nicht genug Licht, Luft und
Freiraum. Er empfahl, innerhalb des
Wallgevierts keine Wohnungen für
Familien mehr zu bauen.

schließlich die Einrichtung von
Fußgängerzonen […]. Die breiten
Innenstadt-Tangenten zerstörten aber
nicht nur den Maßstab der inneren
Stadt, sondern wurden teilweise
zu unüberwindbaren Barrieren für
GDVHPSÀQGOLFKH1XW]XQJVJHIJH
Sie trennten damit die Stadtkerne,
die sich zu monofunktionalen
Großbetriebsnutzungen veränderten,
von ihren Ergänzungsgebieten und
den funktional wichtigen Lagen zweiter
XQGGULWWHU%RGHQZHUWVWXIH·22

Unter Herbert van Hüllen,
Oberbürgermeister ab 1961,
geriet Krefeld in eine regelrechte
0RGHUQLVLHUXQJVHXSKRULH¶(LQH
Fortschrittsgläubigkeit und die
hEHU]HXJXQJGD‰GDV1HXHGHP
Alten grundsätzlich überlegen sei,
führte [in ganz Deutschland] zu heute
nur schwer verständlichen Eingriffen.
[…] Die übergroße Verkehrsdichte
erzwang in schmalen Einkaufsstraßen
121

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_16
Krefeld Ostwall, um 1960

Abb. 2.4_17
Planung für die Bebauung an der Sankt-Anton6WUD‰HXQGhEHUSODQXQJGHU0DUNWKDOOH

L

STADTSTRUKTUR
WIEDERAUFBAUPLAN 1949
In der ersten planmäßigen
Wiederaufbauphase direkt nach dem
Krieg wurde die Stadt weitgehend
auf der Basis der alten Stadtstruktur
wiederaufgebaut, unter Einhaltung
der historischen Fluchtlinien und
Traufhöhen (Abb. 2.4_9). Dabei wurde
eine unaufgeregte, zurückhaltende
Architektursprache verwendet, die die
historische Stadtstruktur auch räumlich
ebenso nahtlos wie unspektakulär
wiederherstellte.
Entlang der Vier Wälle wurde
parzellenweise mit einer begrenzten
Variation von Trauf- und Firsthöhen
und Satteldach gebaut. Es gab auch
Lösungen mit einem Staffelgeschoss
mit Satteldach, dessen Kubatur mit
den konventionellen Satteldächern
übereinstimmte. Für die Ecken zu den
Längs- und Querstraßen innerhalb der
Vier Wälle, deren Bebauung traditionell
etwas niedriger war, wurden zum Teil
UDIÀQLHUWH/|VXQJHQJHIXQGHQ

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Die Zahl der städtebaulich geplanten
Abweichungen von der historischen
Stadtstruktur war gering. So wurde ein
Akzent als nördliche Beendigung des
Ostwalls am Nordwall vorgesehen. Der
östliche Teil der Gartenstraße wurde in
die Achse der Hauptpost verschoben,
nicht nur der monumentalen Geste
wegen, sondern vor allem, um eine
JU|‰HUH%DXÁlFKHIUHLQQHXHV
Theater zu erhalten.
Die leichte Verbreiterung der SanktAnton-Straße sowie des Ostwalls im
Bereich der Haltestelle Rheinstraße
waren dem Verkehr geschuldete
Planungen, die jedoch dem
Grundprinzip eines geschlossenen
Stadtbildes folgten.
Der Straßenkorridor der langen
Königstraße sollte zwischen
Markt- und Rheinstraße durch
die Verschiebung der Fluchtlinien
aufgelockert werden.

WIEDERAUFBAUPLAN 1959
In der zweiten planmäßigen
Wiederaufbauphase wurde durch
die Stadtplanung der Versuch einer
¶GXUFKJUHLIHQGHQ·1HXRUGQXQJ
unternommen. Hatte der Krieg die
Gebäude zerstört, so wurde nun auch
PLWGHU$XÁ|VXQJGHUKLVWRULVFKHQ
Stadtstruktur begonnen. 1959
kritisierte der Stadtplaner Rabeler die
HUVWH:LHGHUDXIEDXSODQXQJ¶(VVLQG
aber auch kaum Versuche gemacht
worden, […] das Straßenraster zu
differenzieren, es ist kaum versucht
worden, durch Variationen der
Höhenentwicklung die Monotonie der
Korridorstraßen mit durchlaufenden
Traufhöhen zu durchbrechen oder
aufeinander abgestimmte Raumfolgen
]XVFKDIIHQ·23 (Abb. 2.4_1)
Die historische Stadtstruktur sollte
GXUFKGLHEDXOLFKH$XÁRFNHUXQJ
Förderung des Individualverkehrs und
die räumliche Trennung der Funktionen
Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit
in eine moderne Stadt-Landschaft
umgewandelt werden. Eine Umsetzung

Abb. 2.4_18
Ackermann-Bauten, Konig- Ecke Gartenstraße

fand vor allem im schwer zerstörten
nördlichen Teil des Wallgevierts statt.
Aus dem Quartier, in dem im 18.
Jahrhundert die Seidenproduktion
der Von der Leyens angesiedelt
gewesen war, entstand durch die
Umlegung von Straßen und die freie
Platzierung skulpturaler Baukörper ein
vom Rest der Stadt abgeschnittenes,
durchgrüntes Wohnviertel. Lohstraße
und Färberstraße wurden nördlich
des Nordwalls aufgehoben, ein
neues Gebäude der Industrie- und
Handelskammer versperrte die
räumliche Verbindung zur Nordstraße
als Begrenzung der Innenstadt.
Südlich davon entstand ein Quartier
mit Zeilenbebauung.

geschlossenen Baublöcke und
Straßenkorridore in offene Bebauung
mit Vorder- und Rückseiten und
bekam der Straßenraum einen eher
suburbanem Charakter. Selbst auf
dem vorgenannten, ältesten Teil der
Königstraße entstand Zeilenbebauung,
die die ehemals dicht und kleinteilig
bebaute Mennoniten-Kirch-Straße
in eine Rückseite verwandelte (Abb.
2.4_14).

¶'LH)ULHGULFKVWDGWQLPPW]XVHKHQGV
das klare Ordnungsgefüge des alten
.UHIHOGZLHGHUDXI·24 So lautete eine
Bildunterschrift zu einem Foto der
Ackermann-Bauten. (Abb. 2.4_18)
Doch mit den neuen Garagen und
Vorgärten an der Färber-, Loh- und
Königstraße veränderten sich die für
die historische Planstadt so typischen
122

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4._9 (links)
Erster Wiederaufbauplan 1949

Abb. 2.4._15 (rechts)
Zweiter Wiederaufbauplan 1959

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

123

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_21
Der Parkhofplatz mit dem wieder hergerichteten
Grand Hotel Crefelder-Hof im Hintergrund
wurde nach dem Krieg nicht mehr als
|IIHQWOLFKH*UQÁlFKHVRQGHUQYRUDOOHPDOV
Parkplatz genutzt

Abb. 2.4_20 (oben)
Planung für den ruhenden Verkehr
im Krefelder Stadtkern, 1959

Abb. 2.4_19 (links)
3ODQXQJIUGHQÁLH‰HQGHQ9HUNHKU
im Krefelder Stadtkern, 1959

INFRASTRUKTUR
Schon 1956 waren in der Innenstadt
¶DQHLQHPQRUPDOHQ:HUNWDJ
Kraftfahrzeuge gezählt worden –
das zehnfache der Verkehrsdichte
LQGHQDQGHUHQ6WDGWWHLOHQ·25 Der
Verkehrsplan Krefeld von 1959 sollte
¶GDV=HQWUXPJXWHUUHLFKEDU>«@KDOWHQ
ohne den Autoverkehr zu behindern
oder gar völlig auszusperren.
Gleichzeitig sollte es dem Fußgänger
angenehm gemacht werden, in Ruhe
und Muße einzukaufen oder auch
QXU]XÁDQLHUHQ·26 In der Denkschrift
des Stadtplanungsamtes von 1959
wurden weitreichende verkehrliche
Maßnahmen für den ruhenden und
ÁLH‰HQGHQ9HUNHKUYRUJHVFKODJHQ
die im nächsten Jahrzehnt sukzessive
umgesetzt wurden (Abb. 2.4_19).
Für den Durchgangsverkehr in
Ost-Westrichtung wurde die SanktAnton-Straße deutlich verbreitert.
Der Durchbruch wurde als eine Art
'Achse der Moderne' geplant, gesäumt
von modernen Gebäuden (Abb.
2.4_61). Der Durchgangsverkehr in

Nord-Südrichtung mußte über den
Ostwall abgewickelt werden, dessen
Kapazitäten jedoch beschränkt waren.
An der Haltestelle Rheinstraße war
GLHZHVWOLFKH%DXÁXFKWVFKRQLQGHU
ersten Wiederaufbauplanung mit einer
klar und formal gefaßten Klammer in
der Blockrandbebauung zurückgelegt
worden und bildete eine geschlossene,
städtebauliche Figur (Abb. 2.4_16).
Zwischen der Haltestelle Rheinstraße
und der Kreuzung mit der SanktAnton-Straße wurden die Fluchtlinien
des Ostwalls ebenfalls verschoben.
Dieses Mal wurde die Figur aber nicht
mehr mit einer Blockrandbebauung
eingefasst, sondern - wie auch auf der
Sankt-Anton-Straße - mittels frei im
Raum stehender, großmaßstäblicher
Solitärbauten als städtebauliche
Akzente.
Der mittelalterliche Stadtkern hatte
sich schon während der Gründerzeit
zum Einzelhandelszentrum der
Stadt entwickelt. Um den Verkehr
so nah wie möglich an dieses

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Gebiet heranzubringen, wurden die
Breite Straße und die Königstraße
südlich der Sankt-Anton-Straße als
Parkring ausgebaut. Eine Reihe von
Durchbrüchen in Ost-Westrichtung
zwischen Ostwall und Königstraße
sollten die Wälle mit dem Parkring
verbinden und damit den Zugang
zur Innenstadt für den motorisierten
Verkehr erleichtern. Die Markt- und
Dreikönigenstraße wurden dafür
deutlich verbreitert. Im Norden der
Innenstadt wurde die Gartenstraße
als Ost-Westverbindung innerhalb des
Wohnviertels verbreitert.
Im ersten Wiederaufbauplan war noch
darüber nachgedacht worden, das
gesamte Gebiet zwischen den Vier
Wällen für den Autoverkehr zu sperren.
Dies wurde jedoch nicht umgesetzt,
weil das Einzelhandelszentrum
der Stadt auch damals schon viel
kleiner war als der Bereich der Vier
Wälle, und zwar deckungsgleich
mit dem Stadtgrundriss um 1700.
Man hätte also eine kurze Strecke
zu Fuß gehen müssen. Ein anderer

*UXQGZDUGDVV¶GLH)OlFKHQIU
den ruhenden Verkehr wegen der
Eigenart der Kriegszerstörungen in
Krefeld innerhalb statt außerhalb des
Wallvierecks angeordnet worden sind
und in dem erforderlichen Umfang
außerhalb des Wallvierecks nicht
PHKUJHVFKDIIHQZHUGHQN|QQHQ·27
Um Parkplätze für die vielen Autos
der Besucher und Bewohner zu
schaffen, wurden komplette Baublöcke
freigelassen (Abb. 2.4_20).
Vor allem die schmalsten
Baublöcke, die im Vagedesplan
durch die Wiederverwertung der
Umgehungsstraßen außerhalb der
preußischen Stadtmauern und –gräben
entstanden waren, wurden jetzt zu
Parkplätzen umfunktioniert. Zwischen
Schneider- und Lutherischer-KirchStraße, Wiedenhof- und Wallstraße,
Loh- und Petersstraße (Abb.
2.4_21) wurden jetzt Parkplätze statt
Baublöcke geplant. Realisiert wurden
u.a. die Parkplätze vor dem Rathaus
KHXWH¶9RQGHU/H\HQ3ODW]· XQG
nördlich der Gartenstraße, sowie am

heutigen Willy-Göldenbachs-Platz,
am heutigen Behnischhaus und am
¶'U+LUVFKIHOGHU3ODW]·$XFKDQ
GHU¶Q|UGOLFKHQ/RKVWUD‰H·XQGGHU
Nordstraße Ecke Sternstraße und
Ecke Ostwall wurden neue Parkplätze
geschaffen.
Der öffentliche Raum des
Wohngebietes um den mittelalterlichen
Stadtkern herum wurde durch
den Parkring und die daran
gelegenen ebenerdigen Parkplätze
einer unverhältnismäßig hohen
Verkehrsbelastung ausgesetzt.
Der für ein attraktives Wohngebiet
benötigte Frei- und Parkraum wurde
von den Besuchern der Innenstadt
in Beschlag genommen. Schon
1959 räumte das Stadtplanungsamt
HLQ¶GD‰JUXQGVlW]OLFKHLQ
Mißverhältnis zwischen dem
Aufwand für die Schaffung von
9HUNHKUVÁlFKHQXQGGHU=DKOGHU
hiervon begünstigten Bürger besteht
und daß die Personenbeförderung
durch individuelle Verkehrsmittel
volks- und stadtwirtschaftlich gesehen

XQZLUWVFKDIWOLFKLVW·28 Für das Parken
im öffentlichen Raum sollten schon
damals Gebühren erhoben werden,
um den Druck durch Dauerparker im
Wohngebiet um den mittelalterlichen
Stadtkern herum zu lindern. Die Angst
vor dem regionalen Bedeutungsverlust
aber behielt vor allem beim
Einzelhandel die Oberhand.
¶+DWWHQQRFKLQGHQHU-DKUHQ
Parkplätze zu ebener Erde
ausgereicht, so mußte man [in den
60er Jahren] entsprechend dem rapide
ansteigenden Autoverkehr Parkhäuser
XQG7LHIJDUDJHQVFKDIIHQ·29 1962
wurde das Aral-Parkhaus zwischen
König- und Lohstraße/Markt- und
Dreikönigenstraße mit 455 Plätzen
eröffnet. Das Parkhaus der Sparkasse
an der Neuen Linner Straße folgte
1969 mit 400 Plätzen.
Die Fußgängerzone wurde 1962 trotz
der Bedenken der Geschäftsleute
realisiert.

124

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_22 (oben)
Ostwall, Blick von Norden in Richtung der
Haltestelle Rheinstraße, 50er Jahre

Abb. 2.4_23 (rechts)
Ostwall, neue Blockrandbebauung (Ostseite)
an der Haltestelle Rheinstraße, 50er Jahre

Abb. 2.4_24 (oben)
Planung Punkthaus Ostwall/ Nordwall

M

RÄUMLICHER AUFBAU
UMGESTALTUNG OSTWALL/ VIER
WÄLLE
Der Nordwall stellt heute die
Demarkation der Stadtanlage vor, die
Vagedes 1819 bis an die Nordstraße
erweitert hatte. Das Quartier zwischen
Nordwall und Nordstraße ist durch
die Veränderungen in Straßenführung
und Bebauungstypologie ein
eigenes Gebiet geworden, das von
der restlichen Stadt abgeschnitten
ist. Das Polizeipräsidium, als
modernistisches Pendant zum Turm
des Hauptbahnhofes zu verstehen,
verkürzt den Ostwall auf der Höhe des
Nordwalls.
Da der Ostwall sich sukzessive von
einer Grünanlage und Promenade zu
einer Hauptverkehrsachse gewandelt
hatte, beschloss der Rat 1961 auf
Anraten der Verkehrsgutachter, die
Straßenbahn aus dem Ostwall zu
entfernen und stattdessen Omnibusse
einzusetzen. Schon 1962 wurde dieser
Beschluss wieder aufgehoben.

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.4_25 (unten)
Planung Punkthaus König- Ecke Dreikönigenstraße
und Park- und Spielplatz zwischen König- und Petersstraße

PARZELLIERUNG
Bis 1948 wurde in der Innenstadt erst
einmal notdürftig aufgeräumt. Die
alten, zerstörten Häuser im Stadtkern
wurden oft nur eingeschossig als
Geschäftslokal wieder hergerichtet.
Wohnungen wurden notdürftig instand
gesetzt. Unterdessen wurden für
die vielen obdachlos gewordenen
Stadtbewohner und tausende von
Flüchtlingen neue Wohnungen
in ebenso neuen Vorstädten und
Siedlungen gebaut.
Ab 1949 wurde das Wallgeviert auf der
Basis des ersten Wiederaufbauplans
rekonstruiert. Dabei blieb die alte
Parzellenstruktur größtenteils erhalten.

Lösungen kompensiert. Dies ist zum
Beispiel gut erkennbar im Ensemble
auf der Südseite der Sankt-AntonStraße zwischen Winkel- und
Klosterstraße. Hier wird trotz einer
komplett neuen Aufteilung deutlich
auf die barocke Stadtstruktur und die
Parzellierung in kleine Einzelhäuser
verwiesen.
Erst in der Neuordnungsphase ab
¶JLQJ>«@QLFKWQXULQWDNWH
Bausubstanz verloren, es wurden bei
dieser Gelegenheit auch die Parzellen
vergrößert, Baulinien verändert, ja
oft der bauliche Zusammenhang
zugunsten freiplastisch angeordneter
%DXN|USHUY|OOLJDXIJHO|VW·30

Vor allem im barocken nördlichen Teil
der Innenstadt, innerhalb der Vier
Wälle, wuren ganze Straßenzüge mit
Geschosswohnungsbau neu bebaut.
Die ursprüngliche Parzellierung
ging hier verloren. Dies wurde aber
durch eine feingliedrige Rasterung
der Fassaden und andere, zum Teil
GXUFKDXV5DIÀQLHUWHJHVWDOWHULVFKH
125

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_29 und 30 (oben)
Evangelischer-Kirch-Platz und Platz An der Alten
Kirche vor 1933 und nach 1959
Abb. 2.4_35 (links)
Evangelischer-Kirch-Platz mit Parkplätzen an
der Stelle der historischen Gasse, um 1959

Abb. 2.4_33 und 34 (oben)
Kaiser-Wilhelm-Museum vor 1933 mit Freitreppe
und nach 1959

Abb. 2.4_31 und 32 (links)
Dionysiusplatz vor 1933
und nach 1959
Abb. 2.4_26 (oben)
Ostwall, Blick von Süden in Richtung des
Theaterplatzes mit der neuen Stadtbücherei
und dem Stadttheater, 60er Jahre

Abb. 2.4_27+28 (unten)
Theaterplatz vor 1933 und nach 1960

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

ÖFFENTLICHER RAUM
(A) THEATERPLATZ
Nach Kriegsende hieß der Platz der
SS wieder schlicht Parkhofplatz. Es
waren die Engländer, die erneut den
Anstoß zum Theaterbau gegeben
hatten. Mit dem Bau wurde der
Platz entsprechend in Theaterplatz
umgetauft. Der restliche Teil wurde als
3DUNÁlFKHIUGLHVWDUNZDFKVHQGH
Zahl der Autos genutzt. Zum Ostwall
KLQZXUGHHLQHQLHGULJHhEHUGDFKXQJ
geplant, die die seit der Kaiserzeit
IHKOHQGH%DXÁXFKWDEVFKORVV $EE
2.4_23).

(B) EVANGELISCHER - KIRCHPLATZ
Erst durch das Flächenbombardement
des 2. Weltkrieges wurde die für das
Mittelalter so typische Dualität von
Kirchhof und Marktplatz aufgehoben.
Bei der Neuordnung der Innenstadt
wurde die zerstörte Bebauung der
Gasse zwischen beiden Stadträumen
nicht wieder aufgebaut und die Brache
als Parkplatz ausgewiesen (Abb.
2.4_28). Durch die fehlende Bebauung
ist aus der mittelalterlichen Raumfolge
HLQHJUR‰HUlXPOLFKXQGHÀQLHUWH
)UHLÁlFKHJHZRUGHQ'LH%HKDXSWXQJ
die Weite des Raumes könne eine
Sogwirkung vom Schwanenmarkt
bis zum Platz an der Alten Kirche
erzeugen22, hat sich bisher nicht
bestätigt.

(C) DIONYSIUSPLATZ
Im Rahmen der Neuordnung der
Innenstadt wurden die Fluchtlinien
an der West- und Nordseite der
Dionysiuskirche verschoben. An der
Westseite wurde mehr Platz für den
ÁLH‰HQGHQXQGUXKHQGHQ9HUNHKU
geschaffen. An der Nordseite wurden
zwei relativ kleine Baublöcke zu einem
größeren Baublock zusammengefügt.
Der südlichste Abschnitt der
Lutherische-Kirch-Straße wurde
dadurch aufgehoben.
(D) KAISER-WILHELM-MUSEUM
Im Rahmen der Verkehrsplanung auf
dem Westwall wurde die Freitreppe vor
dem Museum entfernt.

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_35 (links)
Ostwall 120

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEBLES
WOHNUNGSBAU
In der ersten Wiederaufbauphase
wurden zahlreiche Wohnhäuser in der
Innenstadt wieder aufgebaut. Neben
den Stadthäusern entstand jetzt auch
vermehrt Geschosswohnungsbau
mit kleineren Einheiten, deutlich
inspiriert von der normierten Bauweise
nach Ernst Neufert. Für Familien
wurde in der Innenstadt kaum noch
gebaut, dafür aber umso mehr im
Außenbereich.
ARCHITEKTUR
Die vielen architektonischen Ereignisse
des Wiederaufbaus können hier nur
kurz wiedergegeben werden. Die
Architektur der Nachkriegsmoderne in
Krefeld bedarf näherer Erforschung.
Die ineinandergreifenden Phasen
des Wiederaufbaus, die behutsame
Rekonstruktion einerseits und
die radikalen Neuordnung bzw.
Modernisierung andererseits, sind hier
gut zu unterscheiden.

Abb. 2.4_36 (oben)
Wohn- und Geschäftshaus
Friedrichstraße/Ecke Gartenstraße

Abb. 2.4_37 (rechts)
Wohn- und Geschäftshaus
Friedrichstraße/Ecke Gartenstraße

1949
In der ersten Wiederaufbauphase
entstanden viele einzelne
Wohnhäuser, die auf unspektakuläre
und entspannte Weise die historische
Blockrandbebauung ergänzten und
wieder vervollständigten. Dabei
wurden historische Fluchtlinien,
Traufhöhen und - zumindest entlang
der Vier Wälle - zumeist auch die
historische Parzellierung respektiert.
Dem Bauvolumen wurde jetzt
KlXÀJHLQ9ROOJHVFKR‰KLQ]XJHIJW
was in einer abweichenden
Fassadengestaltung, oft mit deutlich
niedrigerem Sockelgeschoss
resultierte. Das ausgebaute Steildach
scheint eine bindende Bauregel
gewesen zu sein.
Auch die Architektur von
Mehrfamilienhäusern orientierte
sich stark am räumlichen Aufbau
der konstituierenden Stadtstruktur.
Fluchtlinien, Traufhöhen und Dachform
wurden übernommen. Dabei wurde
]XP7HLODXIUDIÀQLHUWH:HLVHGLH

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

ursprüngliche Traufhöhe betont und
darüber ein leicht zurückliegendes
Vollgeschoss mit Satteldach
hinzugefügt.
Die Treppenhäuser wurden zum
Teil - im Sinne des Funktionalismus
- in der Fassade ablesbar, wodurch
sich die Anzahl der Eingänge im
Sockelgeschoss verminderte.
Gelegenheit zum architektonischen
Ausdruck boten auch zahlreiche
Eckbauten. Hier wurden mit dem
hEHUJDQJYHUVFKLHGHQHU9ROXPHQ
und Traufhöhen, aber auch mit
den Schaufenstern und Eingängen
der Ladengeschäfte zum Teil
überraschende Lösungen gefunden.
Die Eckhäuser Ostwall 120 und
Friedrichstraße 44 seien hier als
Beispiele genannt (Abb. 2.4_35).
1959
In der zweiten Phase des
Wiederaufbaus distanzierten sich
die Stadtplaner von der einheitlichen

Bebauung und dem ebenmäßigen
Stadtgrundriß. Statt einer
geschlossenen Blockrandbebauung
wurde jetzt eine offene Bauweise
propagiert, mit Zeilenbau und
städtebaulichen Akzenten.
Mit Punkthäusern und freiplastisch
im Raum platzierten Großbauten
sollte eine 'sonst recht trübselig oder
GXUFKVFKQLWWOLFKZLUNHQGH8PJHEXQJ·23
aufgewertet werden. Entsprechend
der modernen Bildsprache erhielten
die neuen Akzente Flachdächer. Als
Beispiele seien hier die Punkthäuser
Friedrichstraße/ Ecke Sankt-AntonStraße, Ostwall/ Ecke Nordwall
(Abb. 2.4_44), König-/ Ecke
Dreikönigenstraße (Abb. 2.4_45)
genannt.
Mit Zeilenbebauung wurden historische
Fluchtlinien aufgelockert. Wo die zweiund dreigeschossigen Häuserzeilen
der preußischen Stadterweiterungen
gestanden hatten, wurden sechs- und
mehrgeschossige Zeilenbauten mit
Staffelgeschoss errichtet, wie zum

Beispiel die Ackermann-Bauten, die
vorgenannte Zeile an der Königstraße
zwischen Markt- und Rheinstraße.
ÖFFENTLICHE GEBÄUDE
Neben den Wohnhäusern
entstanden zahlreiche Großbauten
aus öffentlicher und privater Hand.
Zahlreiche Kirchen und andere
besondere Gebäude wurden zunächst
wiederhergestellt. Erst in der zweiten
Wiederaufbauphase dominierte die
Erneuerung.
1950 Wiederaufbau und Freilegung
der Mennonitenkirche nebst
Gemeindezentrum nach Plänen
von Erwin Busch
1951 Einsturz des mittelalterlichen
Turms der Alten Kirche
1951 Wiederherstellung der Markthalle
1952 Wiederherstellung der
Werkkunstschule
1952 Wiederaufbau des Kirchenschiffs
der Alten Kirche nach Plänen des
Architekten Paul A. Kesseler
$EULVVXQG1HXEDX%UDXKDXV¶HW
%U|FNVNH·

1953 Wiederherstellung der Hauptpost
1954 Neubau der IHK am alten
Standort
1955 Wiederherstellung des
Säuglingsheims des Krefelder
Frauenvereins
1955 Wiederherstellung des
Rathauses
1955-58 Anbau des Rathauses
an der Sankt-Anton-Straße,
(Hochbauamt, Hans Volger)
(Abb. 2.4_37 und 38)
1960 Neubau Sparkasse SanktAnton-Straße (Abb. 2.4_43)
am Standort des ehemaligen
Warenhaus Tietz
1961 Neubau Kaufhof am Neumarkt
(Abb. 2.4_41) am Standort des
Ehape
1962 Neubau Aral Parkhaus
1962/63 Neubau Stadtbücherei
(Hochbauamt, Hans Volger)
(Abb. 2.4_42)
1962/65 Neubau Polizeidirektion
1965 Abriss der alten Markthalle und
Neubau C&A Brenninkmeijer,
Hettlage

127

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_42
Stadtbibliothek Krefeld am Theaterplatz,
Stadthochbauamt

Abb. 2.4_43
Stadtsparkasse Krefeld, Kassenhalle
Friedrichstraße mit Sämann-Fenster

Abb. 2.4_26 (rechts)
Stadttheater um 1950
Abb. 2.4_27 (rechts unten)
Stadttheater nach 1960
Abb. 2.4_41
1HXEDX6GÁJHOGHV5DWKDXVHV
Architekt: Hans Volger

Stadtplaner Rabeler bedauerte 1959
GHQ¶0DQJHODQKLVWRULVFKHQ%DXWHQ
die geeignet sind, dem Stadtbild einige
¶*ODQ]OLFKWHU·DXI]XVHW]HQ··23.
Ein modernes Leuchtturmprojekt war
zum Beispiel die Stadtsparkasse
an der Friedrichstraße, die 1960 als
¶$N]HQWLP6WDGWJUXQGULVV·JHEDXW
wurde. Der Neubau bestand aus den
freiplastisch platzierten Volumen eines
Scheibenhauses an der Königstraße
mit einem modernen Autoschalter und
eines Flachbaus mit einer spektakulär
zu nennenden Schalterhalle (Abb.
2.4_43). Mit seinem zurückliegenden,
geschlossenen Sockelgeschoss schien
er zu schweben und entzog sich damit
HQWVSUHFKHQGGHU,GHHGHUÁLH‰HQGHQ
Stadtlandschaft - dem historischen
Kontext des Straßenraums.

Abb. 2.4_38
Architekt Hans Volger, etwa 1955
Baurat 1938 - 1945
Leiter des Hochbauamtes 1948 - 1962

Auch der gegenüberliegende Neubau
der Firma C&A Brenninkmeijer
von 1965, für den die 1951
wiederhergestellte Markthalle
weichen musste, war nicht mehr in
den Baublock integriert, sondern jetzt

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

in seiner vollen Größe als autonom
platziertes Volumen wahrnehmbar.
Besonders deutlich sind die
verschiedenen Wiederaufbauphasen
an den Bauten des Stadttheaters
abzulesen. Schon 1949 war ein
provisorischer Bau am Parkhofplatz
errichtet worden. 1952 wurde ein
schlichter Neubau nach einem
Entwurf des Architekten Bertrand
von 1945/46 realisiert. Der Bau
strahlte mit seinem sanft geneigten
Satteldach und mittigem Eingangstor
in einer ansonsten fast geschlossenen
Ziegelfassade die unaufgeregte,
bodenständige Monumentalität einer
Scheune aus (Abb. 2.4_26).
1956-63 wurde der Bau vom
Hannoveraner Architekten Prof.
Gerhad Graubner erneuert bzw.
umgebaut und erhielt sein vom Platz
abgehobenes Glasfoyer (Abb. 2.4_27),
das wie eine frei platzierte Plastik im
Stadtraum schwebt.

KUNST AM BAU
1958 am Rathaus Mosaikfelder von
Hubertus Brouwer und bronzene
Gedenktafel von Ewald Mataré
Glasobjekt von Adolf Luther
1962/63 Keramikreliefs von Hubertus
Brouwer
MATERIAL UND FARBE
Viele Wohnhäuser der ersten
Wiederaufbauphase waren als
verputzte Stahlbetonbauten
errichtet worden und im Detail von
unterschiedlicher Qualität. Statt
weicher Kalkputze wurden jetzt
funktionalistisch-rauhe Zementputze
verwendet. Die Verfeinerung in Textur
und Detail reichte von schlichten
Faschierungen rundum die Fenster
bis hin zu Fassadenrastern und
Sockelgeschossen aus Beton und
Naturstein. Keramische Baustoffe
kamen hinzu. Fenster und Türen
blieben zunächst aus Holz, oft in
UDIÀQLHUWHQ)DUENRPELQDWLRQHQ'LH
Farbigkeit des Wiederaufbaus bedarf
der näheren Erforschung.
Erst in der zweiten
Wiederaufbauphase trat eine gewisse
9HUÁDFKXQJLQGHU$UFKLWHNWXUDXI

128

1.3.2.2 WIEDERAUFBAU UND
NEUORDNUNG (50ER UND 60ER
JAHRE)

Abb. 2.4_46 und 47
Wiederaufbau der Friedrichstraße vom
Friedrichsplatz aus gesehen. Die barocken
Eckhäuser wurden abgerissen. Die Betonung
der Eckbebauung und die gleichförmigen
Traufenhäuser der konstituierenden Bebauung
wurden neu interpretiert.

BILD
S. 117
Abb. 2.4_1
Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Abb. 2.4_2
MIR Architecten/Flexus AWC.

13
VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 439ff)
14
FIEDLER, Johannes: Haus und Straße. In:
Herausforderung Sockelzone. Herausgegeben
von der Wüstenrot Stiftung, Jovis Verlag, 2014

Abb. 2.4_10
StAKR Obj.-Nr. 22.088
Abb. 2.4_11
Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Abb. 2.4_12
Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Abb. 2.4_13
LENGWENINGS, Karl Heinz

S. 124
Abb. 2.4_19
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.34, Abb.27)
Abb. 2.4_20
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.39, Abb.29,
Abb.30)
Abb. 2.4_21
LENGWENNINGS, Karl Heinz

S. 118
S. 121
Abb. 2.4_3
gemeinfrei
Abb. 2.4_4
Stadt Krefeld, Stadtarchiv: Obj.-Nr. 4.711.
Abb. 2.4_5
HOUBEN, Heribert et al, Krefeld – Die
Geschichte der Stadt – Vom Ende des Ersten
Weltkrieges bis zur Gegenwart (1918 - 2004).
Krefeld 2010 (S. 448, Abb. 31)
Abb. 2.4_6
gemeinfrei BUNDESARCHIV, B 145
BILD-P000669 / CC-BY-SA 3.0

S. 119

Abb. 2.4_14
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.73 - Abb.61)
Abb. 2.4_15
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.87, Abb.68)

S. 122
Abb. 2.4_16
StAKR Obj. Nr. 3553
Abb. 2.4_17
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.61, Abb.47)

Abb. 2.4_7
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.66, Abb.50)

Abb. 2.4_18
DH 86/2015 (S. 149)

Abb. 2.4_8
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.66, Abb.49)

S. 123

Abb. 2.4_9
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.12, Abb.8)

Abb. 2.4_9
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.12, Abb.8)
Abb. 2.4_15
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.87, Abb.68)

S. 120

KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.4_34
BRUES, Eva: Die Denkmäler des Rheinlandes,
Düsseldorf 1967

TEXT

15

CLEMENS, Gabriele: britische Kulturpolitik in
Deutschland 1945-1949 Stuttgart 1997

1

Abb. 2.4_35
StAKR Obj. Nr. 19.112

GRAU, Andreas und WURZ, Regina:
Nachkriegsjahre https://www.dhm.de/lemo/
kapitel/nachkriegsjahre, LeMo, Deutsches
Historisches Museum, Berlin 2016

S. 127

2

16

GRASSKAMP, Walter: die unästhetische
Demokratie. München 1992 (S. 10)

17

LILLA, Joachim: Nachkriegszeit und
Wiederaufbau, Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 346ff)

GRASSKAMP, Walter: die unästhetische
Demokratie. München 1992 (S. 9)

18
RABELER: Das zukünftige Krefeld in:
DH25/1954 (S. 265 ff)

Abb. 2.4_36
MIR Architecten/Flexus AWC.
3

Abb. 2.4_37
MIR Architecten/Flexus AWC.

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 503)

19

STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 15)

S. 125
Abb. 2.4_22
LENGWENINGS, Karl Heinz
Abb. 2.4_23
StAKR Obj. Nr. 9044
Abb. 2.4_24
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.63, Abb.48)
Abb. 2.4_25
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S.70, Abb.55)

Abb. 2.4_38
StAKR Obj. Nr. 9028

4
WEX, Manuela: ter Meer, Fritz. In: Neue
Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Berlin
1990

S. 128

5

Abb. 2.4_39
MIR Architecten/Flexus AWC
Abb. 2.4_40
StAKR Obj.-Nr. 15.473
Abb. 2.4_41
StAKR Obj.-Nr. 17.151

GRAU, Andreas und WURZ, Regina: Geteiltes
Deutschland https://www.dhm.de/lemo/kapitel/
geteiltesdeutschland, LeMo, Deutsches
Historisches Museum, Berlin 2016
6
VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 350)
7

Rheinische Post, 08.10.1947

S. 126

Abb. 2.4_42
StAKR Obj. Nr. 28.143

8
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 11)

Abb. 2.4_26
StAKR Obj. Nr. 9955

Abb. 2.4_43
StAKR Obj. Nr.13.676

9
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 11-13)

Abb. 2.4_27 & 28
MIR Architecten/Flexus AWC

Abb. 2.4_44
StAKR Obj.-Nr. 13.672

10

HEIDENFELDER, Claudia: Wiederaufbau. In:
Planet-Wissen.de, besucht am 20.01.2020

20
NUTZ, Manfred: Stadtentwicklung in
Umbruchsituationen. Stuttgart 1998 (S. 114)
21
STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 17)
22
SEEFRIED, Elke und HOFFMANN, Dierk:
Plan und Planung: Deutsch-detsche Vorgriffe
auf die Zukunft, 218 (S. 196)
23

STADTPLANUNGSAMT: Krefeld Stadtkern.
Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 55)

24

KÖPPEN, Ernst und PETERS 1954 (S. 17)

25

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 485)

26

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und
der Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 485)

27

Abb. 2.4_29 & 30
MIR Architecten/Flexus AWC.

S. 129

Abb. 2.4_31 & 32
MIR Architecten/Flexus AWC.

Abb. 2.4_45
StAKR Obj.-Nr. 8555

Abb. 2.4_33
StAKR Obj.-Nr. 13.733

Abb. 2.4_46
StAKR Obj.-Nr. 9033

11

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 433)
12
Würz, Markus: Geteiltes Deutschland, in:
Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltesdeutschland.html, besucht am: 20.01.2020

STADTPLANUNGSAMT: Krefeld
Stadtkern. Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 35)

28

STADTPLANUNGSAMT: Krefeld
Stadtkern. Denkschrift, Krefeld 1959 (S. 43)

29

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und
der Entwicklung zu einer modernen Großstadt,
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 485)

129

1.3.3 POSTINDUSTRIELLES
ZEITALTER
!"#$%&$#'%$#()$*($+%,-.(/%0(1%2$34.56'37#$+'$*8%9:$+/
1#;$(3#-(#$+'$+%<#(=>063)$('+$(%0(1%?+-@$+%A$+=$.+36*54.$(%
#3'%7-+:$#BC
Leipzig-Charta, 2007

130

1.3.3 KRITIK AM
MODERNISMUS (DIE
.1
70ER JAHRE)
!"#$%.-4.?+>1#?%#('$?+#$+'$%>*'$%D'>1'%.>'%3#4.%60(='#-($**%
$(';#34.'B%"#$%E(F#+'*#4.=$#'8%1#$%3#4.%9:$+%1#$3$(%($0$(%
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3'>''%$#($3%0(=*>+$(%K#@:$.>?$(3%:$#)0'+>?$(BC
Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte, 1965

131

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Mit dem Bau des innerstädtischen shoppig centers
¶6FKZDQHQPDUNW·²HLQHU6KRSSLQJ0DOOPLW7LHIXQG
Hochgarage, 200 Wohnungen im Hochhaus und einem
EHUGDFKWHQ¶0DUNWSODW]·ZXUGHHLQ)OlFKHQVDQLHUXQJVSURMHNW
ELVGDKLQXQJHNDQQWHQ$XVPD‰HVUHDOLVLHUWPLWGHPGDVQHXH
3UREOHPHLQHUIHKOHQGHQ¶8UEDQLWlW·JHO|VWZHUGHQVROOWH$XI
GHP7KHDWHUSODW]ZXUGHHLQHQHXH9HUDQVWDOWXQJVKDOOHJHSODQW
(LQ%URULHJHOVROOWHGLH6WUD‰HQIURQWDP2VWZDOOVFKOLH‰HQ
5HDOLVLHUWZXUGHQMHGRFKQXUGLHJHPHLQVDPH7LHIJDUDJHXQG
GDV6HLGHQZHEHUKDXV
)U)X‰JlQJHUZXUGHQ8QWHUIKUXQJHQJHEDXWXPGHQ
$XWRYHUNHKUXQJHKLQGHUWÁLH‰HQ]XODVVHQ

Abb. 2.5_1
Baustelle der Unterführung Ostwall/Rheinstraße
links das Kaufhaus Horten, rechts das HamburgMannheimer-Haus (1970)

archäologische Funde
Vagedesplan
Grün
Bebauung
Abriss
Stadttor
Stadtmauer
Gebäude <3 Etagen
Gebäude 3-4 Etagen
Gebäude 5-7 Etagen
Gebäude 8-10 Etagen
Gebäude >10 Etagen
Satteldach
Passage
neuer Baum
vorhandener Baum
entfernter Baum
neue Gleise
vorhandene Gleise
entfernte Gleise

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.5_2
Stadtgrundriss mit
Transformationen der 70er Jahre

132

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_4
Signet zur 600-Jahr-Feier
der Stadt Krefeld

Abb. 2.5_3
Willy Brandt
Bundeskanzler 1969 - 74

32/,7,6&+(81'62=,$/(.5b)7(
Gegen Ende der 60er Jahre geriet
die junge deutsche Demokratie in
eine Legitimationskrise. Vor allem an
den Universitäten in den Metropolen
verdichtete sich die Beklommenheit an
der Gesellschaft und dem politischen
System in einer umfassenden
6\VWHPNULWLN¶'LH-XJHQGOLFKHQ
Schüler, Lehrlinge, Studenten
reagierten [...] auf die Enge der
Verhältnisse, die nationalsozialistische
Vergangenheit, die vorherrschenden
autoritären Strukturen in
Elternhäusern, Schulen, Betrieben und
Hochschulen und auf den weltweiten
Wandel dieser Verhältnisse. Das
Unbehagen äußerte sich allmählich
immer gezielter in Aktionen,
Demonstrationen, Sit-ins, Flugblättern,
Schülerzeitungen, Blockaden und
UHYROXWLRQlUHQ3URJUDPPHQ·1
In seiner Antrittsrede kündigte
Willy Brandt (Abb. 2.5_3) - erster
sozialdemokratischer Bundeskanzler
GHU%5'DQ¶PHKU'HPRNUDWLH
ZDJHQ·]XZROOHQ,QWHUQDWLRQDOVHW]WH
222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

er mit einer neuen Ostpolitik Zeichen.
Auf der Ebene des Bundes, der Länder
und Kommunen sollten zahlreiche
soziale Vorhaben verwirklicht werden,
VRHWZDGHUÁH[LEOH5HQWHQHLQWULWW
die Vermehrung von Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung, der
Ausbau der Hochschulen, BaföG usw.
¶'LH$XVJDEHQSROLWLNGHU5HJLHUXQJ
stieß bald an Grenzen, als sich die
.RQMXQNWXUDEVFKZlFKWH·2
Der politische Diskurs in Krefeld
bildete die Entwicklungen auf
Bundesebene nicht ab. Hier war 1968
der CDU Politiker Hansheinz Hauser
(Abb. 2.5_6) zum Oberbürgermeister
gewählt worden und sollte bis 1982 mit
seiner Politik die Stadt prägen.

Wachstumskurs der Wirtschaft.
Die Gewerkschaften stellten hohe
/RKQIRUGHUXQJHQ¶XPGLH¶VR]LDOH
6\PPHWULH·ZLHGHUKHU]XVWHOOHQGLH
ihrer Ansicht nach in den Jahren der
Großen Koalition verloren gegangen
ZDU·3VFKlUIWHGHU¶&OXERI
5RPH·HLQ=XVDPPHQVFKOXVVYRQ
Wissenschaftlern und Industriellen, mit
seinem alarmierenden Bericht über die
¶*UHQ]HQGHV:DFKVWXPV·GHQ%OLFN
für die drohende Erschöpfung der
natürlichen Lebensgrundlagen.
1973 hob der amerikanische Präsident
Richard Nixon das Bretton Woods
System praktisch auf, indem er
die Bindung des Geldes an Gold
abschaffte und somit beliebig Geld
hinzugedruckt werden konnte.

ÖKONOMIE
DIE GRENZEN DES WACHSTUMS
Schon 1970 war der Höhepunkt
der Hochkonjunktur überschritten.
Die Gesellschaft hatte sich zu einer
Konsumgesellschaft entwickelt und
vertraute auf den scheinbar stabilen

Die weltweite Versorgungskrise mit
Erdöl, die sich 1973 und 1979/80
]XU¶gONULVH·]XVSLW]WHDEHUDXFK
die Verteuerung der Rohstoffe
und der wachsende Anteil von
Fertigwaren-Billigangeboten aus
Entwicklungsländern wurden in

Abb. 2.5_5
Festakt zur 600-Jahr-Feier
der Stadt Krefeld, 1973

Abb. 2.5_6
Hansheinz Hauser
Oberbürgermeister 1968-1982

den darauf folgenden Jahren in der
GHXWVFKHQ:LUWVFKDIWVSUEDU¶'LH
Enttäuschung über nicht eingelöste
Reformversprechen verband sich
mit einem Stimmungswechsel in
GHUgIIHQWOLFKNHLW0DKQXQJHQ
GLH¶*UHQ]HQGHV:DFKVWXPV·]X
beachten, gewannen durch die erste
gONULVHHLQHGUDPDWLVFKH(YLGHQ]
Das vom Bundestag am 9. November
1973 einmütig verabschiedete
Energiesicherungsgesetz sah
Möglichkeiten für Beschränkungen des
Verbrauchs vor. Auf dieser Grundlage
wurde an vier Sonntagen im November
und Dezember ein allgemeines
Fahrverbot erlassen. Die feiertäglich
verödeten Innenstädte, Landstraßen
und Autobahnen symbolisierten
das Ende des Glaubens an eine
fraglos gesicherte Zukunft. […] Die
Sympathiewerte Willy Brandts, im
vorherigen Jahr noch umjubelt, sanken
VSUEDU·4 Am 6. Mai 1974 trat
er nach einer Spionageaffäre von
seinem Amt zurück. Sein Nachfolger
wurde Helmut Schmidt, dessen Zeit
unter anderem vom Terror der RAF
gezeichnet wurde.

DIE POSTINDUSTRIELLE
*(6(//6&+$)7
Ab Mitte der 70er waren in
Deutschland mehr Menschen im
Dienstleistungssektor tätig als in
der Industrie und Landwirtschaft.
Der Bildungsstand und die
4XDOLÀNDWLRQVVWUXNWXUVWLHJHQ
kontinuierlich an. Gleichzeitig
differenzierten sich die sozialen
Milieus. Für Arbeit in der Produktion
waren in den 60er Jahren Gastarbeiter
nach Deutschland eingeladen worden.
Jetzt war Deutschland de facto ein
Einwanderungsland geworden,
mit steigendem Ausländeranteil.
Doch in den 70er Jahren wuchs die
8QVLFKHUKHLW¶'LH(UZHUEVORVHQTXRWH
hatte sich in Deutschland bereits 1974
auf 2,6 Prozent verdoppelt und erhöhte
sich im folgenden Jahr nochmals auf
4,7 Prozent. Danach sank sie langsam
auf 3,8 Prozent (1979 und 1980) ab,
XPGDQQLQIROJHGHU]ZHLWHQgONULVH
erneut stark anzusteigen – auf 7,5
3UR]HQW·5

133

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_7
Hortenkachel 1962

Abb. 2.5_8
Hortenkacheln 1962

Abb. 2.5_9
Warenhaus Horten an der
Ecke Ostwall/Rheinstraße, 1969

KULTUR
Die 70er Jahre waren vom Konsum
geprägt. Die Popkultur veränderte
die Ästhetik von Kunst und Alltag
JOHLFKHUPD‰HQ¶'LH3RS$UWYRQ
Warhol und Rauschenberg sollte
die Grenzen von Alltag und Kunst
EHUZLQGHQ¶6 Pop Art rüttelte an
der Vorstellung von der Integrität
¶KRKHU.XQVW· Sie stand für Beat- und
Rockmusik, Drogen, psychedelische
Plattencovergestaltungen, Plakatkunst,
Blumenkinderkult, Jugendkultur.
Die Beatles waren eine Sensation.
¶3RS$UWJDOWDOV6\QRQ\PIUGHQ
neuen Lebensstil einer Jugend, die
gegen die restaurative Kultur der
Konservativen und repressiven 60er
-DKUHDXIEHJHKUWH>@·7
¶'LH.ULWLNDP(VWDEOLVKPHQWGDV
im Verdacht der Komplizenschaft
mit dem Nationalsozialismus stand,
war so etwas wie ein Grundgefühl in
den 70er Jahren und äußerte sich in
der Sprache, den Umgangsformen,
Kleidung und Musik. Joseph
Beuys gründete die Deutsche

Umlandgemeinden wuchsen, die
Raumstrukturen veränderten sich.
Die Zentren verloren an Kraft und
8UEDQLWlWXQGlOWHUH:RKQTXDUWLHUHDQ
4XDOLWlW· 9

hervorgegangen. Jane Jacobs hatte in
New York Robert Moses am Bau einer
Autobahn durch das Greenwich Village
gehindert und ihre bahnbrechenden
Stadtforschungen 1961 publiziert.10

Die Bedeutung der Medien, vor
allem des Fernsehens, für die 68er
Bewegung war außerordentlich
groß. Nichts auf der Welt konnte
mehr ohne Kamerabegleitung und
9HU|IIHQWOLFKXQJZHOWZHLWVWDWWÀQGHQ
Telefon und Fernseher begannen, zur
Grundausstattung eines Haushalts zu
gehören.

1HXH:RKQXQG*HZHUEHTXDUWLHUH
ZXUGHQ¶DXIGHUJUQHQ:LHVH·DQ
den Stadträndern und im Umland
gebaut. Daraus resultierten enorme
Verkehrsprobleme und sozialräumliche
Veränderungen in den Stadtteilen. Den
entvölkerten Innenstädten mangelte
HVDQ¶8UEDQLWlW·XQGGHU]XQHKPHQGH
Verkehr beanspruchte den öffentlichen
Raum dermaßen, dass neue
¶)X‰JlQJHU]RQHQ·JHVFKDIIHQZHUGHQ
mussten.

STADTERNEUERUNG
Mit dem Umbau der Innenstädte zu
gegliederten, aufgelockerten und
autogerechten Versorgungsinseln
waren neue Probleme entstanden.
¶6HLWGHU0LWWHGHUHU-DKUHKDWWH
sich die Bevölkerungszahl und die
Zahl der Arbeitsplätze in den größeren
Städten kontinuierlich verringert; die

Der wachsende Unmut über
die monofunktionalen Städte,
die Großmaßstäblichkeit und
Unmenschlichkeit der modernen
Architektur brachte zahlreiche
Publikationen hervor. Schon 1953
war aus Ciam 9 und Team X der
Strukturalismus (Brutalismus
und Kleinteiligkeitsbewegung)

Auch die Städtebautheoretiker
Kevin Lynch, Gordon Cullen, Steen
Eiler Rasmussen und Christopher
Alexander schrieben über
funktionsuntaugliche moderne Städte
und lenkten die Aufmerksamkeit
der internationalen Fachwelt auf die
räumliche Komponente von Architektur
und Städtebau. 1965 kritisierte der
deutsche Psychoanalytiker Alexander
0LWVFKHUOLFKGLH¶8QZLUWOLFKNHLWXQVHUHU
6WlGWH·(VVROOWHDEHUQRFKHLQH
Weile dauern, bis diese Publikationen
(LQÁXVVDXIGHQDOOJHPHLQHQORNDOHQ
Planungsdiskurs bekamen.

Studentenpartei. Aber auch die Pop
Art geriet in den Blickwinkel der Kritik,
da sie den 68ern zufolge Kunst zur
Ware machte, zum Konsumartikel, zu
einem Teil der Kulturindustrie, den es
]XEHNlPSIHQJDOW·8 Die Mondlandung
1969 hingegen inspirierte das Design
zu futuristischen Formen.

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

¶6HLWGHP(QGHGHUHU-DKUH
erhielt die Stadterneuerung in
Deutschland starke Bedeutung. […]
Die zweite große städtebauliche
Herausforderung der Nachkriegsjahre
– nach dem Wiederaufbau der

kriegszerstörten Städte – bestand
darin, die heruntergekommenen
$OWVWDGWTXDUWLHUH]XHUQHXHUQGLH
den Zweiten Weltkrieg überdauert
hatten und die nach 1945 zunächst
noch – nach oft nur notdürftiger
Instandsetzung der Kriegsschäden
²DOV1RWTXDUWLHUHGHU0LOOLRQHQ
Flüchtlinge dringend gebraucht
ZRUGHQZDUHQ·¶(UVWPLW%HJLQQGHV
Jahres 1968 war man [in Krefeld]
über den Berg und die amtliche
Wohnraumbewirtschaftung wie
auch die Mietpreisbindung konnten
DXIJHKREHQZHUGHQ·11
¶8QZLGHUVSURFKHQJDOWGDPDOV
die stadtplanerische Maxime: die
dicht bebauten Stadtviertel der
Gründerzeit […] sind abzureißen und
durch neue Sozialbauwohnungen
zu ersetzen. Zugleich ging es den
Planern um den radikalen Umbau
der Städte im Sinne des Leitbilds der
autogerechten Stadt. Mit beispielloser
Rücksichtslosigkeit gegenüber der
Historie, aber auch gegenüber den
dort lebenden Menschen, die – nicht

immer freiwillig – in Großsiedlungen
an den Stadtrand umgesiedelt wurden,
trieb die Sanierungspolitik die ersten
Pilotprojekte [...] gerade in den
6WDGWTXDUWLHUHQYRUDQGLHGLH%RPEHQ
des Zweiten Weltkriegs weitgehend
XQEHVFKDGHWEHUVWDQGHQKDWWHQ·12
Dieses Vorgehen war in den 1960er
Jahren noch erklärtes Ziel der
wortführenden Städteplaner und
dominierte den stadtplanerischen
Diskurs. Auch Oberbürgermeister
Hansheinz Hauser war von diesen
Ideen überzeugt, die er von 1968 bis
1985 als Mitglied im Hauptausschuss
des Deutschen Städtetages
aufnahm. In Dr. Herbert Schriever,
einem radikalen Erneuerer aus dem
Bereich der Bodenordnung, und Dr.
Hermann-Josef Kronen, von 1973
bis 1984 Leiter des Planungsamtes,
fand Hauser die idealen Partner, um
sie in Krefeld durchzusetzen. Die
großen Flächensanierungsprojekte
Schwanenmarkt Center und
Hansaviertel mit dem Hansazentrum
wurden in dieser Zeit realisiert.
134

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_10
Flächensanierung am Schwanenmarkt (1970)

67b'7(%$8)g5'(581*
UND DIE GROSSEN
)/b&+(16$1,(581*(1
Nach Pilotprojekten in fünf
Modellstädten verabschiedete
der Bundestag 1971 das
Städtebauförderungsgesetz. Ziel
des bundesweit als Rechts- und
Fördersystem eingeführten Gesetzes
ZDUHV¶GHQ%HGHXWXQJVYHUOXVWGHU
Innenstädte in ihrer Funktion als
soziale, wirtschaftliche, kulturelle
und politische Mitte der Region
DXI]XKDOWHQ·13 Es gelang schon bald,
für Krefeld Fördergelder zu werben.
Jetzt musste zügig gehandelt werden.
Schon Ende der 60er Jahre war
die Umsiedlung des Grand Hotel
Crefelder-Hof und der Abriss des
Altbaus vorangetrieben worden,
um auf dem Grundstück eine
zusammenhängende Großform
realisieren zu können. Hier wurde
1969 das neueste Horten Kaufhaus
realisiert, mit einer aus dreidimensional
gestalteten keramischen Kacheln
zusammengesetzten Fassade. Der
222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.5_11
Obergürgermeister Hansheinz Hauser bei der
Eröffnung des Schwanenmarkt Center (1976)

Entwurf der Kacheln wird Egon
Eiermann zugeschrieben, der Architekt
des Kaufhauses war Helmut Hentrich.
Die schwebende Großform bildete das
Pendant zum gegenüberliegenden
achtgeschossigen Scheibenhaus der
Hamburg Mannheimer Versicherungen
(Abb. 2.5_20).

errichtete Großsiedlung Gatherhof am
Stadtrand.

'DPDQGHQ0DQJHODQ¶8UEDQLWlW·
auch auf eine zu geringe Wohndichte
zurückführte, wurde das Hochhaus
als Lösung gesehen für eine dichte
Zuordnung vieler Einwohner mit kurzen
Wegen zu den Versorgungszentren.

Proteste gegen die radikale
Umgestaltung der gesamten
städtischen und landschaftlichen
Umwelt scheint es in Krefeld
zunächst kaum gegeben zu haben.
Ein Denkmalschutzgesetz gab es
in Nordrhein-Westfalen noch nicht.
Die Heimat, Jahresheft des Vereins
für Heimatkunde e.V. wurde zum
bemerkenswerten Kampfblatt derer,
die ihr Unbehagen in schriftlicher Form
zu äußern wagten.

Das innerstädtische Shoppig Center
¶6FKZDQHQPDUNW·LVWHLQ0XVWHUEHLVSLHO
für solch ein Projekt. Hier wurden
200 Wohnungen im Hochhaus mit
einer Einkaufspassage, Tief- und
Hochgarage kombiniert. Das erste
große Flächensanierungsprojekt der
Stadt sollte auf die Fehler der 50er
und 60er Jahre reagieren. Dafür wurde
DOOHUGLQJVHLQJDQ]HV$OWVWDGWTXDUWLHU
abgerissen (Abb. 2.5_10) und die
Bewohner umgesiedelt in die dafür

In den größeren Städten wurde
XQWHUGHVVHQGDV¶WHFKQRNUDWLVFKH
3ODQXQJVGHQNHQ·NULWLVLHUWGDVLQWDNWH
Stadtorganismen zerstörte und die
sozialen Folgen ausblendete. Der
Journalist Wolf Jobst Siedler bedauerte
¶'LHJHPRUGHWH6WDGW·GHU3V\FKLDWHU
$OH[DQGHU0LWVFKHUOLFKNULWLVLHUWH¶'LH
8QZLUWOLFKNHLWXQVHUHU6WlGWH·GHU
Soziologe Hans Paul Bahrdt forderte
KXPDQHQ6WlGWHEDX¶'LH%HGUIQLVVH
betroffener Bevölkerungskreise

Abb. 2.5_12
¶0LWWHODOWHUOLFKH·.XOLVVHLP´6FKZDPHQPDUNW
Center” am Vorabend der Eröffnung (1976)

und nicht die Interessen von
Investoren und Behörden sollten die
Inhalte gesellschaftlicher Aufgaben
mitbestimmen. Die 1971 konzipierte
:DQGHUDXVVWHOOXQJ¶3URÀWRSROLV
Der Mensch braucht eine andere
6WDGW·ZDUDXFKLQ.UHIHOG]X
sehen (Abb. 2.5_13). Aus dieser
Diskussion entstanden schließlich
Bürgerinitiativen und eine verbesserte
%UJHUEHWHLOLJXQJEHLGHU3ODQXQJ·14

Amphitheaters schaffen sollte (Abb.
2.5_22). Realisiert wurden lediglich
die gemeinsame Tiefgarage und das
Seidenweberhaus.
Finanziert wurden die Großprojekte
scheinbar auch durch Ausweisung von
Bauland außerhalb der Stadt, wie in
Fischeln und später auch in Hüls.

Inzwischen hatte Oberbürgermeister
Hauser 1971 die schon seit
1948 immer wieder aufkeimende
Stadthallendebatte nichtsdestotrotz
¶LQHLQHPNKQHQ+DQGVWUHLFK·
entschieden. Die Rheinische Post
NRPPHQWLHUWH¶+DXVHUZlKOWHQLFKW
den demokratischen, dafür aber
den geraden Weg, der kurzfristig
HLQ(UJHEQLVEUDFKWH·15 Auf dem
Theaterplatz plante die städtische
Bauabteilung nun eine neue
Veranstaltungshalle und einen
Büroriegel, der die Straßenfront
am Ostwall schließen und einen
neuen Platz in der Form eines
135

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_14
Bahnhofsvorplatz mit dem Jugendstilbau des
Hauptzollamts vor dem Abriss, 60er Jahre

L

STADTSTRUKTUR

,1)5$6758.785
¶ZXUGHHLQ
*HQHUDOYHUNHKUVSODQHUVWHOOW·16 Um
GHQ$XWRYHUNHKUXQJHKLQGHUWÁLH‰HQ
lassen zu können, wurden unter dem
Ostwall drei Unterführungen gebaut.
An der Sankt-Anton-Straße, der
Rheinstraße und am Hauptbahnhof
wurden die Verkehrsströme nach den
Prinzipien des modernen Städtebaus
getrennt und die Fußgänger durch
unterirdische Passagen geleitet.
In der Unterführung Ostwall/
Rheinstraße gab es Geschäfte,
Gastronomie, einen Fahrkartenschalter
der Krefelder Verkehrs AG und
einen unterirdischen Zugang
ins Untergeschoss des Horten
Kaufhauses.
Die Bäume auf dem Ostwall mussten
auf den entsprechenden Abschnitten
JHRSIHUWZHUGHQ¶'HU$EULVVGHV
Hauptzollamtes war städtebaulich
von besonderer Bedeutung, weil sich
222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.5_15
Baustelle der Unterführung
zum Hauptbahnhof (1970)

Abb. 2.5_16
Bauhnhofsvorplatz nach dem Abriss
des Hauptzollamts (1970)

dadurch der Bahnhofsplatz nach Osten
öffnete und eine bessere Ordnung des
9HUNHKUVP|JOLFKPDFKWH·17
Für die stetig ansteigende Zahl der
Kraftfahrzeuge wurden innerhalb der
Vier Wälle weitere überdachte und
bewirtschaftete Parkplätze geschaffen:
1973 Tiefgarage Theaterplatz
1974 Parkhaus Breite Straße
(Abb. 2.5_21)
1975 Tiefgarage Schwanenmarkt
'HUgIIHQWOLFKH1DKYHUNHKUGURKWH
dem motorisierten Individualverkehr
untergeordnet zu werden. Um der
Überbelastung des Ostwalls durch den
9HUNHKU+HUU]XZHUGHQ¶EHVFKORVV
der Hauptausschuss [1968] einen
Planungsauftrag für eine unterirdische
Endhaltestelle der K-Bahn im
%DKQKRIVEHUHLFK·18 Der Ostwall
wurde an drei Stellen untertunnelt:
am Bahnhof (Abb. 2.5_15), der
Rheinstraße (Abb. 2.5_1) und an
der Sankt-Anton-Straße, sodass
GHU$XWRYHUNHKUXQJHKLQGHUWÁLH‰HQ
konnte.

8P¶EHJDQQDXFKGLH
[…] Diskussion darüber, ob die
Straßenbahn in eine Stadtbahn
umgewandelt und an das überörtliche
1HW]DQJHVFKORVVHQZHUGHQN|QQH·19
Das Düsseldorfer Ingenieurbüro
6FKOHJHO'U6SLHFNHUPDQQ¶VFKOXJ
eine Untertunnelung ab den
Krankenanstalten an der Kölner
Straße und Weiterführung unter der
Königstraße bis zur Sankt-AntonStraße mit drei unterirdischen
Bahnhöfen vor. Der Tunnel sollte
später in Richtung Hüls weitergebaut
ZHUGHQ·20
¶EHJDQQGLH(LQULFKWXQJYRQ
Fußgängerzonen, zunächst in der
Hochstraße und Neusser Straße
bis zur Hansastraße, 1976 in der
Friedrichstraße bis zur St.-AntonStraße, 1975 in der Rheinstraße vom
Ostwall bis zur Dionysiuskirche, 1977
in der Marktstraße.21
Abb. 2.5_17
Städtebaulicher Rahmenplan 1974
mit neuer Fußgängerzone und
U-Bahn unter der Königstraße

136

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_18
Blick vom Turm der Dionysiuskirche auf das
Papst-Johannes-Haus. Links im Hintergrund ist
das Rathaus mit dem Anbau von 1957 zu sehen.

$872120(*5266)250(1
Die Großprojekte der 70er Jahre
griffen punktuell in die bis dahin
größtenteils erhalten gebliebene
Stadtstruktur ein. Durch den Bau
des Papst-Johannes-Hauses 1968
(Abb. 2.5_18) wurde die LutherischeKirch-Straße zwischen Dionysiusbzw. Johannesplatz und der SanktAnton-Straße bebaut und damit
aufgehoben. Zwischen der ikonischen
Wabenfassade des Kaufhauses Horten
XQGGHPQHXHQDXVGHU%DXÁXFKW
zurückgesetzten Büroriegel des
¶+DPEXUJ0DQQKHLPHU+DXVHV·O|VWH
der geschlossene Straßenraum des
Ostwalls sich im Abschnitt zwischen
Rhein- und Sankt-Anton-Straße auf zur
ÁLH‰HQGHQ6WDGWODQGVFKDIW
Durch das Seidenweberhaus und den
Theaterplatz wurden die Loh- und
die Färberstraße zwischen SanktAnton-Straße und Carl-Wilhem-Straße
abgeschnitten. Das Seidenweberhaus
ZXUGHJDULQGLH6WUD‰HQÁXFKWGHU
Lohstraße gesetzt. Zwar hatten die
Architekten einen kleinen Durchgang

unter dem Gebäude geschaffen, dieser
war aber durch die Barriere der SanktAnton-Straße faktisch nicht nutzbar.
Das Seidenweberhaus wurde nicht
nur deutlich zurückliegend von den
historischen Fluchtlinien platziert. Mit
seiner aus Sechsecken komponierten
Form und seinem terrassenförmigen
Volumenaufbau hob es sich deutlich
ab vom geometrischen Aufbau der
restlichen Stadtstruktur (Abb. 2.5_19).
Da der geplante Büroriegel am
Ostwall nicht realisiert wurde, blieb der
Straßenraum des Ostwalls auch im
Abschnitt zwischen Sankt-Anton- und
&DUO:LOKHOP6WUD‰HXQGHÀQLHUW
¶,QQHUKDOEGHVPLWWHODOWHUOLFKHQ
Stadtkerns […] entstand 1976
nach zehnjähriger Planungs-,
Bodenordnungs- und Bauzeit das
6FKZDQHQPDUNW&HQWHU¶22 Es
durchschnitt die Wiedenhofstraße
als historische Wegebeziehung von
Süden nach Norden. Die Eingänge
des Einkaufszentrums an der
mittelalterlichen Hochstraße und

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.5_19
Das Seidenweberhaus und rechts im
Hintergrund die Stadtbücherei

dem Alten Markt (Schwanenmarkt)
wurden in den historischen Stadtraum
integriert, inclusive Brunnenanlage
vor dem Café Heinemann
(Abb. 2.5_11). Im Inneren des
Einkaufszentrums wurde die Kulisse
eines mittelalterlichen Marktplatzes
geschaffen, allerdings nicht als
öffentlicher Raum, sondern als optisch
interessanter Hintergrund für den
individuellen Konsum (Abb. 2.5_12).
Die Wohntürme wurden so platziert,
dass die Blickbezüge zu den beiden
Kirchtürmen nicht beeinträchtigt
wurden (Abb. 2.5_25).
Im Gegensatz zu den reizvoll
gekrümmten Gassen des
mittelalterlichen Stadtkerns wurde das
Straßenraster des Vagedesplanes
QLFKWLQGHQ¶(UOHEQLVUDXP
6FKZDQHQPDUNW·HLQEH]RJHQVRQGHUQ
als rein funktionales Versorgungsnetz
betrachtet. Dementsprechend
wurden entlang der Everts- und
Breite Strasse, am Dionysiusplatz
und an der Postgasse Lieferzonen,
Garageneinfahrten und Müllcontainer

Abb. 2.5_1
Baustelle der Unterführung Ostwall/Rheinstraße
links das Kaufhaus Horten, rechts das HamburgMannheimer-Haus (1970)

für das Shopping Center angeordnet.
Es entstanden geschlossene
Rückseiten, eine Art neuer Stadtmauer,
mit den Einfahrten der Parkhäuser als
Stadttore.

Abb. 2.5_21
3DUNKDXVGHV´6FKZDQHQPDUNW&HQWHUµ
an der Breite Straße Ecke Evertsstraße

137

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_22
Perspektivische Entwurfsdarstellung des
Schwanenmarkt-Center-Ensembles mit
Positionsangabe der historischen Kirchen

Abb. 2.5_23
Entwurfsmodell des SeidenweberhausEnsembles mit Büroriegel zwischen
Theaterplatz und Ostwall

M

5b80/,&+(5$8)%$8
DAS SEIDENWEBERHAUS
1972 wurde an der Stelle, an der 1913
das Athenaeum geplant war, mit dem
Bau einer neuen Veranstaltungshalle
begonnen. Das Seidenweberhaus
Ensemble war erst vom Planungsamt,
GDQQYRP$UFKLWHNWXUEUR¶6LSSHO
7UXEHUW.OHLQ·DXVJHDUEHLWHWZRUGHQ

Der ursprüngliche Entwurf sah in
GHU%DXÁXFKWGHV2VWZDOOVHLQHQ
Büroriegel vor, der sich in der
Traufhöhe an der vorhandenen
Bebauung orientierte. Zur Kreuzung
PLWGHU6DQNW$QWRQ6WUD‰HKLQÀHO
das Gebäude terrassenförmig ab
bis zum Eingang der vorgenannten
8QWHUIKUXQJ¶'LH)XQGDPHQWHVLQG
noch bei den Gründungsarbeiten
gelegt worden, aber die
entsprechenden Bauten nie errichtet
ZRUGHQ·23 Das Seidenweberhaus,
eine Komposition übereinander
gelegter hexagonaler Flächen,
hatte seinen höchsten Punkt an
der Kreuzung Sankt-Anton-Straße/
222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

(FNH.|QLJVWUD‰HXQGÀHOYRQGRUWLQ
Richtung Gartenstraße und in Richtung
Ostwall ab. Mit dem Büroriegel wäre
ein überschaubarer und vom Verkehr
getrennter Platz entstanden, eine Art
Arena, die sich auf die Fassade des
Stadttheaters bezog. 1976 wurde
das Seidenweberhaus mit dem neu
gestalteten Platz feierlich eröffnet.
'HU1DPH¶6HLGHQZHEHUKDXV·
war mit einem Preisausschreiben
gefunden worden. Damit wurde an
die Geschichte der Manufakturstadt
angeknüpft, die durch die
Seidenproduktion internationalen
Rang und Reichtum erworben hatte.
Interessanterweise entschied man sich
für Seidenweberhaus und nicht -halle.

Abb. 2.5_24
Sanierungsgebiet Theater-Rathaus
aus der Vogelperspektive

der sich zwar im Innenraum
ausdrücklich auf die Kleinteiligkeit
der historischen Stadt bezog (Abb.
2.5_23), sich im Straßenraum aber
völlig autonom manifestierte (Abb.
2.5.25).
',(6$1.7$1721675$66(²
¶$&+6('(502'(51(·
Durch die Verbreiterung der SanktAnton-Straße zu einer dynamischen
Verkehrsader und die Positionierung
moderner Großbauten entlang der
neuen Verkehrsschneise entwickelte
sich die einst schmale und kleinteilig
bebaute Sankt-Anton-Straße zu einer
$UW¶$FKVHGHU0RGHUQH· B 

DAS SCHWANENMARKT CENTER
$XFKGDV¶6FKZDQHQPDUNW&HQWHU·
knüpfte an die Geschichte der Stadt
an, indem es auf den Namen des
historischen Marktplatzes in der
mittelalterliche Urzelle der Stadt
verwies. Die historische Bebauung
mußte dem neuen Komplex weichen,
138

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_25
Wohnungsbau oberhalb des
Schwanenmarkt Center

S

GEBÄUDE UND
GEBÄUDEENSEBLES
WOHNUNGSBAU
¶'DV(LQIDPLOLHQKDXVHLQ9RUERWH
des Unheils, den man immer
weiter draußen in der Landschaft
antrifft, ist der Inbegriff städtischer
Verantwortungslosigkeit und
der Manifestation des privaten
(LJHQWXPV·24 schrieb Alexander
Mitscherlich schon 1965.
Im Jahrzehnt zwischen 1970 und
1980 wurden auch in Krefeld in
rasantem Tempo neue Wohnungen
gebaut. Dabei stieg vor allem der
Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser
außerhalb der Innenstadt deutlich an
und erreichte 1980 28%.
Mit dem Bau von 200 Wohnungen im
Hochhaus und den Wohnblocks des
Schwanenmarkt Centers sollte neuer,
moderner Wohnraum in der Innenstadt
geschaffen werden. Die Bewohner
des Quartiers um den mittelalterlichen

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

Abb. 2.5_27
Papst-Johannes-Haus mit Fassadenrelief

Abb. 2.5_26
Skulpturale Brunnen- und Treppenanlage
am Schwanenmarkt Center

Schwanenmarkt waren allerdings
zuvor in die Großsiedlung Gatherhof
umgesiedelt worden.
¶1HEHQGHUKLHUYRUKHUUVFKHQGHQ
zwei-bis dreigeschossigen Bauweise
hatte man schon in den 50er Jahren
[…] begonnen, auch Hochhäuser
mit acht Geschossen und mehr
zu errichten und damit zugleich
städtebauliche Akzente zu setzen.
[…] Die Entwicklung setzte unter dem
6WLFKZRUW¶3XQNWKlXVHU·LPJDQ]HQ
Stadtgebiet fort. Das Bauvorhaben am
Bleichpfad mit seinen 23 Stockwerken
VROOWHDOOHZHLWEHUUDJHQ·25
1980 wohnten innerhalb der Vier
Wälle nur noch 6.400 Menschen – im
Vergleich zu etwa 10.500 vor dem 2.
Weltkrieg und 8.500 um 1950.
ARCHITEKTUR
1968 Papst-Johannes-Haus
1969 Horten (Helmut Hentrich)
1973 Seidenweberhaus
(Sippel Trubert Klein)
1976 Schwanenmarkt Center

SONSTIGE OBJEKTE
Kunst im öffentlichen Raum
0DKQPDO¶DQGHUDOWHQ6\QDJRJH·
1976 Brunnenskulptur auf dem
Theaterplatz (Will Brülls)
1976 Brunnen- und Treppenskulptur
am Schwanenmarkt Center,
Eingang Hochstraße
Neue Straßenlaternen in der
,QQHQVWDGWLP¶3ODQHWHQORRN·
(Abb. 2.5_25)
KUNST AM BAU
- Horten Kacheln
- Papst Johannes Haus Relief
- Papst Johannes Haus Bleiglasfenster

0$7(5,$/81')$5%(
Die Architektur der 70er Jahre ist auch
in Krefeld deutlich erkennbar durch
die Verwendung von Sichtbeton, bzw.
¶EHWRQEUXW·%UXWDOLVWLVFKH,NRQHQ
waren das Papst Johannes- und
das Seidenweberhaus, aber auch
das Wohnhaus am Südwall Ecke
Petersstraße ist ein typischer Vertreter
seiner Zeit.
Auch andere Materialien wurden
in ihrer rohen Form verwendet, so
der unverputzte Mauerziegel und
das grüne Glas am Schwanenmarkt
Center, oder die Baukeramik und
Metallplatten an Einzelhäusern am
Ostwall. Gemeinsam ist ihnen allen
die Horizontalität der Bandfassaden,
die nur durch ein tragendes
Betonskelett möglich sind, sowie die
Betonung der einzelnen vorgefertigten
Fassadenelemente.

139

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

Abb. 2.5_28 und 29
70er Jahre Architektur mit Baukeramik und
Metallplatten in modularer Aesthetik am Ostwall
Abb. 2.5_30
70er Jahre Architektur des Brutalismus am
Südwall

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

140

1.3.3.1 DIE 70ER JAHRE (KRITIK
AM MODERNISMUS)

BILD

S. 137

S. 132

Abb. 2.5_18
LENGWENINGS, Karl Heinz 1970

Abb. 2.5_1
LENGWENNINGS, Karl Heinz

Abb. 2.5_19
StAKR Obj. Nr. 39.065

Abb. 2.5_2
MIR Architecten/Flexus AWC

Abb. 2.5_20/1
LENGWENNINGS, Karl Heinz

S. 133

Abb. 2.5_21
StAKR Obj. Nr. 18.312

Abb. 2.0_3
gemeinfrei MULTIMEDIA centrum des
europäischen Parlaments
Abb. 2.5_4
VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld, 2010 (Bd. 5, S. 610, Abb. 36)
Abb. 2.5_5
VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld, 2010 (Bd. 5, S. 611, Abb. 37)

S. 138
Abb. 2.5_22
StAKR Obj. Nr. 39.661
Abb. 2.5_23
StAKR Obj. Nr. 16.322
Abb. 2.5_24
LENGWENINGS, Karl Heinz 1970

S. 134
Abb. 2.5_7
StAKR Obj. Nr. 9832)
Abb. 2.5_8
DH 85/2014, S. 119
Abb. 2.5_9
GOERTZ-BAUER, Inge
LAV NRW R, RWB 23414/435

Abb. 2.5_25
StAKR Obj. Nr. 19.103
Abb. 2.5_26
StAKR Obj. Nr. 16986/16
Abb. 2.5_27
StAKR Obj. Nr. 25581/27

S. 140
Abb. 2.5_28
MIR Architecten/Flexus AWC

S. 135
Abb. 2.5_10
StAKR Obj. Nr. 19.128
Abb. 2.5_11
StAKR Obj. Nr. 19.094

21

ROTTHOFF, Guido: Rheinischer Städteatlas
Krefeld, Bonn 2003 (S. 4)

22
1

BIRESCH, Peter: 1965 bis 1975 - Stichworte zu
einem Jahrzehnt der Veränderung

2

SCHILDT, Axel: Bundesrepublik Deutschland
1969 bis1973, in: Informationen zur politischen
Bildung (Heft 270) Bonn, 2001

3

SCHILDT, Axel: Bundesrepublik Deutschland
1969 bis1973, in: Informationen zur politischen
Bildung (Heft 270) Bonn, 2001

4

SCHILDT, Axel: Bundesrepublik Deutschland
1969 bis1973, in: Informationen zur politischen
Bildung (Heft 270) Bonn, 2001

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 484)

23

WZ 06.06.2019 Georg Opdenberg, Yvonne
Brandt

24
MITSCHERLICH, Alexander, die Unwirtlichkeit
unserer Städte 1965
25

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S.)

5

SCHILDT, Axel: Bundesrepublik Deutschland
1969 bis1973, in: Informationen zur politischen
Bildung (Heft 270) Bonn, 2001

6

BIRESCH, Peter: 1965 bis 1975 - Stichworte zu
einem Jahrzehnt der Veränderung

7

S. 139
Abb. 2.5_6
StAKR Obj. Nr. 12.086

TEXT

Abb. 2.5_29
MIR Architecten/Flexus AWC
Abb. 2.5_30
MIR Architecten/Flexus AWC

Abb. 2.5_12
StAKR Obj. Nr. 19.093
Abb. 2.5_13
Genehmigung noch nicht erhalten

BIRESCH, Peter: 1965 bis 1975 - Stichworte zu
einem Jahrzehnt der Veränderung

8

FUNDUS.org, Popart 1965 bis 1975, besucht
am 20.01.2020

9

WIKIPEDIA: Stadtbaugeschichte. Urbanität
durch Dichte in den 1960er und 1970er Jahren,
besucht am 20.01.2020

10

JACOBS, Jane: Death and life of great
american cities, New York 1961

11

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 481)

12

EINEM, Eberhard von: Wohnen, Wiesbaden
2016

13

WIKIPEDIA: Stadterneuerung und
Städtebauförderung, besucht am 20.01.2020

14

WIKIPEDIA: Stadtbaugeschichte. Urbanität
durch Dichte in den 1960er und 1970er Jahren,
besucht am 20.01.2020

15

RP 19.02.1971

16

ROTTHOFF, Guido: Rheinischer Städteatlas
Krefeld, Bonn 2003 (S. 4)

17

S. 136
Abb. 2.5_14
TEN HAAF, Theo & HEUSINKVELD, Sammlung
Evert: Eisenbahn Kurrier.
Abb. 2.5_15
LENGWENINGS, Karl Heinz 1970
Abb. 2.5_16
LENGWENINGS, Karl Heinz 1970

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 484)

18

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 487)

19

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 487)

20

Abb. 2.5_17
HIRSCH, Burkhard et al: Städtebauliche Planung
Mitwirkung des Bürgers, Düsseldorf 1978 (S.18)

222 KULTURHISTORISCHE STÄDTEBAULICHE ANALYSE

VOGT, Hans: Die Zeit der Reformen und der
Entwicklung zu einer modernen Großstadt.
Krefeld 2010 (Bd. 5, S. 487)

141